Review

Die seit dem Startjahr 1952 bis einschließlich Heute produzierte Springfield Story ist mit über 15.000 Folgen die weltweit am längsten laufende Seifenoper.
Guns and Roses kommt dem ziemlich nahe, zumindest in gefühlter Hinsicht.

Was immer sich ein Philip Ko, erwiesener mastermind in Sachen B-Action, sich dabei gedacht hat, plötzlich aus heiterem Himmel und ohne jede weitere Vorwarnung ein Drama zu lancieren, es ging heillos daneben. Nicht nur, dass man ein Setting aufweist, dass viel eher in Richtung der - für seine Verhältnisse - ziemlich gelungenen Killers Romance und Phantom War hindeutet, auch die entsprechende Crew und sogar das eigentliche Genredrehbuch ist mit vor Ort; theoretisch wartet der verwöhnte und letztlich arg verblüffte und gleichzeitig enttäuschte Zuschauer bis kurz vor Ultimo auf eine ähnlich pessimistische Replik gezückter Waffen und fliegender Fäuste. Stattdessen bekommt er den missglückten Abriss eines Passionsspiel über große Träume, Liebe und Niederlagen, dass in freiwilliger Selbstzensur wohl gerne die moderne Wiedergabe der Sirk - Melodramen sein möchte, aber leider nichts weiter als ein dramaturgisch kurzatmiger Einakter mit schlechtem Dialog und noch schlechterem Schauspiel darstellt. Die Geschichte der Verwicklungen überschwellender Emotionen wird in emsiger Fließbandarbeit vorangetrieben und der Knoten des Ganzen so logisch verdeckt gehalten, dass letztlich Zufall, Allerunwahrscheinlichkeit und brachiale Gewalt die Auslöser des Bloodshed - Höhepunkts sind:

China - Flüchtling Tai Chin Shui [ Robin Shou ] muss auch fern der Heimat in Frankreich um seine Zukunft fürchten, ist er doch heimlich im Lande und hat wegen anhaltender Probleme mit dem Pass gerade seinen letzten Job verloren. Mittel- und perspektivlos geht er zu seinem alten Jugendfreund Fa Chin [ Simon Yam ], der in England zwar ebenfalls keinen Job hat, sich aber mit kleineren kriminellen Touren und dem Glücksspiel über Wasser hält; außerdem hat er in der Nachbarin Shato Shiko [ Sakakibara Yoshie ] eine treue Freundin, die zudem in der Firma von Mr Nakamuri [ Luk Chuen ] und dessen rechter Hand Peter [ Philip Ko ] ganz gut verdient und rosige Aufstiegschancen hat. Als Shikos lange verschollener Bruder Buta Taro [ Wilson Lam ] samt Vater auftaucht, könnte sich alles in Wohlgefallen auflösen.Doch dann springt das Schicksal aus der Schachtel und schlägt mit dem Holzhammer zu.

Bis die unglückliche Kette voll Unglück soweit ist, hat man als mittlerweile etwas schläfriger, noch mehr enervierter Betrachter eher das Gefühl, sich auf der langen Reise über der Krümmung der Zeitachse zu befinden. Da hilft es auch nicht, dass die bescheidene, erst irgendwann vor Abspann überhaupt interessierende Handlung mit Klimperklavier aus einem weich gezeichneten Just Jaeckin unterspült ist und die vermeintliche Tragik gleich im tränenfeuchten Akkord bearbeitet wird. Statt theoretischer Reflexionen über globalising chinese migration und einem Themendossier über Asyl, Aussiedlerpolitik, Zuwanderung und Integration werden nur Formeln und Schlagworte [ Die Große Proletarische Kulturrevolution, der drohende Handover am 01.07.1997, die Atmosphäre offener Feindschaft gegenüber Japan ] und etwas fotografische Exkursion benutzt, um das Dramolett mit scheinbar ernsten Unterbau zu versehen.

