I steal from every movie ever made (Quentin Tarantino)
In gewisser Hinsicht könnte Tarantinos Zitat, zumindest in Bezug auf Snowman's Land, auch von Tomasz Thomson stammen. Könnte... Ebenso gut könnte man die Vermutung anstellen, dass Snowman's Land aus der Feder von Tarantino oder den Coen-Brüdern entsprang. Könnte... Doch weg mit dem Konjunktiv. Fakt ist, dass Thomson versucht, dem in Deutschland stiefmütterlich behandelten Genre des Gangsterfilms neues Leben ein zu hauchen. Leider gelingt ihm dieses Unterfangen nur bedingt.
Dabei birgt die Story rund um den Auftragskiller Walter (Jürgen Rißmann), der in Vertretung eines "Kollegen" für einen Auftrag an den sprichwörtlichen Arsch der Welt reist, durchaus Potential für eine schöne, schwarzhumorige Gangster-Komödie. In wunderbarer, winterlicher Idylle erwarten Walter mit seinem chaotischen Gangster-Kollegen Micky (Thomas Wodianka), der schönen Sybille (Eva-Katrin Hermann) und Gangsterboss Berger (Reiner Schöne) herrlich skurrile Charaktere, die den Plot - vor allen Dingen nach einem kleinen "Arbeitsunfall" - wunderbar vorantreiben.
Thomson bedient sich zahlreicher Anleihen an Klassiker des - vornehmlich amerikanischen - Kinos. So erinnert bereits die Ankunft am von tiefstem Schnee umgebenen Berghotel in seiner übermächtigen Wirkung an das Hotel aus Kubricks Meisterwerk Shining. Die Aufnahmen in der winterlichen Landschaft lassen den Zuschauer ein ums andere Mal an Joel und Ethan Coens Fargo zurückdenken, und die ruhige, dialoglastige, wenngleich nicht episodische Erzählweise - unter anderem auch aufgrund des zuvor genannten "Arbeitsunfalls" - erinnert in weiten Zügen stark an Tarantinos Pulp Fiction.
Tomasz Thomson hat in jedem Fall seine Hausaufgaben gemacht und sämtliches referenz-würdige Material vor den Dreharbeiten zu Snowman's Land eingehend studiert. Und genau dies entwickelt sich auch zur Krux des Films. Statt eigene Pfade zu beschreiten, verliert sich Thomson zusehends in der referentiellen Ehrerbietung an bekannte Motive, der Zuschauer bekommt immer stärker das Gefühl, dass er lediglich Aufwärmkost vorgesetzt bekommt. Das ist vor allen Dingen deshalb schade, weil sich der Cast als extrem spielfreudig erweist; sei es Jürgen Rißmann mit verschrobenem, sympathischem Understatement, dem man ob seiner "verbrauchten" und stoischen Erscheinungsweise von der ersten Minute an die Rolle des Auftragskillers abkauft. Oder Reiner Schöne mit seiner gnadenlosen Intensität und Authentizität, die ihn in der Rolle des gealterten Gangsterbosses absolut glaubhaft erscheinen lassen. Hier erweist es sich als Glücksgriff, dass - abgesehen von Reiner Schöne - auf eher unbekannte, medial unverbrauchte Gesichter gesetzt wurde.
Snowman's Land ist viel zu zitierend, um originell zu wirken, vom Plot her zu amerikanisch und vom Setting her zu nordisch, um wirklich deutsch zu wirken. Die (Wieder)belebung der deutschen Gangsterkomödie hätte anders aussehen können, wenn nicht gar müssen...
Sofern man sich so weit fallen lassen kann, dass man die vielen Referenzen an (Genre-)Klassiker ausblenden kann, kann Snowman's Land bedingungslosen Spaß bieten. Schafft man dies nicht, bleibt der Eindruck eines handwerklich sehr gut gemachten Fan-Films mit toller Besetzung bestehen: Kurzweilige Zitate-Sammlung, deren Unterhaltungswert unter einer extrem kurzen Halbwertszeit leidet. Kann man, muss man aber nicht unbedingt gesehen haben...