Review

„If they have no feelings, they can´t know fear.
But if they can´t know fear – why do they run...?”


Mit seinem 2004er Debüt „Malevolence“ gelang es Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Komponist Stevan Mena auf Anhieb, sich innerhalb der Genre-Fangemeinde ein dienliches Maß an Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erweben. Jener im Stile klassischer Vorbilder konzipierter und realisierter Low-Budget-Horror-Thriller erzählt(e) die Geschichte einiger Bankräuber, die sich nach einem aus dem Ruder gelaufenen Überfall an einem abgelegenen Ort auf dem Lande zusammenfinden und dort im Folgenden einem grausamen Killer zum Opfer fallen: Martin Bristol. Damals schon hatte Mena verlauten lassen, dass es sich bei dem Werk um das erste verwirklichte Kapitel einer geplanten Trilogie handeln würde – allerdings dauerte es daraufhin ganze sechs Jahre, bis er zu eben jener düsteren Materie „zurückkehrte“, und das in Gestalt des hier nun zur Besprechung vorliegenden Prequels „Bereavement“ (2010)…

Den Titel des Films, der übersetzt ja so viel wie Beraubung lautet, vermag man auf gleich mehrere seiner Inhalte zu beziehen – also nicht allein nur auf den „Vorfall“, mit welchem in den Storyverlauf eingestiegen wird: 1989 verschleppt der Schlachtersohn Graham Sutter (Brett Rickaby) den 6-jährigen Martin (Spencer List) direkt aus dem Vorgarten seiner Eltern – wonach der Junge (fortan) seitens des psychisch gestörten Mannes nahe einer Kleinstadt in Pennsylvania auf dem Grundstück seines verstorbenen Vaters (in dessen Haus sowie dem dazugehörigen ehemaligen Betriebsgebäude) „großgezogen“ wird. Bereits seit seiner Geburt leidet Martin an der seltenen neurologischen Krankheit „CIPA“ (Congenital Insensitivity to Pain with Anhidrosis), durch welche er über keinerlei Schmerzempfinden verfügt – eine Feststellung, die Graham ebenso erschreckt wie fasziniert, denn ohne das betreffende medizinische Hintergrundwissen macht er sich (entsprechend) die verschiedensten Gedanken über jenen Zustand, u.a. im Hinblick auf die „Seele“ des Jungen sowie eine mögliche Form von „Erlösung“ für seine eigene. Es ist nämlich so, dass Martin nicht ein einziges Wort spricht und Graham regelmäßig weibliche Teens entführt und tötet: Ein ihn innerlich zerfressender Drang – dessen Auswirkungen (seinem kranken Verständnis nach) sowohl für ihn als auch die eigentlichen Leidtragenden „weit weniger schlimm“ wären, wenn Menschen „unter bestimmten Umständen“ nichts mehr fühlen könnten bzw. würden…

Fünf Jahre lang lässt Graham das Kind (quasi als sein Protegé) Zeuge seiner garstigen Taten werden – sieht in ihm seinen Nachfolger und hält ihn (unterdessen) mit Gewalt sowie Furcht-einflößenden Erzählungen von einer Flucht ab. Per Zufall wird Martin eines Tages jedoch (am Fenster des alten Bauwerks stehend) seitens der auf einer nahebei gelegenen Straße joggenden Allison (Alexandra Daddrio) gesehen, welche nach dem Tod ihrer Eltern kürzlich erst aus Chicago in diese ländliche Gegend gezogen war, wo ihr Onkel Jonathan (Michael Biehn) sie bei sich, seiner Frau Karen (Kathryn Meisle) und Töchterchen Wendy (Peyton List) im „Kreise der Familie“ aufgenommen hatte. Innerlich viel stärker mit solchen Dingen wie der Trauer, dem Verlassen der Großstadt (mitsamt ihrer Freunde) sowie den eingeschränkten Sportangeboten ihrer neuen Schule „beschäftigt“, u.a. da sie trainierte Läuferin ist und keinerlei Interesse an Cheerleading hat, macht sich die junge Dame (daher) erst einmal keine weiteren Gedanken über jene eher flüchtige Beobachtung. Zum merklichen Missfallen Jonathans beginnt sie außerdem (schon recht bald) immer mehr Zeit mit William (Nolan Gerard Funk) zu verbringen – einem ungefähr gleichaltrigen Teenager mit „holpriger Vergangenheit“, der zusammen mit seinem Rollstuhl-gebundenen Vater (John Savage) in einem Trailer ganz in der Nähe wohnt. Das „unvermeidliche Aufeinandertreffen“ dieser zwei zentralen Plotstränge löst schließlich eine fatale Ereigniskette aus, die abgründiger kaum sein könnte…

