Vom Ausgangspunkt her ungewöhnliches Projekt im Hong Kong Kino, entsprechend seiner unangenehmen Thematik in grundsätzlich eher weniger kommerzträchtig ausgerichteten Produktionskreisen erwartet und folglich als Einzelprojekt auch entsprechend an der Kinokasse untergegangen. Stowaway [ = blinder Passagier ] ist ein Drama über die Imponderabilien einer gefahrvollen, monatelangen Reise mehrerer Chinesen ohne Papiere auf versteckten Umwegen Richtung England, gehetzt von einer düstereren Vergangenheit, angetrieben vom Glauben an eine offene Zukunft, den Führern ausgeliefert und behindert von staatlichen Kontroll- und Repressionsmaßnahmen:
Die vor 10 Jahren nach England geflüchtete Candy [ Michelle Zhang ] ist mittlerweile zum Reichtum gelangt, indem sie Landesgenossen genau die gleiche Möglichkeit in Aussicht stellt. Zusammen mit Vincent [ Benny Lai Chun ] schmuggelt sie als Entrepreneur Menschen über Vietnam, Russland, Holland in die UK, wobei im voraus bezahlt und sich nach entsprechender Entlohnung kaum noch um seine Klienten gekümmert wird. Dennoch treten immer wieder Verzweifelte und Hoffende die beschwerliche 'deluxe tour' an. Diesmal sind es der von der Polizei gesuchte Chow Dai Fook [ Julian Cheung ], die Prostituierte Nancy [ Athena Chu ] mit ihrem Kind, der angehende Restaurantbesitzer Chung [ Michael Chow ] und Chi-ming [ Harvey Hu ], der seine in das Rotlichtmilieu abgerutschte Freundin Cindy [ Annie Wu ] in London suchen will.
Basierend auf realen Tatsachen, die hier auch proklamiert, aber dann rein fiktiv angewandt werden, arbeitet der Film formal wie eine vermeintliche Dokumentation über diesen speziellen Dienstleistungssektor der shetous. Der Snakeheads [ AT ], die ihren Namen metaphorisch aus der Tierwelt entlehnt haben: Schlangenkopffische. Aggressive Räuber, die durch eine seuchenhafte Ausbreitung in Fremdgewässern eine ernsthafte Bedrohung für das ökologische Gleichgewicht darstellen, auf Kosten der heimischen Arten.
Vergleichbar die gesellschaftliche Situation: Legale und illegale Immigration gehört zu den drängendsten Fragen sowohl der Europäischen Union als auch der Amerikanischen Regierung. Mittlerweile leben beinahe 33 Millionen Chinesen in Übersee; eine Schwemme von billigen Facharbeitern, die auf Integration und Wahrnehmung von Menschenrechten zumeist verzichten und ihr Leben lang die einmal gemachten Schulden ableisten müssen.
Der Film, in Auftrag gegeben von Celestial Pictures Limited und Martini Film Company Limited, bedient sich dabei einer exakten Meldung: Dem Tod von 58 chinesischen blinden Passagieren im britischen Hafen von Dover, die von Zollbeamten bei einer Routineuntersuchung am 19.6.2000 entdeckt wurden.
Dies stellt in einer geringfügigen Abweichung die Eröffnungs- und Abschlussszene dar; fortwährend bedient man sich auch relativ exaktgehaltener Orts- und Datumseinblendungen, furchteinflössender Originalaufnahmen der Katastrophe, der bürokratischen Erfassung der Toten, aber ansonsten rein paradoxer Betrachtung. Aus der Sicherheit einer hypothetischen Rückblende heraus, sichtlich auf den Arthouse- und gleichzeitig auch Publikumserfolg Boat People [ 1983 ] zielend und trotzdem seinen Ursprung aus dem B - Movie Bereich nicht vergessen könnend. Das Seltsamste dabei und auch das grösste Manko des Filmes ist neben dem schlechten Schauspiel sein Regisseur: Clarence Ford war in jungen Jahren ganz zu Beginn seiner Karriere durchaus Jemand, der sich mit Entwicklung und Umsetzung auch derartiger Elemente bewiesen hat; nur liegen seine Anfänge mit Job Hunter, On the Wrong Track und Before Dawn eben auch knappe zwei Dekaden zurück und ging sein Weg eher abwärts statt aufwärts. Kurzzeitiges Prestige als ertragreicher Visualist diverser Actionfilme, womöglich noch angeheizt mit Sleaze und Sex, erhielt darauffolgend seine Filmography am Leben, aber mittlerweile ist auch dies passé défini. Sobald er kein Budget zur Verfügung hat, konnte man es noch auf die eingeschränkten Mittel zurückführen; allerdings wird bei finanziell abgesichterten Projekten wie Century of the Dragon oder The H.K. Triad [ beide 1999 ] überaus gelangweilt und damit sehr unpersönlich gefilmt.
Ford ist inzwischen Jemand, der die Zeichen der Zeit nicht mehr erkennt und sich auch viel zu abhängig von der jeweiligen Tagesform gezeigt hat: Stowaway ist da leider keine Ausnahme und versagt nicht nur in der Kunst des zwischenmenschlichen Verstehens.
