„What are you writing?“
„A novel.“
„Whats the story?“
„There is no story there are just people, gestures, moments, bits of raptures, fleeting emotions. In short, the greatest story ever told. “
“Are you in that story?”
“I don't think so. But then, I'm kind of reading it and then writing it.”
Dieser kurze Dialog aus Richard Linklaters Film Waking Life beschreibt selbigen ziemlich perfekt. Keine Story, ist das ansehbar, wird es der Definition von Film gerecht? Berechtigte Fragen, doch eins nach dem anderen. Kommen wir zu erst zum augenscheinlichsten Merkmal welches diesen Film einzigartig macht der innovativen Optik.
Handelt es sich hier nun um einen Animationsfilm im klassischen Sinne oder um einen nachbearbeiten Realfilm, mag sich so manch einer in Anbetracht des Ergebnisses fragen. Beides ist richtig, als erstes wurden alle Szenen mit realen Darstellern an realen Sets gedreht und dann mittels des so genannten Rotoscoping Verfahrens eine animierte Version des Materials erstellt. Vereinfacht kann man das so erklären, als ob man eine transparente Filmrolle über das Originalmaterial legt und dann einfach die Konturen abpauscht und diese ausmalt. Nun kann man den neuen vom Computer abgezeichneten Film beliebig manipulieren, zum Beispiel mit Filtern den Grad der Abstraktion anpassen oder die ganzen anderen wilden Sachen, die in Waking Life zu sehen sind.
Als groben Rahmen begleiten wir einen namenlosen Protagonisten durch einen Traum, keine Angst an Eraserhead erinnert der Film nun wirklich nicht. Anfangs ist sich der junge Mann nicht bewusst, dass er träumt, er schwebt nur stumm von Szene zu Szene lauscht den Schilderungen zu verschiedensten Themengebieten von Liebe, Realität über Zivilisationsfortschritt, zu Bewusstsein oder der Diktatur der Physik über das Leben ist alles dabei. Zwischendurch reden sich auch einige Personen einfach mal den Frust von der Seele, zum Beispiel ein Mann im Gefängnis, der nur darauf wartet am Tag der Entlassung mit allen abzurechnen. Jeder dieser Monologe wird durch die Technik anders dargestellt, klar alle sind animiert jedoch unterscheiden sich sowohl die Darstellung der Hintergründe und die Bewegungen der Figuren sowohl im Detailgrad wie auch in der Interaktion untereinander erheblich. In der Mitte des Films, wenn sich der Zuschauer zu fragen beginnt, wohin dies alles führt, wird sich der Protagonist seines Träumens bewusst und beginnt aktiv am Geschehen teilzunehmen. Was aus dramaturgischer Sicht seitens des Films verdammt genial gemacht ist, er übernimmt kurzzeitig die Rolle des Zuschauers. Er trifft eine fremde Frau und berichtet ihr, dass er bisher nur passiv zugehört und nicht alles verstanden hat, nur vage Konzepte deren Existenz ihm seltsam vertraut vorkamen. Ihm wird versichert, dass nichts zu sagen nicht unbedingt der falsche Weg war und es schon richtig ist wie es ist. Diese Szene hält geschickt das Interesse des Publikums aufrecht und fortan werden die ursprünglichen Monologe zu Dialogen. Auch thematisch wandelt sich das Erzählte, es geht nun hauptsächlich um Träume und das Verhältnis zwischen Träumen und der Realität. Erst recht spät bemerkt die Hauptfigur, dass sie zum Gefangenen des eigenen Traumes geworden ist und versucht aufzuwachen.
Die Wahl für die außergewöhnliche Optik tut dem Film sehr gut, denn es wird fast die ganze Zeit nur gesprochen. Als normaler Film wäre das sicher nach spätestens einer halben Stunde tot langweilig, doch der verspielet Look hält das Interesse über die gesamte Spieldauer aufrecht. Man muss der Fairness halber erwähnen, dass das ganze eine ziemliche Anstrengung für die Augen sein kann, da das ganze Bild ständig in Bewegung ist, zudem braucht man am Anfang ein paar Minuten um sich erst mal an den Look zu gewöhnen. Es ist nicht nötig immer alles genau zu verstehen, vor allem in der ersten Hälfte nicht, aber die Kombination aus Zuhören und Zuschauen macht immer Spaß. Auch mehrmaliges Ansehen lohnt, vor allem kann man sich die Szenen wunderbar einzeln anschauen und ist keineswegs gezwungen Waking Life in der angedachten Chronologie zu betrachten. So pickt sich jeder die Passagen heraus, die ihm persönlich etwas sagen und es gibt davon wirklich viel was sich anbietet, wie der Cameo Auftritt von Ethan Hawke und Julie Delpy in ihren Before Sunrise Rollen, oder der Kinobesuch in der es um das Einfangen des Holy Moment geht, auch der letzte Redner, Regisseur Linklater selbst, der sich ausführlich über Philipp K. Dick auslässt, hat einiges Wissenswerte zu erzählen.
Fazit: Wirklich als Film kann man Waking Life nicht bezeichnen, es gibt im Prinzip keinerlei erzählerischen Elemente. Jedoch ist das Endprodukt von Anfang bis Ende ungeheuer interessant, zudem noch optisch und ästhetisch höchst eindrucksvoll. Wer sich einfach mal 100 Minuten Zeit nehmen will um die Welt aus verschiedensten Blickwinkeln erklärt zu bekommen ist hier genau richtig. Man sollte wissen was man bekommt, aber wer sich darauf einlässt wird Waking Life so schnell nicht mehr vergessen. Wirklich eindrucksvoll.
“They say that dreams are only real as long as they last. Couldn't you say the same thing about life?”