„So ist es wirklich passiert!“
Nachdem US-Regisseur Wes Craven im Jahre 1996 dem Slasher-Subgenre mittels „Scream“ in Zusammenarbeit mit Drehbuchautor Kevin Williamson erfolgreich neues Leben eingehaucht hatte, erlebte es eine Renaissance und brachte weitere Beiträge hervor, so beispielsweise „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“, mit dem Regisseur Jim Gillespie sein Langfilm-Debüt ablieferte und der 1997 zwischen „Scream“ und „Scream II“ erschien. Das Drehbuch stammt ebenfalls aus der Feder Williamsons und basiert auf einem Buch Lois Duncans, die eher ungehalten darauf reagierte, dass aus ihm ein Slasher gemacht wurde.
„Wir nehmen es mit ins Grab!“
Ein kleines Fischerstädtchen in den USA: Helen (Sarah Michelle Gellar, „Scream II“) hat den alljährlichen Schönheitswettbewerb, die Wahl zur „Croaker-Queen“, gewonnen. In Feierlaune rast sie zusammen mit ihren Freunden Julie (Jennifer Love Hewitt, „Ghost Whisperer“), Barry (Ryan Phillippe, „Eiskalte Engel“) und Ray (Freddie Prinze Jr., „Wing Commander“) eine Küstenstraße hinunter, als es zum Unglück kommt: Ray überfährt einen Mann. Dieser scheint tot zu sein, woraufhin ihn die Jugendlichen ins Meer werfen, um den Unfall zu vertuschen. Doch der Totgeglaubte lebte noch. Statt ihm zu helfen, lassen sie ihn ertrinken und schwören sich, darüber Stillschweigen zu bewahren. Ein Jahr später kehrt Julie in den Sommerferien von ihrem Universitätsstudium nach Hause zurück, wo sie einen Brief mit dem Satz „I know what you did last summer“ vorfindet. Sie nimmt Kontakt zur alten Clique auf, doch niemand will es gewesen sein. Zunächst verdächtigt man Max (Johnny Galecki, „Das Gegenteil von Sex“), dem man in jener schicksalhaften Nacht begegnete. Doch dieser wird kurz darauf von einem Unbekannten in Öljacke mit einem Packhaken getötet. Langsam realisieren die Jugendlichen: Sie befinden sich in höchster Lebensgefahr…
„Ich hab‘ schon ‘ne Überdosis Sexismus!“
Bilder des Meeres und der Brandung gehen über zu besagter Miss-Wahl, die Helens Freunde vom Geländer aus beobachten. Bei einem Lagerfeuer am Strand erzählen sie sich eine urbane Legende (die so ähnlich ein Jahr später in „Düstere Legenden“ tatsächlich umgesetzt wurde). Eine Stimmung glücklicher, unbeschwerter Jugend mischt sich unter die idyllischen Bilder, jäh zerstört durch den fahrlässig herbeigeführten Unfall. Nach der von Panik und Egoismus geprägten Tat und dem anschließenden Schwur, 23 Minuten sind bisher vergangen, macht der Film einen Zeitsprung um ein Jahr in die Zukunft bzw. die filmische Gegenwart. Die furchteinflößenden Nachrichten gehen um, die Jugendlichen sind psychologisch auffällig und/oder bei Weitem nicht so erfolgreich oder glücklich in dem, was sie tun, wie sie es sich im letzten Sommer ausgemalt hatten. Barry ist aufbrausend und extrem unentspannt, beide Paare haben sich getrennt. Das erste Todesopfer wird ausgerechnet der unbeteiligte Max, was einen ersten Hinweis auf die Boshaftigkeit des offenbar um mehr als Sühne bemühten Täter bietet. Barry lässt er zunächst am Leben, als er ihn attackiert. Ist er noch nicht an der Reihe? Der Täter scheint Vergnügen und Genugtuung dabei zu finden, in der Vierergruppe Angst und Schrecken zu verbreiten.
