Review

Dass das Regiedebüt von Michael Chan Wai-man ausgerechnet in Triadenkreisen spielt, verwundert nun überhaupt nicht; hat er in dem Genre doch von den The Club [ 1981 ] Anfängen bis zu den Auflösungen bzw. Rekonstruktionen A True Mob Story / Young And Dangerous: The Prequel [ 1998 ] in nahezu allen Vertretern dieser Gattung als Systembetreuung mitgespielt. Chan ist mit zunehmenden Alter zwar häufig nur einer der prominenten Nebendarsteller gewesen, teilt sich die Allgegenwartsrolle aber mit dem weiteren Aushängeschild Shing Fui On und gehört quasi zum Inventar im Führungsgremium. Eine Art Ein-Mann-Bereitschaftspolizei. Dass er sich lange genug mit der standardisierten Problematik befasst hat, besser als Jeder Andere in das Normmaß-Geschehen eintauchen kann und über die richtigen Beziehungen im Geschäft verfügt, verhilft Gangland Odyssey von vorneweg immerhin zu einer überaus soliden Grundlage mit instrumentalem Charakter, weitgehend vorgegebener Aufgabenstellung, der Rechtmäßigkeit von Stereotypen und solcherart einem hohen Gesamtanteil nicht beeinflussbarer Konstanten.

Chan hat bei aller Kenntnis der schon erkennungsdienstlich behandelten Materie dann auch weniger das Problem, sich von den traditionellen Reizen wieder zu lösen, sondern mit seiner Vorgehensweise zusätzlich den Kitzel unverbrauchten Appeals zu schaffen. Und wie viele Neulinge mit einer einmaligen Chance auch die Schwierigkeit, Informationen zu ignorieren, die für das Verständnis nicht weiter relevant sind und stattdessen nur abträglich Antrieb und Expression eindämmen.
Sein Film zerfällt sehr schnell in mehrere Stränge von Zusatzeigenschaft, Sonderfall und Ausnahme, die jeder einzeln schon keinen wirklichen Halt in der Gesamthandlung finden, auch addiert nunmehr ein Konglomerat ungenügend anskizzierter Faktoren und ein durch fehlgeleitete Bemühungen ausgebremstes Sammelsurium ergeben. Einzelne Verschleißfelder interpersonaler, miteinander verflochtener Gewalt, deren narrative Synopsis und damit auch die Hauptlinie vom üblichen Postulat der Gerechtigkeit so übel nicht sind. Aber mit einer asymmetrischen Dreiteilung im Fokus, viel unvorteilhaftem Gerede und leider auch übermächtigem Melodrama in liebloser Mechanik belastet werden, um den ganzen Plotstaub erst im letzten Drittel durch nachhaltige Stöße mit der Druckluft zu vertreiben:

Ex Cop Fan Chi Hung [ Alex Man ] reist aus San Francisco nach HK, um dem englischen Geschäftsmann Brown [ Ken Boyle ] bei der Entführung seines Sohnes beizustehen. Zusammen mit dessen Patenkind Che [ Andy Lau ] kann er den Gekidnappten befreien, muss dabei aber zwei der japanischen Geiselnehmer erschießen. Nakacho Nakamura [ Shikamura Yasuyoshi ] sinnt auf Rache und schickt seinen besten Mann Yoshida [ Michael Chan ] in die Metropole, der allerdings nicht nur Fan persönlich kennt, sondern auch der Bruder seiner großen Liebe Shirley [ Kelly Yiu Wai ] und der Onkel ihres Ziehkindes Cindy [ Regina Kent ] ist.

Da alle miteinander verwandt und verschwägert sind, sei es auch nur auf dem Papier, bleibt der liederliche Klüngel wenigstens immer in der Familie; die einzige Synthese im ansonsten eher antithetischen Allerlei. Der Prolog des Prozesses von Rückkehr unter veränderten Umständen und Anpassung an die oder Verneinung der frisierten Situation steigt bereits 1974 ein und macht dann einen back and forth Bogen in die Gegenwart; gar mit verengender politischer Metaphorik, wenn man den schädlichen Einfall von sowohl Engländern als auch erneut den Japanern in die einstige Heimat betrachtet.
Um sich dann auf drei Männer nicht nur unterschiedlicher Herkunft, Charakter und Ziel, sondern auch emotionaler Unvereinbarkeit zu konzentrieren und so eventuell erhellende Personenkontraste abzutasten. Eine breite Palette substantieller Qualifizierungen mit allzeit verfügbaren Handlungsfedern von wüster Revenge und größtmöglicher Vergeltung, bei dem die genaue Beobachtung kausaler Zusammenhänge und innerer Konsequenzen zwar nicht gänzlich auf der Strecke bleiben. Statt der eindeutigen Erklärung unterschiedlicher Positionen verschieden starker Gruppierungen aber die noch vorhandenen Spielräume abseits des meditationsartigen Rezitierens nach strikten Regeln weitergehend nur dafür genutzt werden, ein reihrum Ehemaligentreffen mit kollektivem Gedächtnis abzufeiern: Sowohl Fan als auch Yoshida klappern ihre alten Seilschaften Eleven [ Ng Man Tat ], Yun [ Alan Tang ], Maddie [ Shing Fui On ] und Pin [ Fong Yau ] ab, die mal wohlgesonnen, mal hinterrücks feindsam und mal auch gänzlich unbeteiligt sind. Eine verzögernde, leider nachteilig belanglose class reunion mit offiziellem Willkommensgruß, die das Durchbrechen der Gewaltdynamik in das weit ausholende Finale verschiebt und bis dahin die Auseinandersetzung zwangsläufig auf der sprachlichen Ebene ablaufen lässt. Improvisierte Selbstbehauptung mit dem latenten Hang zur Selbstzerstörung statt Selbstverteidigung.

