Review

Nicht allzu viele deutsche Filme konnten im vergangenen Jahrzehnt größere Popularität im nicht europäischen Ausland erringen, doch Hirschbiegels „Experiment“ von 2001 hat es in Ansätzen fertig gebracht.
Das amerikanische Remake wirkt dagegen fast schon wieder weichgespült, auch wenn der Blick in finstere Abgründe menschlicher Psyche im Vergleich zum Original noch vordergründiger ausgelotet wird.

26 Männer erklären sich für das Experiment bereit: 14 Tage und 14.000 Dollar für jeden Teilnehmer sind anberaumt, sofern die Regeln konsequent eingehalten werden.
Per Los werden die Leute zu Wärter und Gefängnisinsasse unterteilt, doch bereits nach wenigen Tagen gerät die Situation außer Kontrolle…

Was einst Moritz Bleibtreu und sein Gegenpart Justus von Dohnanyi mit feinster Figurenzeichnung ausrichteten, müssen nun die beiden Oscar-Preisträger Adrien Brody als Häftling Travis und Forest Whitaker als Wärter Barris mit viel Schauspielkunst und physischer Präsenz kaschieren, da dass Script um die beiden herum nicht viel Wert auf Charakterentwicklungen und Rahmenbedingungen legt.
Vom Wissenschaftsteam fehlt nach einer kurzen Einleitung bis zum Schluss jedes Lebenszeichen und die beiden Parteien im Gefängniskomplex wirken beinahe wie hermetisch abgeriegelt und ohne Intervention von außen handelnd.

Insofern wirken die Auseinandersetzungen plakativer, wenn auch durchaus mitreißend.
Aus dem frommen Muttersöhnchen Barris wird ein unbarmherziger Unterdrücker, dem sichtlich einer abgeht wenn er Macht und Dominanz zur Schau stellen kann.
Travis geht hingegen als Pazifist an die Sache heran, stellt sich allerdings von Beginn an quer, da er ein übermäßig starkes Gerechtigkeitsempfinden aufweist und damit natürlich nicht nur die übrigen Gefangenen anstachelt, sondern auch den Zorn einiger Wärter auf sich zieht.
Etwas klischeebeladen sind hingegen einige Nebenfiguren ausgefallen, wie der sexsüchtige Wärter, dem zur Not auch der vermeintliche Schwule genügt oder der korpulente Diabetiker, der sich in eine Traumwelt flüchtet, doch für die meiste Zeit die Opferrolle bekleidet.

Leider verliert die Chose ein wenig an Glaubwürdigkeit, da nach einiger Zeit entgegen der Vorgaben gehandelt, jedoch nicht, wie vorher angekündigt, durch das Erleuchten der roten Lampe interveniert wird. Auch einigen Prozessen bezüglich der Gruppendynamik fehlt es in einigen Belangen an Hintergründen, denn die meisten Wärter haben bei einigen Aktionen moralische Bedenken, während sich die wenigen Fanatiker durchsetzen, - entgegen der Regeln und Gefahr laufend, dass am Ende die Bezahlung gestrichen wird.
Die mangelnde Vielschichtigkeit und die etwas zu grobe Herangehensweise der Figurenentwicklungen stellt das deutlichste Manko im Vergleich zum deutschen Original dar.

Lässt man jenes einmal außer Acht, kommt es durchaus zu spannenden Momenten, die unweigerlich in Beschlag nehmen. Hier eine Demütigung und der Versuch Travis´ Willen zu brechen, dort eine unterlassene Hilfeleistung, ein degradierter Wärter, ein nächtlicher Übergriff, ein kurzes Durchdrehen beim Aufenthalt in einem stillgelegten Heizungsrohr und natürlich die finale Eskalation der Geschichte, welche von vornherein abzusehen war.

Dank der insgesamt starken Besetzung und der beiden groß agierenden Kontrahenten Brody/Whitaker kommt dieses Remake zwar in keiner Hinsicht ans Original heran, vermag aber dennoch zu unterhalten und mitzureißen, da die Prämisse grundlegend fesselt und auch hier zumindest in Ansätzen glaubwürdig transportiert wurde.

Diese Fassung wirkt halt ein wenig abgespeckter und nicht so differenziert, - wer hingegen weniger in die Tiefe gehen und sich nicht übermäßig mit Sozialkritik beschäftigen möchte, sollte einen Blick riskieren.
„Sperrst du mehrere Tiere lange genug ein, fressen die Stärkeren die Schwächeren auf“, - so schlicht bringt dieser Streifen seine Message auf den Punkt, weniger kurzweilig ist er deshalb aber nicht.
Knapp
7 von 10

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