Die knappe Einführung verschreckt dabei weniger durch das mangelnde Einfühlungsvermögen; es ist ganz einfach zu offensichtlich, dass man wenig Wert auf eine angemessene Aufführung legt. Zwar begibt man sich für die Dreharbeiten an die jeweiligen Originalschauplätze und kann deswegen einige Male eine geographisch authentische Wirkung beziehen. Aber Ford beweist gleich mit der ersten blur motion Attacke, dass er jegliches optisches Bewusstsein verloren hat und kann dies auch nicht mehr über die Betrachtung bestimmter einseitiger Verhaltensweisen wie Geltungssucht, Profiliergehabe, Hochmut im intersubjektiven Zusammenhang wettmachen.
Scheitern tut es dann vor allem an der Empathie gegenüber beinahe jeder Person. Entweder sind einem die Leute völlig egal, oder noch schlimmer, sie stossen ab; was nicht nur an dem vorherrschenden Dubbing liegt. Die wenige, oft belanglose Charakterisierung besonders bezüglich der Beweggründe für die Flucht und der Hintergründe des verlassenen Lebens fällt noch zusätzlich nachteilig auf. Ihr blosses Vorhandensein erweckt wohl kaum eine intuitive Einfühlung oder wirkliche Anteilnahme und wandelt sich über die Dauer, den noch kommenden frustierenden Gefühlsausbrüchen und der zementierenden Unmotivation seitens der Regie alsbald in eine Form der ungerührten Abstumpfung um. Sicherlich vermag man das hiesige Weltbild zu interpretieren und sich rhetorisch auf die Sensibilitäten des Anderen einzustimmen, aber die arg eingeschränkte Sichtweise und die pseudo-rationale / pseudo-objektive Perspektive führt mit ein bisschen Ungeduld schnell zu strapazierten Nerven. Ein Kino des Unbehagens wäre der - wegen seinem aufrüttelnden Stellenwert - eigentlich sozial kompetenten Materie durchaus zuträglich, entsteht hier aber nur aus dem Unvermögen, die Geschichte abseits aller Entsagungen aufschlussreich oder gar fesselnd zu erzählen. Dass man zwischenzeitlich auch noch unfreiwillig lustig wird - im vietnamesischen Auffangbecken soll man mit "My Name is Richard. Your Name is Richard. His Name is Richard" Lektionen das Englisch lernen, was bei den Chinesen nur zu "You are Lipchard, he is a dog" führt - kann man auch nicht gerade als angemessene Glanzleistung werten.
Die chronologischen Sprünge im Prolog deuten das dramaturgische Problem bar publizierter Forschungen und detaillierter Einblicke in die Ausgangs-Lebensumstände beizeiten an: Nach wenigen Einstellungen scheint deutlich hervor, dass man nicht wirklich den Anreiz besitzt, sich für die kommenden Minuten etwas Neues auszudenken.
Selbst die Methoden der Anwerbung von Migrationswilligen und der extrem auffällige Herkunftsort - der aussergewöhnlich hohe Anteil der Auswanderer kommt aus der Küstenstadt Fuzhou in der Provinz Fujian - werden allerhöchstens beiläufig erwähnt. Die darauffolgende Arbeit in der Schattenökonomie und der Verlust der Bestimmung über das eigene Privatleben wird ebenfalls nur angedeudet. So stellen allein die Durchführung des Transports, die monatelange Odyssee mitsamt der Eintreibung der Preise den blossen Handlungsrahmen. Etwaige wissenschaftlich stabilisierte Analysen werden zugunsten von reinem Thrill und mehreren aktionsintensiveren Einheiten speziell an den Grenzkontrollen zusätzlich zur Soapstruktur aufgegeben.
Für eine Tragödie bekommt man ausgesprochen viel aktive Oberflächlichkeit und eingesetzte Cliffhanger-Effekte geboten, wohl als Lockmittel für die breite, schaulustige, an komplexen Streitfragen weniger wissensdurstige Zuschauerschar. Bereits am ersten "globalen Verteidigungswall" werden allegorisch für die Probleme der Grenzüberschreitung die Maschinengewehre hervorgezaubert. Später liefert man sich noch Autoverfolgungsjagden mit vietnamesischen Streifenpolizisten, muss sich Beinahe- und vollzogenen Vergewaltigungen erwehren, legt sich mit russischen trigger-happy Beamten auf Airports an, flieht vor Hundestaffeln durch ein schneebedecktes Minenfeld und springt auf fahrende Züge auf, bevor man in England auf eine grossangelegte Kontrolle der Fesseln des Gesetzes stösst. Ausserdem bekommen es die unwürdig Reisenden mit dem eigens angeheuerten Verbrechersyndikat ebenso zu tun wie mit deren ukrainischen Konkurrenz. Das Böse im Menschen, sein Drang nach Geld [und erzwungenem Sex] und das strenge Vorgehen gegenüber Banden international organisierter Kriminalität als systemische Fundierung des Drehbuches, dass sich so zwar ausdrücklich um den Existenzkampf und seinen Extremsituationen ausserhalb von Normalität und Alltag dreht, aber die wahre Problematik trotz löblicher Initiative allerhöchstens streift und die Unzulänglichkeiten mit eher minderwertigen Actionszenen kaschiert.