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In dem 1944 an Originalschauplätzen in Berlin und an der Havel gedrehten Film ist nichts von der damaligen Gegenwart zu erkennen - kein Krieg, keinerlei Zerstörungen und auch kein Nationalsozialismus in irgendeiner Form - und doch (oder vielleicht gerade deswegen) ist Käutners Werk eines der wenigen Beispiele für einen deutschen Film dieser Zeit, der von frappierender Modernität ist. Diese Tendenz wurde zuvor schon in seinem Musikfilm "Große Freiheit Nr.7"erkennbar, aber "Unter den Brücken" nimmt in seiner kontrastreichen Schwarz-Weiß-Zeichnung, mit dem er Gesichter, Landschaft und Maschinen einfängt, den Stil des französischen und italienischen Realismus auf und ist damit nicht weniger als ein europäischer Film.

Auch wenn die Ausleuchtung von Kränen, Hafenanlagen und besonders dem Gesicht von Anna (Hannelore Schroth) optisch mehr Nähe zu den französischen Regisseuren des "poetischen Realismus" aufweist, liegt der Vergleich zu Viscontis "Ossessione" nah. In beiden Filmen wird eine Geschichte erzählt, die vordergründig nichts mit der Gegenwart in einer faschistischen Staatsform während des Krieges zu tun hatte und sich auf drei Protagonisten beschränkt - und die sich doch kritisch mit diesen Zuständen auseinander setzt. Während Visconti eine mörderische Geschichte um eine Frau zwischen zwei Männern erzählt, bleibt Käutner in dieser Konstellation leicht und komödiantisch. Die Story selbst ist nur das Vehikel zur Beobachtung des individuellen Lebens einfacher Menschen - ihrer Wohnungen, ihrer Arbeit, Sehnsüchte und Momente des Glücks oder Unglücks. Diese Reduzierung auf das Individuum widersprach der auf Größe und Gleichmachung der Massen zielenden faschistischen Propaganda.

Während Visconti zudem noch den Verfall von Häusern und Infrastruktur anprangerte, ist Käutners Film von beinahe unwirklicher Schönheit. Größtenteils aus der Perspektive der Binnenschiffer Hendrik (Carl Raddatz) und Willy (Gustav Knuth) aufgenommen, bekommen Brücken, Hafenanlagen, Kräne und die Natur an der Havel in ihren Schattierungen einen an Gemälde erinnernden Gestus, der gleichzeitig Melancholie ausstrahlt, als wollte Käutner etwas mit der Kamera festhalten, dass in der Realität schon zerstört war. Auch die Geschichte von Hendrik und Willy, die gerne eine feste Beziehung haben wollen, was ihnen als Eigner eines Schleppkahns durch die ständigen Ortswechsel erschwert wird, entbehrt der heutigen spassigen Einseitigkeit ähnlicher Konstellationen.

Dabei fällt (und damit sind wieder Parallelen zu Viscontis "Ossessione" zu erkennen) der offene und unverklemmte Umgang mit Sexualität auf, der nicht nur dem im Nationalsozialismus propagierten Frauenbild widersprach, sondern sich selbst von den heutigen mit Promiskuität und sexuellen Kraftausdrücken vollgestopften Komödien in seiner Normalität wohltuend abhebt. Ähnliches lässt sich auch von der Entwicklung der Gefühle sagen, die nicht durch konstruierte Storyabläufe erzeugt werden, sondern in ihrer sensiblen Darstellung nachvollziehbar bleiben. Darin liegt ebenso ein Stück Tragik verborgen, denn wenn sich zwei Männer um eine Frau bemühen, dann muss es auch einen Verlierer geben...

"Unter den Brücken" ist ein Glücksfall - ein deutscher Film, der in seiner optischen Gestaltung und Story nicht nur im künstlerischen Sinne auf der Höhe seiner Zeit war, sondern bis heute in seiner Modernität überzeugen kann. Wenn man die Entstehungszeit bedenkt, grenzt das an ein Wunder (9,5/10).

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