Nicht bloß aus der vermittelten Atmosphäre, seinem Look und ruhigen Tempo resultierend, erinnert einen „Bereavement“ an gewisse Genre-Vertreter aus den 1970ern – was so (im übertragenen Sinne) auch mit der Gegebenheit harmoniert, dass hier Geschehnisse aufgezeigt werden, die sich innerhalb des „chronologischen Kontexts“ rund eine Dekade vor jenen in „Malevolence“ entfalten, der seinerseits ja ein deutliches '80er-Jahre-Slasher-Feeling aufweist. Im Einklang damit gibt es dieses Mal keinen wortkargen, geheimnisvollen maskierten Killer, der seine Opfer beobachtet, abpasst und dann der Reihe nach ins Jenseits befördert – stattdessen einen auf unterschiedliche Weise geisteskranken Mörder, der vereinzelt durchaus mit einigen Mitmenschen interagiert und im Rahmen seines zwanghaften Vorgehens primär auf solche Methoden wie Entführungen, Einschüchterungen sowie das systematische Zufügen von Angst und Schmerzen zurückgreift. Hinzu kommt, dass Graham auf seinem Anwesen diverse (so in der Art) „Vogelscheuchen“ platziert bzw. aufgestellt hat, welche jeweils groß, in Schwarz gehüllt sowie mit einem mächtigen Stier-Schädelknochen versehen daherkommen, offenbar einem „totemischen“ Zweck dienen und Martin zugleich derart verängstigen, dass er sich schlichtweg nicht traut, das Grundstück zu verlassen. Man könnte nun denken, bei dem Streifen würde es sich um nicht mehr als einen weiteren „Genre-Kollegen“ im Fahrwasser vom „Texas Chainsaw Massacre“ sowie in der Tradition des noch immer nicht völlig abgeebbten „Torture Porn“-Trends handeln – was so zum Teil auch tatsächlich der Wahrheit entspricht: Allerdings hat Mena sein Werk mit einigen speziellen Details versehen, die das Gebotene letztlich dann doch noch (zumindest ein Stück weit) von der Masse „artverwandter“ Horror-Kost abheben können...

Einer jener „Faktoren“ stellt die konzeptionelle Beschaffenheit der Rolle Martins dar – nämlich die eines sich im Zentrum etlicher verstörender Situationen von einem Opfer hin zu einem Täter entwickelnden Kindes. Im Vorfeld des US-Kinostarts musste das Poster (auf dem Martin eigentlich mit einem Messer in Händen abgebildet war) sogar überarbeitet werden, da die „MPAA“ dem Motiv in jener Form kurzerhand die Freigabe verweigerte: Ein sensibles Thema also. Im Laufe des Films wird der Junge u.a. geschlagen, wiederholt (gezielt) mit scharfen Gegenständen verletzt sowie einer Vielzahl gravierender psychischer Einwirkungen ausgesetzt – ohne aber die normalerweise damit verbundenen körperlichen Wehen zu spüren, was ja auf seine seltene (nichtsdestotrotz real existierende) Erkrankung zurückzuführen ist. Angesichts seines Heranwachsens unter diesen extremen Umständen ist sein späteres, geradezu „seelenlos“ anmutendes Auftreten und Vorgehen im Prinzip nicht allzu schwer nachvollziehbar. Spencer List (Jack Ketchum´s „Offspring“) portraitiert diese arg traumatisierte Persönlichkeit angepasst in sich gekehrt – mit unheimlichen „leeren“ Blicken, minimalen Regungen und ohne je ein Wort zu sprechen: Eine überzeugende Darbietung. Ähnlich lässt sich die Performance Brett Rickabys („the Crazies“) beurteilen – was insgesamt „recht hilfreich“ ist, da sein Part permanent zwischen verachtungswürdig und fast schon Mitleid erregend jämmerlich-armselig schwankt. Sutter mordet weder aus Spaß noch Lust, sondern weil er „ebenfalls“ (unverkennbar) u.a. darunter leidet, was ihm sein eigener Vater früher so alles angetan hat. Schade nur, dass diese Charakteristika (fieser Daddy, religiöse Verwirrungen, gravierende Erlebnisse beim Aufwachsen im Schlachter-Umfeld etc.) allesamt relativ Klischee-behafteter Natur sind...

