Film ist ein unglaublich mächtiges Medium, das begeistern, unterhalten, erfreuen, trösten, aufklären, informieren, provozieren oder aufregen kann - alles Beispiele für emotionale Manipulation. Dafür ist Kunst da - Gefühle erzeugen, die wir aus unserem normalen Leben kennen, aber in so einer Situation nicht erlebt haben. Damit ist Kunst aber immer auch gefährlich, sie kann Menschen manipulieren. Gerade in Regimen, die auf die Gleichschaltung der Gesellschaft aus sind, ist der Film also ein wunderbares Medium. Das hatten auch die Nazis erkannt und so entstand unter anderem eben Jud Süß, ein Propagandafilm, der sich eines historischen Stoffes bedient, um das Bild des "bösen Juden" ins Bewusstsein der Menschen weiter einzubrennen. Mit bemerkenswertem kommerziellen und auch künstlerischem Erfolg. Die Geschichte dieses Films wird hier nacherzählt. Im Zentrum steht Ferdinand Marian, zögerlicher Hauptdarsteller, der am Erfolg des Films zerbricht. Er ringt, ob er die Rolle annehmen soll, weigert sich, tut es doch, versucht, sein Gewissen zu beruhigen, indem er Mitleid mit Jud Süß erzeugen will, wird immer wieder von der Freude an der Anerkennung mitgerissen, belügt sich selbst, verliert seine Frau ans KZ und dann den Tod, verfällt dem Alkohol und stirbt schließlich in einem Unfall (?). Sein Gegenspieler ist zum einen Regiesseur Veit Harlan, der im Film sehr linientreu, Marian künstlerisch aber unterlegen, dargestellt wird und vor allem Joseph Goebbels, der von Moritz Bleibtreu als eine Mischung aus aalglattem Politiker, jovialem Schleimer, Mepohistopheles und eitlem Choleriker gespielt wird - eine etwas überzogene, aber ansonsten großartige Leistung.
Die Frage, ob Jud Süß ein künstlerisches Meisterwerk oder pure Volksverhetzung ist, ist heute kaum zu beantworten, da der Film nicht aufgeführt werden darf. Grundsätzlich gilt natürlich, dass nur gefährlich sein kann, was gut gemacht ist, und die im Film gezeigten Szenen lassen erahnen, dass der Film handwerklich überzeugt. Genau das macht ihn so widerlich, genau daran zerbricht Marian - beim Versuch, Kunst zu schaffen, erzeugt er ein Ungeheuer.
Viel an dem Film überzeugt, gerade, wenn man selbst Film als Medium mag und emotionale Bindung zu Filmfiguren aufbaut - also anfällig für die Manipulationen durch Film ist. 100%ig funktioniert der Film aber nicht, leider. Optisch stören mich die entsättigten Farben, die den Film fast schwarz-weiß wirken lassen. Naja, eine 3D-Variante WÄRE wohl schwarz-weiß. Das wirkte wie eine unnötige Spielerei. Dann störte mich ein wenig, dass viel zu oft wild hin und her kopuliert wurde. Ein bisschen weniger Sex hätte auch gereicht! Und schade, aber der wahren Geschichte geschuldet, ist die Tatsache, dass der Film am Ende zerfasert, eine letzte Konfrontation mit Harlan oder Goebbels bleiben aus.
So bleibt der Film letztlich hinter seinen Möglichkeiten, leider.
Mit den historischen Fakten nimmt sich der Film einige Freiheiten, was aber nicht per se gegen ihn spricht.
Offen bleibt die Frage, ob ein Film ein Verbrechen sein kann - und zwar nicht nur wie Transformers an der Intelligenz des Zuschauers!