Review

Die gängige Sichtweise ist an sich die, dass Jess Franco in den 80-er Jahren bei der Produktionsfirma Golden das erste Mal die Filme drehen konnte, die er immer machen wollte. Dem möchte ich nicht widersprechen, aber ich denke, dass er in den Nuller-Jahren dies in noch viel höherem Maße machen konnte, sich filmisch austoben und spielen konnte wie er wollte. Durch die Verwendung von Video- anstatt von Filmmaterial konnte er Kosten sparen, was ihm eine viel größere künstlerische Freiheit gab. Auf Zuschauerzahlen musste er zu dieser Zeit auch nicht mehr schauen, also auf mit dem Malkasten und wie ein fröhliches Kind experimentieren und über das Ergebnis staunen. Weswegen der Untertitel des Films ja auch „An audiovisual experience“ lautet.

Der Film:
In PAULA-PAULA sehen wir im Wesentlichen 2 Frauen beim zärtlichen Liebesspiel zu. Punkt. Mehr hat der Film nicht, die rudimentäre Rahmenhandlung kann getrost ignoriert werden. In einer etwa halbstündigen Sequenz, in der ich 3 oder 4 Schnitte gezählt habe, streicheln und küssen sich Paula und Paula. Sie ziehen sich allmählich aus und erforschen mit den Händen ihre Körper. Eingerahmt ist diese Sequenz von besagter Rahmenhandlung, welche die Liebesszene als Rückblende darstellt, sowie interessanten grafischen Spielereien: Paula Davis tanzt im Rohrschachtest. Schwer zu beschreiben, das muss man sehen. Das Filmbild ist auf der Mitte gespiegelt, und rechte und linke Seite sind spiegelbildlich identisch. Wie ein Mensch der an der Kante eines Schaufensters steht und ein Bein hebt, und es sieht aus als ob er beide Beine hebt. Dadurch entstehen merkwürdige Bilder, die hochgradig sexuell und gleichzeitig morbid sind und eine ganze eigene Stimmung hervorbringen (und dabei manchmal fast ein wenig an die Zeichentrickfilme Monty Pythons erinnern).
Mehr passiert nicht, aber die Erotik und die Zärtlichkeit, die Franco hier erforscht und vermittelt, die sucht ihresgleichen. Das ganze wird in flirrenden und kräftigen Farben gezeigt, wie die Phantasie eines Malers eben so ausschauen mag. Die Szenerie wird begrenzt durch aufgehängte Metallfolien die sich im Wind bewegen, das Licht ist golden gedimmt, und dadurch entsteht eine traumhafte, somnambule Atmosphäre. Einer der erotischsten Filme den ich jemals gesehen habe.

Die Darstellerinnen:
Weder Paula noch  Paula entsprechen dem modernen Schönheitsideal! Wer auf Katie Price oder Sasha Grey steht sollte gleich weitergehen. Carmen Montes ist eine herbe Schönheit mit Hautschäden und Stummelfingern (und wunderschönen lachenden Augen), Paula Davis ist ausgesprochen kräftig gebaut mit allem was dazu gehört. Beide entsprechen in hohem Maße meinem Geschmack, was natürlich zum erotischen Empfinden beiträgt, Paula Davis ist für mich auch ein Grund sich den Film noch öfters anzuschauen. Aber dies ist wie gesagt ein ganz persönliches Empfinden! Andere werden gerade Paula Davis als fett empfinden, für mich ist sie unglaublich sexy. Die Körper beider Schauspielerinnen werden von der Kamera ausgiebig erforscht, ohne dabei aber in Vulgärismen abzurutschen. Das Gezeigte ist voyeuristisch, aber immer geschmackvoll. Noch nie war Franco erotischer als hier, noch nie hat er dem Wunderwesen Frau mehr gehuldigt als hier.

Die Musik:
Friedrich Gulda war ein österreichischer Klassikpianist und –komponist. Er hat aber auch viel Jazz gemacht und war wohl in diesem Bereich eine Zeitlang auch sehr angesagt. Jess Franco, der alte Jazzer, hat musikalisch hier eine Hommage an Friedrich Gulda erschaffen (laut Vorspann ist der Film Gulda auch gewidmet), was 66 Minuten ununterbrochenen Jazz bedeutet. Ich für meinen Teil kann mit Jazz nichts anfangen, aber auch rein gar nichts. Gar nichts? Ganz Gallien? In einigen Szenen haben Musik und Bilder so perfekt harmoniert, dass mir eine Gänsehaut hinuntergelaufen ist. Und wie Franco durch die Musik die erotische Spannung und den Blick auf das Liebesspiel beeinflusst hat, dass habe ich so auch nicht oft gesehen. Und ich muss auch sagen, dass die Musik qualitativ sehr hochwertig ist und nicht wirklich nervt, da war PERVERSION schon schlimmer. Im musikalischen Sinne.

Das Kunstwerk:
Jess Franco huldigt der Frau als wunderbares Lebewesen in Form einer(!) hocherotischen Szene, unterlegt mit seiner eigenen Obsession Jazz, ohne sich mit Unfug wie Narration oder Zuschauerwartung abzugeben. Wer ihm 2010 noch folgt, der folgt ihm auch in diese fast reinen Bilderwelten. Ich für meinen Teil habe den bis dahin besten Franco meiner Sammlung gesehen.

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