Einen Film über einen FBI-Agenten, der in New York seine Fälle klärt, in einem deutschen Film mit deutschen Schauspielern umzusetzen, hat einen ähnlich hohen Authentizitätsgrad, wie die amerikanische Version des Oktoberfestes. Und trotzdem basiert "Jerry Cotton" auf einer langjährigen Tradition, denn die Geschichten um den coolen Polizisten erblickten im Bastei-Lübbe-Verlag schon 1956 das Licht der Welt und verliessen es seitdem nicht mehr. Dabei beruhte der große Erfolg auf einem Missverständnis, denn die erste Geschichte war als Persiflage auf den amerikanischen Film mit seinen toughen Ermittlern gedacht.
Dieser kritische Ansatz ging jedoch unmittelbar verloren, denn obwohl die Geschichten um den unschlagbaren Jerry Cotton vor Unwahrscheinlichkeiten trotzten, wurden sie sehr populär, was schon in den 60er Jahren zu acht Verfilmungen mit George Nader in der Hauptrolle führte. Die Wahl eines amerikanischen Darstellers für Jerry Cotton verdeutlichte den damaligen ernsthaften Ansatz, mit dem der deutsche Film die Kriminalgeschichten auf den Betrachter losliess - der trotzdem vorhandene Humor war eher unfreiwilliger Natur.
Die neueste "Jerry Cotton" - Version, die mit Christian Tramitz als Jerry Cotton und mit Christian Ulmen als sein Buddy "Phil Decker" jetzt in die Kinos kommt, versucht ein Konglomerat aus allen Auswüchsen dieser "Jerry Cotton" - Vergangenheit : Persiflage, Action im New Yorker Stadt-Ghetto, verschachtelte Story mit allen möglichen Drehungen und Wendungen und gezielte Albernheiten. Herausgekommen ist dabei ein Film, bei dem man nicht mehr genau unterscheiden kann, ob er den amerikanischen Polizeifilm generell oder den deutschen Versuch, amerikanischer als die Amerikaner zu sein, persifliert. Letztlich ist das egal, denn das Ergebnis fällt überraschend amüsant aus, so lange man weiß, worauf man sich einlässt.
Zu verdanken ist das vor allem den beiden Hauptdarstellern, mehr noch Tramitz als Ulmen. Natürlich hat Christian Ulmen wieder die Lacher auf seiner Seite, wenn er seine Rolle als sozial- und verhaltensgestörter Trottel diesmal im Gewand eines Möchtegern - Superbullen spielt, aber wirklich originell ist das nicht mehr. Es kommt vor allem deshalb zur Geltung, weil Tramitz über die gesamte Spielzeit völlig ernst bleibt, und auch nicht in Richtung Coolness oder Heldenmut übertreibt, sondern nur abgeklärt seinen Stiefel runterspielt. Auch die Story reiht nicht nur Action an Action, sondern lässt den beiden Protagonisten auch manchmal die Chance auf weniger offensichtliche Gags, etwa als sich Ulmen einen Moment lang ernsthaft Sorgen um Jerry Cotton macht.
Von den vielen namhaften Nebendarstellern werden Einige verschenkt (Moritz Bleibtreu), Andere wirken zu klischeehaft im vermeintlich komödiantischen Sinne, um noch lustig zu sein (Mónica Cruz), oder sind zu übertrieben angelegt (Christiane Paul, Heino Ferch mit idiotischem Dialekt). Dagegen sorgen Jürgen Tarrach als Kleinganove oder Herbert Knaup als wendehalsiger Polizeichef für überzeugend komische Momente. Insgesamt kann die Chose aber über die gesamte Laufzeit gut unterhalten, abgesehen davon, dass Filme dieser Art immer am Ende etwas abfallen, weil sie ihre sowieso schon hanebüchene Story noch zu einem Abschluss bringen müssen. Das Ganze verfällt dann in einen Bombast, der die gute Wirkung der im Detail witzigen Story überdeckt.
Trotz seines respektlosen, teilweise veralbernden Umgangs, spürt man im Film auch immer die Liebe zum Vorbild - einer seit Jahrzehnten laufenden Heftreihe, in der mit deutscher Gründlichkeit Kriminalgeschichten aus Good-Old-Amerika erzählt werden - etwas anderes will der Film auch nicht (7/10).