Dass in Träumen Erlebnisse verarbeitet werden, an die man sich bei Bewusstsein nicht mehr erinnern kann, ist eine bekannte Tatsache. Ebenso wie der Fakt, dass traumatische Erfahrungen Alpträume verursachen, die schon schrecklich genug sind, obwohl sie nicht real sind. Was wäre aber, wenn diese Träume Realität werden, sobald man eingeschlafen ist?
Diesen Gedanken fasste Wes Craven schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert und entwickelte daraus ein Horror - Szenario, dass seine Qualität daraus gewann, das es nur eine geringe Überhöhung der Realität benötigte und ohne das übliche Fehlverhalten der Protagonisten im Angesicht der Gefahr auskam. Diese Idee erwies sich als so überzeugend, dass sie für eine Vielzahl an Fortsetzungen herhalten durfte, und die Alptraumfigur, die immer wieder ihre Opfer aufsuchte, zur Kultfigur im Horrorgenre machte. „1,2, Freddy, komm herbei!“ dachte sich - angesichts der Remake - Welle von Horror-Klassikern der 80er Jahre - dann auch Produzent Michael Bay, denn was sprach dagegen, auch dem Kinopublikum der Gegenwart, Freddy Krügers perfiden Weg in die Gehirne seiner Opfer zuzumuten?
Eine ganze Menge, denn zum Einen hatte mit Robert Englund immer der selbe Darsteller den Killer mit der Messerhand verkörpert, zum Anderen hatte sich über die vielen Jahre eine treue Fangemeinde gebildet, deren Erwartungshaltung nur schwer zu befriedigen sein würde. Man spürt, dass sich Autor Wesley Strick und Regisseur Samuel Bayer dieser Vorgaben sehr bewusst gewesen sein mussten, denn zum Einen wählten sie mit Jackie Earle Haley einen Darsteller für die Rolle des „Freddy Krüger“, der als Rohrschach in „Watchmen“ schon sein Können bei der Darstellung ambivalenter Charaktere nachgewiesen hatte, zum Anderen versuchten sie eine ernsthaftere Interpretation des Geschehens. Dabei schossen sie etwas über das Ziel hinaus, denn obwohl die Jugendlichen äußerlich den Stereotypen eines Slashers ähneln (die kecke Blondine und die ruhige Dunkelhaarige, der eifersüchtige Ex-Freund und der schüchterne Außenseiter), agieren sie nicht in gewohnter Weise.
Fast harmonisch ist ihr Zusammensein. So sitzt der sportliche Jesse (Thoma Dekker), gemeinsam mit dem zurückhaltenden Quentin (Kyle Gallner), Sohn des Schuldirektors, an einem Tisch in einem kleinen Restaurant und überlegen, wie er Nancy (Rooney Mara), die dort am Wochenende kellnert, um ein Date bitten soll. Auch als die blonde Kris (Katie Cassidy) auftaucht und sich zu Dean (Kellan Lutz) an den Tisch setzt, reagiert ihr Ex-Freund Jesse nur leicht empört. Erst als sich Dean vor Kris’ Augen die Kehle durchschneidet, kommt Bewegung in das Ensemble. Dieser Verzicht auf genretypische Stereotype hat Vor- und Nachteile. Positiv ist das Fehlen übertriebener Verhaltensmuster, nachteilig die mangelnde Identifikation. Kris, die nach der Beerdigung Deans im Focus des Geschehens steht, fehlt jede Zickigkeit und Verhaltensauffälligkeit, die gerne amerikanischen Teenager – Blondinen angedichtet werden. Selbst als Jesse bei ihr nachts ans Zimmerfenster klopft, führt das zu keiner Auseinandersetzung, sondern zu einem konstruktiven Miteinander. Einzig Nancy und mit Abstrichen Quentin können im Verlauf des Films etwas charakterliches Profil gewinnen.
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Diese Ernsthaftigkeit zeigt sich auch im Versuch, dem traumatischen Angriff auf die Teenager einen nachvollziehbaren Hintergrund zu geben. Als Kris auf dem Sarg des verstorbenen Dean ein Kinderfoto entdeckt, auf dem auch sie als kleines Mädchen abgebildet ist, verwundert sie das, denn bisher dachte sie, Dean erst in der High-School kennen gelernt zu haben. Als sie dem nachforscht, muss sie feststellen, dass alle Spuren aus dieser Zeit verschwunden sind. „Nightmare on Elm Street“ wird zunehmend eine Mischung aus Horror – und Detektiv – Film, in dem sich nicht nur Realität und Traum immer mehr vermischen, sondern beide Ebenen dazu genutzt werden, dass Rätsel hinter den Angriffen Freddy Krügers zu lösen.
Wer „Rock’n Roll“ erwartet, wird von „Nightmare on Elm Street“ enttäuscht sein. Wie schon die Altersfreigabe ab 16 verdeutlicht, hält sich der Film auch in der Darstellung expliziter Gewalt zurück. Vom zynischen Humor Freddys ist wenig übrig geblieben, allerdings gibt es auch keine kreischenden Teenager, denen man als Betrachter den Tod wünscht. Insgesamt haben die Macher versucht, der Thematik einen seriösen Anstrich zu geben, was angesichts einer Figur wie „Freddy Krüger“ widersprüchlich zu sein scheint, andererseits diesem ein breiteres Publikum erschließt, dass mit dem neuen „Nightmare on Elm Street“ einen jederzeit spannenden Thriller geboten bekommt, bei dem man das Wort „Horror“ eher klein schreiben sollte (7/10).