Fan und Che und Yoshida arbeiten ab und an zwar zusammen und kommunizieren entsprechend dessen auch über den losen Augenkontakt hinaus, sind allerdings sonst Einzelgänger wie es im Buche steht und meistern ihr Leben folglich auch für sich allein; was erneuerte Fugen im eh schon bruchstückenhaft gehaltenen Gesamtbild nach sich zieht. Als Ausweichquartier für die so niemals entstehende Bindung und das Verweigern eines jeden male bondings hat man deswegen die Beziehung zwischen Mann und Frau gewählt; ein höchst spezieller Sachverhalt erzählerischer Offenheit, der einen kompletten Gegensatz zum vorherrschenden, schon fast gesetzmäßig bedingten Androzentrismus des Heroic Bloodshed darstellt. Die Wahrnehmung allen Lebens von einem männlichen Standpunkt aus und somit auch das Versagen, das Leben von Frauen richtig beschreiben oder auch überhaupt würdigend registrieren zu können, durchzieht sich bei allen maßgeblichen Regisseuren der Ära und wird hier trotz mehrfacher Versuche weiterhin in inkompetenter Phantasielosigkeit fortgesetzt.

Ein simples Einbringen von Liebesschwüren, Trauertränen, Schmollmündern, was im ehrwürdigen Männerkino und dazu noch unter einem Haufen lautmalerischer Chauvinismen nur misslingen kann. Den prahlerischen Big Brother kauft man den anwesenden Herren ja blindlings ab, aber doch niemals den Charmeur, den Kavalier, den Herzschmerzleidenden. Wenn der sonstig als schmieriger Paradebösewicht bekannte Alex Man seiner Holden beim ersten Wiedersehen erstmal eifrig unter den Rock geht, drückt das wohl wenig die romantische Ader aus, die seine tragische, ewig auf die Richtige Frau wartende Rolle laut Drehbuch und Szenensetzung doch versprühen soll. Auch der junge Andy Lau, der hier so etwas wie die "Der Verlorene Sohn, den man niemals hatte" Nummer geben soll, dies aber mit einem strapaziösen Pfau verwechselt und anscheinend eh nur für das weibliche Publikum besetzt wurde, verreißt sein Spiel in Richtung Chargentum.
Erst im Notfall wird auf dem viel beschworenen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" aus der hebräischen Bibel zurückgegriffen.

Und in dieser Phase der über die Stränge schlagenden Regression hat Regisseur Chan sowie sein Choreograph für das Grobe dann doch manche Trümpfe in der Hand. Nicht nur, dass man sich mit einer verheerend zerstörten Wohnsiedlung, diesigen Bars, 5m² Zimmern und leer gefegten Straßen an der geographischen Verwüstung der B-Actioner orientiert und dessen auf repeat eingestellten Minimalistikscore übernimmt, auch die schlecht aufgelöst anmutende Optik in aschfahler Bleiche wurde adaptiert. Und die redescheue Dimension der Gewalt ist Gegenstand ähnlich spekulativer Darstellung. Ewig lange, bis hin zum freeze frame erstarrte Zeitlupen, um ja keine Sekunde der ungehobelt abgewetzten Aktion zu verpassen. Das Aufgeben der neutralen Erzählerinstanz hin zu beschleunigtem Rhythmus wechselnder Einstellungen. Der hochtourige Motor der Bewegungen der Beschränkung des Spielraums entgegengesetzt, in dessem passend geringwertig ärmlichen Ambiente mit kargem Interieur ein grosskalibriges, grimmig enthemmtes Zerfleischen stattfindet.

Details
Ähnliche Filme