Wenn es um die deutsche Betitelung ausländischer Filme geht, unterliegen die Deutschen bekanntlich oft der Versuchung, Wohlklingendes zu produzieren und dafür erhebliche Sinnverfremdungen in Kauf zu nehmen. Auch “Saufbold und Raufbold” verkauft sich bestimmt sehr gut, haut nur eben inhaltlich voll am Zentrum vorbei. Der “Saufbold” (mal wieder Simon Yuen in seiner angestammten Drunken Master-Rolle) mag noch so durchgehen, aber sein Schüler (Lee Yi Min) ist alles andere als ein “Raufbold”. Das ist schon tragische Ironie, denn während viele andere Filme aus der Zeit und aus dem Genre aggressive Darsteller zeigten, die keine Chance auf einen Kampf ausließen, machte man es sich ausgerechnet hier zur Aufgabe, zu hinterfragen, wann die Anwendung der Kung Fu-Kunst wirklich angemessen ist und wann man das Kämpfen lieber lassen sollte. Und in Deutschland stand man nun da, hatte einen wundervollen Reim auf “Saufbold”, aber inhaltlich keine wirkliche Berechtigung, ihn einzusetzen. Da man den Schüler des Drunken Master aber wohl kaum “Abstinenzbold”, “Verzichtbold” oder “Defensivbold” nennen konnte, siegte am Ende doch albern gehaltene Ästhetik über Semantik.
Der Titel ändert aber nicht das, was es im Film zu sehen gibt. Wieder wird ein Knirps zum weisen, aber kauzigen Trunkenbold geschickt, um von ihm die große Kunst des Kämpfens zu erlernen. Überraschenderweise fällt die Philosophie diesmal aber ganz anders aus: Verwende deine Macht nur, um anderen zu helfen; nicht, um ihnen Schaden zuzufügen. Was Jackie Chan in seiner Spätphase international berühmt machte, praktiziert also auch unser Drunken Master, der alte Mann mit der Weinflasche. Diplomatie kommt an erster Stelle. Obwohl es hier mit der Bescheidenheit eines Jackie Chan noch nicht so weit ist: Lee Yi Min darf zwar nicht kämpfen, lässt aber keine Möglichkeit aus, damit zu protzen, dass sein Meister ihn einen “Kämpfer der Spitzenklasse” genannt hat - oh ja, er schreibt es sogar in fetten Buchstaben auf seinen Reisebeutel.
Der Anfang dreht sich wie schon in “Schlitzauge sei wachsam” implizit um Erziehung, was uns nach unserer westlichen Erziehung alles sehr fremd erscheint. Da schickt ein Elternpaar seinen achtjährigen Sohn zum Drunken Master aufs Land und verabschiedet sich volle zehn Jahre von ihm, nur damit er Kung Fu lernen kann. Nach den zehn Jahren kehrt der Knirps als junger Mann zurück und wird recht herzlich, aber doch sehr unspektakulär empfangen (vielleicht so, als sei er gerade eine Woche auf Mallorca gewesen... und das bei der bis zum Exzess beanspruchten Mimik und Gestik, die man sonst im Genre gewohnt ist). Noch am gleichen Tag soll er seinem Vater bei einer geschäftlichen Angelegenheit helfen, indem er seine neu gewonnenen Kampfkünste vorführt. Und was Papi da sieht, gefällt ihm nicht, so dass er Sohnemann prompt wieder zurück zum Saufbold schickt. Oooooo-kaaaaay!
Nicht unterschlagen werden darf die Tatsache, dass unser Hauptdarsteller zu dem Zeitpunkt bereits gut kämpfen kann, sein Vater nur ausgerechnet in dem Moment zu seinem Sohn hinsieht, als der die Technik “betrunkener Affe” anwendet. Und Daddy glaubt, sein Sohn wäre besoffen und könne in Wirklichkeit überhaupt kein Kung Fu. Natüüüüürlich. Liebe Drehbuchautoren. Ich bin hin und weg.
