Ist es nicht schwer, einen Film zu besprechen, der sich über so viele Jahre als Lieblingsfilm gehalten hat? Ist es nicht genauso unmöglich, sich vor diesem Hintergrund objektiv an ein Remake zu wagen, welches von einer Produktionsstätte ausgeht, welche man wegen der unnötig durchschnittlichen Neuauflagen amerikanischer Horrorikonen bisher verbittert zu verdrängen suchte? Nun, ich möchte zumindest einen kleinen Vergleich wagen, zwischen Wes Cravens Film, welcher im August 1985 unter dem Titel Nightmare – Mörderische Träume in die deutschen Lichtspielhäuser kam und dem Platinum Dunes Remake, welches unter dem Originaltitel A Nightmare on Elm Street einen der vielleicht verstörendsten Bösewichte der 80er Jahre zurück auf die Leinwand holte.
Dem Original-Nightmare kann ich nur persönlich und ein bisschen nostalgisch begegnen, waren es doch zunächst neben der um knapp 7 Minuten gekürzten TV-Fassung vor allem die Europa-Hörspiele der ersten drei Teile, welche mich in jungen Jahren um den Schlaf brachten. Gerade der Variante für den Kassettenrekorder muß hierbei eine sehr eigenständig prägende Rolle zugesprochen werden, formt die so wesentlich freiere Phantasie eine deutlich intimere Angst, als es einem Film möglich wäre. Freddy Krüger, das war ein diffus verzerrtes Horrorphänomen, welches man in unserem Umfeld in seiner Gestalt vor allem auch durch ein nachmittäglich auf Tele 5 gesendetes Making Of zum Teil 5 kennenlernte.
Der heutige Blick ist da schon ein ganz anderer, weiß man doch, daß sich Wes Craven schon 10 Jahre amerikanischen Albträumen gewidmet hatte, bevor er erstmals sein Buch für A Nightmare on Elm Street in Angriff nahm. Kenner seiner Werke werden außerdem feststellen, daß er beispielsweise Traumwelten und explizit eine in beiden Filmen vorkommende Schockszene mitten zwischen den nackten Knien eines in der Badewanne sitzenden Mädchens hindurchgefilmt, bereits in seinem Film Tödlicher Segen zum Thema machte.
Gleich auf mehreren Ebenen jedoch nähert sich Wes Craven in Nightmare – Mörderische Träume der Psyche eines amerikanischen Teenagers und bedient sich so im Vergleich zu frühen Ikonen wie Jason Vorhees oder Michael Myers relativ spät dem auf adoleszente Kinogänger zugeschnittenen Slashersujet. Craven, der mit dem Freitag, der 13. Schöpfer Sean S. Cunningham bereits 1972 den Terrorklassiker Das letzte Haus links geschaffen hatte, war es nicht vergönnt gewesen, sofort die passende Produktionsfirma im Rücken zu wissen. Doch dies war möglicherweise ein ausschlaggebender Glücksfall. Anders als vorherige Slasherfilme sollte Freddy Krüger (Robert Englund) nicht ausschließlich ein schleppend umherstolpernder Boogiemann sein, welcher sich quasi aus den jugendlich aufbegehrenden Energien von Drogenmißbrauch und Promiskuität nährt.
A Nightmare on Elm Street macht die Träume der Jugendlichen zum Schlachtfeld suversiver Zersetzung und entreißt die Kinder so endgültig der Welt, in der Eltern sie beschützen könnten. Viel mehr noch ist dieses vernarbte Wesen eine Kreatur, die zwar als böse geboren gilt, jedoch erst von den Eltern zum teuflischen Rächer angefacht worden ist.