Sowieso hat man auf dem Papier alles aufgefahren, was kurz vor der Schwarzblende auch bei den Vorbildern als schweißtreibender Cliffhanger herzuhalten hat und in inszenatorisch geschickten Händen zu einem aufwühlend blutigen Kampf zwischen der harten Wirklichkeit und dem herbei sehnenden Begehren des Menschen werden könnte. Incl. der späten Familienzusammenführung samt der Vereinigung getrennter Eheleute kommt noch eine tödliche Krankheit, drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit, Karriereknick, Heimweh, Fernweh, politische Verfolgung, soziale Desorientierung, Rassismus, Polizeiwillkür etc. hinzu. Plus dem obligaten Gefühlswirrwarr einer gleich doppelt angedeuteten, aber letztlich nicht weiter beachteten Dreierbeziehung. Halt Gewehre und Rosen. Oder wie Sirk es sagte: Tränen, Gewalt, Hass, der Tod und die Liebe.
Schattenlinien und Lichtpunkte. Nur hier in inkompetenter Aufrechnung.

Bei Ko ist es bloß ein diatonisch-chromatisch-unharmonisches Bühnenweihfestspiel in falscher Aufmachung und verkehrter Behandlung. Nie glaubhaft, da nicht reinversetzbar, mit haarsträubenden Ereignissen, unverkäuflichen Wendungen, eitlem Gusto, übertrieben [selbst]ironischen Einsprengseln. Nichts funktioniert. Weder der anfängliche Schabernack, der seinen etwaigen, aber hier nichtvorhandenen Witz aus dem unbedarften Luftikusverhalten des Fa Chin und der Nebenrolle der weiblichen Giraffe Fanny [ Cindy Chow ] beziehen möchte, in der die Eine immer die sorglose Unbedarftheit des Anderen ausbaden muss und zusätzlich als stetig zu groß für ihre Umwelt und entsprechend empfänglich für Slapstick gezeichnet wird.
Noch der schon eher typische Rahmen aus verbrecherischen Geschäftsmännern, die im Hintergrund des genierlichen Geschehens die letalen Fäden ziehen. Aus unfreiwilligen Auftragskiller, Geld fordernden Schergen, schießwütiger Polizei und bis an den Rand der Existenz getriebenen Unschuldigen, die keinen weiteren Ausweg als die violente Notwehr sehen.
Schlimm die abwechslungslos-gleichförmig-einschläfernden Bildeinstellungen, die außer etwas touristischer Sehenswürdigkeit keinerlei optische Anreize ausnutzen oder gar schaffen vermögen. Schlimm das eruptive Spiel Simon Yams, der sich wohl aus Rache für das miese Skript um jegliche Reputation agiert. Schlimmer die ermattend strapaziöse Leistung des japanischen Popsternchens Sakakibara Yoshie, die mit ihrer schwer ertragbaren Leidensmaske mitunter spinös wie Stefanie Hertel wirkend noch jede sympathische Empfindung immens in Richtung Brechdurchfall drückt.

Kurz vor dem deftigen Parallel-Showdown gibt es besagten Kniff, der für eine Sekunde nicht nur den entscheidenden Aha-Effekt mit Sonderbedeutung, sondern tatsächlich auch die Tragweite in die ansonsten nicht nur scheinbar belanglose Geschichte andeuten vermag. Dort hakt für einen Moment die Zahnrädchenstruktur passgerecht ineinander. Aber bis dahin sind schüttere 70min vergangen, eine quälend ausdruckslose Zeitspanne arg gedehnter Tempi, unendlich langer Andachtspausen, prüde hingestrichelter Verbalisierung und abgedroschenem Nachhaltigkeitsfaktor. Eine altjüngferlich verhangene Aufführungspraxis in Rüschenbluse, Trompetenärmel und Grobmaschiger Netzstrumpfhose, mit sprödem Aufbau und unbeholfen-gouvernantenhafter Erkenntnis.

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