„Amerikanisches Volksgut!“
Helen und Julie recherchieren die Verwandtschaftsverhältnisse des mutmaßlichen Toten und suchen seine Schwester Missy Egan (Anne Heche, „Nicht schuldig“) auf, die Trauriges zu berichten hat. Doch offenbar war und ist doch alles anders, als angenommen – wer ist wirklich tot, wer noch am leben und wer der geheimnisvolle Killer in der Fischerkluft? Ist er vielleicht doch in den eigenen Reihen zu suchen...? Sein Whodunit? gestaltet „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ ansprechend und spannend. Vor lauter Misstrauen droht die Clique auseinanderzubrechen. Zumindest Helen und Julie setzen sich glaubhaft mit ihrer Schuld auseinander und avancieren damit zu Sympathie- und Identifikationsfigurenfiguren für den Zuschauer.
„Ich verstehe deinen Schmerz!“
Dazu trägt auch bei, dass Williamson und Gillespie beide Charaktere weitestgehend klischeefrei gestalten. Damit einher geht, dass der Film ohne sleazige Nacktszenen o.ä. auskommt, was ihm gut zu Gesicht steht und seiner Ernsthaftigkeit zugute kommt – er möchte keinesfalls ein „Party-Slasher“ sein. So empfindet man durchaus Empathie, wenn den Mädels die Haare abgeschnitten werden und ihnen eine Leiche in den Kofferraum gelegt wird, die jedoch schnell wieder verschwindet – und verzweifelt gefleht wird: „Ich will mein Leben wiederhaben!“ – was eher ungewöhnlich für einen Teenage-Slasher ist. Während des heurigen Talentwettbewerbs wird Barry getötet, als er vom Balkon aus zuschaut; eine Szene, die sich ins Subgenre-Langzeitgedächtnis eingebrannt hat. Der Fischer macht fortan auch vor Polizisten keinen Halt und tötet Helens Schwester Elsa (Bridgette Wilson-Sampras, „Haunted Hill“) – der bisher nicht sonderlich hohe Bodycount kommt in Fahrt. Nach langer Hatz muss schließlich eine weitere Protagonistin das Zeitliche segnen, während ein Feuerwerk und ein Spielmannszug die Bevölkerung in Feierlaune versetzt. Die gelungene Wendung der Handlung läutet das actionreiche Finale mit abschließender netter Pointe ein.
„Du siehst aus wie der wandelnde Tod!“
Trotz seines über weite Strecken gemessen an wesentlich ungestümeren Genrevertretern geringeren Grads an Schlitzereien ist „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ recht rasant inszeniert, wirkt manchmal gar beinahe gehetzt. Die durch aus den interessant gewählten Drehorten gewonnenen malerischen Landschaftsaufnahmen in Kombination mit den sehr ästhetischen Bildkompositionen erzeugte Atmosphäre wird dadurch zeitweise gefährdet oder zumindest konterkariert; dafür ist man bisweilen geneigt, zu vergessen, dass der ganze Inhalt des Films eigentlich schon etwas abgedroschen und unspektakulär ist. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass Gillespies Film den Beweis antrat, dass man auch auf der „Scream“-Euphorie mitschwimmend ohne humoristischen, ironischen oder genrereferentiellen Ansatz mittels sorgfältigem Handwerk, etwas Inspiration und mithilfe motivierter Jungschauspieler (von denen bekanntermaßen nicht wenige den Durchbruch schafften) ein guter, unterhaltsamer und von entsprechendem Erfolg gekrönter Genrefilm möglich ist, für den die Zeit 1997 anscheinend einfach reif war. Bestens dazu passt der stimmige Rock-Soundtrack inkl. Interpreten wie The Offspring, L7 und Typo O Negative, der in Form des lässigen Billy-Joe-Royal-Covers „Hush“ ebenso die alte Schule mit der Moderne vereint, wie es der Film tat.