Auffällig an Nightmare – Mörderische Träume ist, daß die Jugendlichen weder perfekte Schönheiten, noch grobe Delinquenten darstellen. Im Gegenteil findet sich in den unauffälligen Figuren wie der Nancy (Heather Langenkamp) eine fast schon naive Unschuld von Nebenan. Freilich nährt sich Freddy nun von den Ängsten der juvenilen Protagonisten, weiß diese sogar auf auffällig garstige Art in den Wahnsinn zu treiben. Jedoch scheint sich rückblickend noch mehr in dieser flammenversehrten Unholdsgestalt zu projizieren. Freddy Krüger scheint Mitte der 80er Ängste einer ganzen Generation zu spiegeln, die sich auf einem Höhepunkt des kalten Krieges stets der Ungewissheit einer unklaren, jedoch tödlichen Bedrohung ausgesetzt sieht.
In diesem Kontext gerät die entstellte Fratze des Monsters mit dem grün-rot-gestreiften Pullover zum Sinnbild der von amerikanischen Atom- und Napalmbomben verletzten und getöten Menschen. Bilder, die angesichts eines befürchteten dritten Weltkriegs einer zu recht die Zukunft hinterfragenden Generation nur zu lebendig aus den Geschichtsbüchern eingeprägte Albtraumformen annehmen.
Und noch ein sich nährendes Horrorgeschwür nahm Craven bewußt oder nicht in sein Anfang der 80er verfasstes Werk A Nightmare on Elm Street auf. AIDS bohrte sich als ungewünschte wie unwirkliche Schreckensnotiz in das Bewußtsein der hier vertretenen breiten Bevölkerung. Und ist nicht dies ein Mitbringsel wie der Hut des Häschers aus einem verwundbaren Moment des sich fallen lassens?
Vielleicht ist hier das nötige Indiz zu dafür zu suchen, daß der technisch für seine Zeit durchaus anspruchsvolle, surreale Horrortrip seine Funktion über die Generationen eingebüßt hat. Als abgeschlossene Geschichte geplant ist die Hauptfigur in den Fortsetzungen zur messerbefingerten Comicfigur eines possenreißenden Pizzagesichts verkommen, welches sich, abgesehen von Cravens eigenen Innovationsversuchen aus Nightmare 3 – Freddy Krüger lebt und Freddy’s New Nightmare, immer weiter hinter adoleszenten Splatterscherzen verstecken mußte.
Es ist also abermals ein schweres Erbe, welches Platinum Dunes nun antreten möchten. Wieviel kann noch überbleiben von einer Geschichte über einen seinerzeit von Kinderschänder zum Kindermörder abgemilderten Bösewicht, zudem sich Craven unter anderem von Zeitungsartikeln über im Schlafe verstorbene Khmer-Flüchtlinge inspirieren ließ?
Eine erste Fandiskussion dürfte die Besetzung Freddy Krügers durch eine andere Person als dem zum Genrestar avancierten Robert Englund erzeugt haben. Immerhin hatte es noch nie einen Auftritt der Horrorikone ohne seinen angestammten Mimen gegeben. Dieser selbst zeigte Größe und äußerte sich wohlwollend zu einem kompletten Neustart, der nun auch komplett mit neuen Schauspielern besetzt werden müsse. Überraschend war jedoch die Wahl seines Nachfolgers, ging der Part doch an Jackie Earle Haley, dem Schauspieler, welcher selbst in den 80ern für das Original vorgesprochen hatte und im Gegensatz zu Johnny Depp, den er mit zum Casting geschleppt hatte, kein Engagement erhielt.
Auffällig am A Nightmare on Elm Street Remake ist nun zunächst der bekannt postmodern aufpolierte Look der Platinum Dunes Filme. Fans des Originals erkennen im Verlauf des Films Detail um Detail, sei es nun ein sich unter der Wand wölbernder Freddy, ein im Schulflur stehender Bodybag oder der Funkenflug bei den gewohnten Metallkratzereien mit der Krallenhand.
Dieses Remake allerdings geht trotz bekannter Versatzstücke andere Wege. Zunächst fällt positiv auf, daß die Protagonisten hier abermals nicht wie üblich ausschließlich aus Schönlingen besetzt sind. Unter ihre Natürlichkeit mischt sich jedoch im Verhältnis eine deutlicher Abgeklärtheit, was wohl dem heutigen Zeitgeist einschließlich Mobiltelefonen und Videoplattformen geschuldet ist.