Sutter´s „alter Herr“ hatte ihm damals versichert, dass die Tiere (speziell im Rahmen ihrer Tötung) „nichts spüren“ würden: Eine Aussage, die sich nahezu obsessiv durch seine Gedankengänge bewegt, seit er auf Martin´s „Zustand“ aufmerksam wurde – denn ohne Kenntnis von „CIPA“ kam bei ihm die Hoffnung auf, dass so etwas eventuell (irgendwie) bei jeder Person möglich sei, was wiederum die Auswirkungen seiner grausamen Taten entsprechend „erträglicher“ machen würde. Die Frage danach, inwieweit Sutter und (im Folgenden ja auch) Martin für ihre Gewaltakte überhaupt umfassend verantwortlich zu halten sind – u.a. da sie schließlich über Jahre hinweg quasi in diese „Position“ hinein „erzogen“ wurden – offeriert einem gleich mehrere Ansatzpunkte für Reflexionen und Diskussionen zu speziellen Aspekten dieser breit gefächerten Thematik (Stichwort: „Ursprung des Bösen“). Das augenfällige Motiv bestimmter Abhängigkeiten und Spannungen zwischen zwei Generationen lässt sich ebenfalls in anderen Bereichen der Story wiederfinden: Nach dem Verlust ihrer geliebten Eltern muss sich Allison (zwangsläufig) in die Familienstruktur ihres Onkels einfügen, welchen sie bislang nur eher flüchtig kannte: Jener ist stets nett, bemüht sich redlich, vernünftig auf sie einzugehen, und nimmt seine Fürsorgepflicht von Anfang an sehr ernst – weshalb er auch eine ablehnende Haltung gegenüber ihrer Freundschaft mit William vertritt, der sich seit dem Selbstmord seiner Mom um seinen gehbehinderten (und überaus verbitterten) Dad kümmert sowie über keinen sonderlich guten Ruf im Ort verfügt. Zwar werden Sohn und Vater von Nolan Gerard Funk („Deadgirl“) und John Savage („the Deer Hunter“) jeweils solide gespielt – allerdings hätte ich auf „ihren“ Subplot (im Ganzen) getrost verzichten können, schlichtweg weil es ihm an einem ergiebigen Maß an Substanz und Reiz mangelt...

Ihre Hauptrolle meistert die hübsche Alexandra Daddario („Percy Jackson and the Olympians: the Lightning Thief“) ohne Anlass zur Beanstandung: Mit Ausstrahlung und Talent gibt sie eine glaubwürdige Allison ab, welche ihre Trauer hinter einer „schützenden Fassade“ zu verbergen versucht – unabhängig dessen aber auch (wenn notwendig) belastbar, tough und stark sein kann. Auf ihre Leistung in „the Texas Chainsaw Massacre 3D“ (2012) bin ich jedenfalls jetzt schonmal gespannt. Dennoch sehe ich mich (unglücklicherweise) dazu gezwungen, zwei Gegebenheiten anführen, die mir im Zusammenhang „ihrer Präsentation“ missfielen: Vom Drehbuch her hätte man Allison ruhig einen „gesünderen Menschenverstand“ zugestehen dürfen, da einige ihrer Entscheidungen (wie z.B. allein einen creepy Keller zu erkunden) echt unschön stereotyp daherkommen – worüber hinaus es (seitens des Streifens) keineswegs nötig gewesen wäre, Alexandra´s „natürlichen Vorbau“ derart aufdringlich ins Bild zu rücken. Ihr Onkel Jonathan wird indes vom erfahrenen „B-Movie-Veteran“ Michael Biehn („the Divide“) verkörpert, der eine Menge seines gewohnten Charismas mit in die Darbietung hat einfließen lassen. Manierlich tritt Kathryn Meisle („Basket Case 2“) als seine Ehefrau Karen in Erscheinung – ebenso wie Spencer´s zwölfjährige Zwillingsschwester Peyton List („the Sorcerer´s Apprentice“) als süßes Töchterchen der Familie Miller. Ergänzend muss obendrein noch Valentina de Angelis („Camp Hope“) Erwähnung finden, die eines der Entführungsopfer Grahams reich an glaubwürdigem Engagement darstellt: Dies führt nämlich dazu, dass ihr Schicksal einen durchaus bewegt – und nicht etwa (wie bei ähnlichen Parts in vergleichbaren Flicks) weitestgehend egal verbleibt...