Immerhin ist dies eine der wenigen Szenen, in denen wir wirklich mal so etwas wie Drunken Boxing erleben dürfen. Die Betonung liegt auf “so etwas wie”, aber gut, man ist ja genügsam nach den von diesem Stil vollkommen befreiten so genannten “Drunken Master”-Filmen “Schlitzauge sei wachsam”, “Der Drunken Master schlägt wieder zu” und “Schnapsnase und Schlappohr”. Simon Yuen bedient uns sogar in einer Szene mit diversen Moves und Techniken, wie sie die Spieleentwickler von “Virtua Fighter” ihrem Charakter Shun-Di eingeflößt haben, inspiriert aus diesem oder einem anderen Film. Die Fights gehören in der Breite überhaupt definitiv zum oberen Drittel und stoßen in Einzelfällen auch in die Spitze. Einer dieser Einzelfälle ist der Kampf von Lee Yi Min gegen drei Speerkämpfer. Einzig problematisch in dieser Hinsicht ist die fehlende Qualität der Gegner. Der Meister der Gegenfraktion ist ein altes Klappergestell, Yi Mins ultimativer Endgegner mag zwar technisch was drauf haben, ist ansonsten aber recht ausdruckslos und weit von der optischen Kuriosität eines “Schlappohr” (“Schnapsnase und Schlappohr”) entfernt.
Im Mittelteil wird dem Hauptdarsteller zugunsten der Comedy in einer Kneipe ein Sidekick zur Seite gestellt, eine knabenhafte junge Frau, die dann auch prompt darauf konzipiert ist, als Mann durch die Landschaft zu düsen und ihre freche Schnauze gegen die Bösewichte einzusetzen. Das mag mal was anderes sein, ist aber unter dem Strich doch sehr unmotiviert. Warum gibt sie beispielsweise vor, ein Mann zu sein? Wie hilft ihr das weiter? Zumal man ihr den Mann trotz allem nie abkauft; als jemand mit “er” auf sie hinweist, stutzt man mit den Ohren. Darüber hinaus mag sie als Sidekick nie so recht etwas zur Story beitragen können, höchstens mal zum Dialoganteil - als Plappermaul im Hintergrund.
Aber mein Gott, was soll’s denn, das ist ein Martial Arts-Film, da muss mit anderem Maß gemessen werden. Definitiv ist der Film besser durchstrukturiert als einige Kollegen; die Kämpfe tauchen in angenehmen Zyklen auf, haben die richtige Länge, die Darstellerhierarchie ist logisch und die Austragungsorte abwechslungsreich. In der Hinsicht kann Tong Diks Streifen durchaus überzeugen. Gewürzt werden zudem gerade die Kämpfe mit hin und wieder richtig einfallsreichen Kameraeinstellungen. So beobachtet die Kamera einen Kampf im Wald aus dem Hintergrund, springt an den Fight heran und wieder zurück, während man Lee Yi Min bei seiner “betrunkener Affe”-Technik durch die Augen sehen und mitschwanken kann. Der Vorspann nimmt derweil spezifische Szenen aus dem Film vorweg und unterlegt sie mit Cast & Crew-Informationen.
Hauptdarsteller Yi Min mutet zwar auf den ersten Blick an wie eine Jackie Chan-Kopie, entwickelt aber mit der Zeit seinen eigenen Stil und kann sich zu einem halbwegs sympathischen Darsteller mausern. Simon Yuen spielt ganz routiniert seine Palette ab, allerdings ist sein Buckel, den man ihm gerade bei der Präsentation der “Todeskralle” deutlich sichtbar verpasst hat, sehr gewöhnungsbedürftig. Sehr lustig ist es übrigens, dass Yuen in den zehn Jahren der Ausbildung entgegen seinem Schüler kein bisschen gealtert ist.
“Saufbold und Raufbold” ist daher letztendlich doch noch einer der besseren “Drunken Master”-Filme, da das, worauf es ankommt, unter dem Strich richtig gemacht wurde. Die Fights sind mehr als zufriedenstellend, die Filmstruktur ist ausgewogen und die Protagonisten sind gut drauf. Es gibt zwar vieles zu bemängeln, aber das sind Sachen, die für das Genre kaum von Belang sind.
Also dann, im Sinne der deutschen Verballhornung von Filmtiteln:
Let’s sauf & rauf!