Auch die Morde beugen sich einem gewissen Realismus. War in Cravens Werk die Grenze zwischen Traum und Realität weniger klar umrissen und verschmolzen dort die Welten durch Mitbringsel zusehens, so sind es im A Nightmare on Elm Street Remake oft die Opfer selbst, welche sich dem wachen Beobachter gegenüber scheinbar schlafwandelnd selbst töten.
Außerdem versucht man, was deutlich Geschmackssache ist, die Figur Freddy Krüger wesentlich mehr zu entmystifizieren. Was in voller Breite früher in der ersten Folge der Fernsehserie Freddy’s Nightmares aufgeklärt wurde, ist hier teils in Traumsequenzen dargestellter Bestandteil der Erzählung. Mit- und Unschuld der Eltern sowie die Konfrontation mit den Straftaten und dem Vergessensprozeß Krügers damaliger Opfer werden deutlich greifbarer integriert.
Beim Make Up Freddies bemüht man sich ebenso um Echtheit. Orientiert an echten Brandopfern zerfließen die menschlichen Gesichtszüge zu einer flacheren Fratze, die ein wenig an Odo aus Deep Space Nine erinnert.
Obwohl man, ähnlich wie beim Remake von Freitag, der 13., versucht, wesentlich mehr Handlungszüge einfließen zu lassen, wirkt A Nightmare on Elm Street erfreulicherweise wertiger und geordneter. Die Filmstruktur bleibt für den Fan insofern erkennbar, daß man das Konzept eines in Selbstjustiz ermordeten Kinderschänders, welcher die Kinder seiner Häscher im Schlaf letal heimsucht, beibehalten hat.
Genauso wie man nun tagelang darüber über den eigentlichen Sinn eines solchen Remakes debattieren könnte, ist es für die Kenner von damals ein Wermutstropfen, einen sich kreuzenden Grenzgang mit dem postmodernen Horrorkino zu erleben. Die Märchenhaftigkeit vergangener Tage scheint in der heutigen Zeit nicht möglich. Was man jedoch zugestehen kann, ist daß die Vorlage eine relativ respektvolle Behandlung erfahren hat, über deren Ansatz wie Gestaltung man geteilter Meinung sein kann und darf. Fakt ist, daß man weder die damaligen Umstände noch die Geschicke wie Mißgeschicke wiederholen kann, die Cravens Nightmare – Mörderische Träume zu dem Meisterwerk gemacht haben, als daß es einer schwindenden Zahl des Publikums erscheint.
Nachrückende Zuschauer, welche im jugendlichen Profilierungsdrang oft die mangelnde Härte des Originals kritisieren, sind sich einig mit den Zensoren, welche den Film inzwischen in Deutschland von einer Indizierung auf eine ungeschnittene Freigabe ab 16 herabgestuft haben. Das Kino der 80er ist längst nicht jedem zugänglich, der nicht damit aufgewachsen ist. Und so ist Samuel Bayers Neufassung der vielleicht einzig machbare Brückenschlag zwischen den Generationen. Aus dem zutiefst persönlichen geantwortet, habe ich das A Nightmare on Elm Street Remake in seiner Form nicht gebraucht, weil es mich emotional weit weniger anspricht als die 84er Version, von der es nur wenige Noten des Charles Berstein Soundtracks bedarf, um mir eine Gänsehaut zu verpassen. Aber es hätte aus der Erfahrung weitaus schlimmer kommen können. Dieser Film tut nicht weh. Man kann ihm durchaus eine Chance geben. Und wer weiß, vielleicht lassen sich hierüber ja auch ein paar Zuschauer für das Kino Wes Cravens begeistern, welches die Teenager nicht nur durch einfache Comicmotive zu kitzeln sucht.