Es ist erfreulich zu registrieren, dass der Film sowohl als Prequel als auch eigenständiges Werk anständig funktioniert: Vorrangig liegt das daran, dass die Story hier manch anderen Schwerpunkt „als üblich“ setzt und es daher (beispielsweise) im Prinzip überhaupt nichts ausmacht, dass man von Anfang an ja eigentlich bereits weiß, was später denn mal aus Martin werden wird. Meine persönliche Empfehlung: „Malevolence“ (trotz allem) möglichst zuerst ansehen – u.a. wegen der deutlichen Steigerung in Sachen Produktionsqualität und da man auf jene Weise die betreffenden „Hintergrundinfos“ in einer interessanteren Reihenfolge dargereicht erhält. Von seinem ruhigen Einstieg, mit den beiden beinahe parallel verlaufenden Haupt-Plotsträngen, in deren Rahmen erst einmal eine ersprießliche Verbindung zwischen dem Gebotenen und dem Zuschauer aufgebaut wird, bis hin zum extrem düsteren, tragischen und packenden Finale: Man kann sich nie wirklich sicher darüber sein, welche Pfade die Story eventuell noch einschlägt – insbesondere nicht nach einer Szene in der 70. Minute, die eindrucksvoll veranschaulicht, dass absolut keiner der Beteiligten „sicher“ ist. Als Skriptautor hat Mena passable Arbeit abgeliefert, wenn auch nicht frei von Schwächen – allen voran so einige Klischees, mäßige Dialogzeilen sowie evidente Mängel im Bereich der Logik (vorrangig im Hinblick auf die nicht zu verzeichnenden Bemühungen etwaiger Polizeikräfte). Im Einklang mit den stimmungsvollen Bildern, die Cinematographer Marco Cappetta („Sea of Fear“) einzufangen vermochte, komponierte Mena einen ebenbürtigen Score und realisierte den Streifen mit einer auffällig fachkundigen Kompetenz, an der es im Prinzip nichts auszusetzen gibt: Die entscheidenden Set-Pieces sind allesamt effektiv umgesetzt worden, der Suspense-Grad ist solide ausgeprägt und die Gewalt durchweg gnadenloser Natur – inklusive blutiger Schuss- und Stichwunden sowie Körper, die entweder zerschnitten, durchbohrt und/oder verbrannt werden – ohne aber je aufgesetzt oder selbstzweckhaft zu wirken. Personen mit einem „schwachen Gemüt“ ist auf jeden Fall nahe zu legen, einen weiten Bogen um diese Veröffentlichung zu schlagen – wohingegen alle übrigen definitiv bis nach Endes des Abspanns dranbleiben sollten...

Fazit: Mit „Bereavement“ ist Stevan Mena ein dramatischer Horror-Thriller gelungen, der die grausame Vorgeschichte des „künftigen“ Serienkillers Martin Bristol erzählt, primär aufgrund seiner kompromisslosen Ader und ungemütlich-düsteren Atmosphäre zu überzeugen weiß sowie alles in allem (in etwa) als eine Kombination aus „the Texas Chainsaw Massacre“, „Hostel“ und „Frailty“ charakterisiert werden kann. Man darf gespannt sein, welchen inhaltlichen und stilistischen Weg Mena wohl im Zuge seines noch ausstehenden letzten Kapitels dieser keinesfalls unbeachtenswerten Trilogie (demnächst irgendwann mal) einschlagen wird...

knappe „7 von 10“

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