Review

Wenn man ein Schlagwort haben wollte, mit dem sich die meisten der Beiträge Francos zum (im weitesten Sinne) phantastischen Film, sowie ein Großteil seiner Erotikfilme umreißen ließen, würde sich unter anderem psychic link anbieten.
Weniger Francos zahlreiche Dr. Mabuse-Variationen, in denen sich (besonders in den 60er Jahren) wahnsinnige Machtmenschen per Gedankenkontrolle ihrer Umwelt bemächtigen, sind in dieser Hinsicht von besonderem Interesse, sondern seine seit Anfang-Mitte der 70er Jahre einsetzenden, nicht enden wollenden Beschäftigungen mit übernatürlichen Vamps, verführerischen Vampiren & Geistern, die ihre Opfer & Liebhaber im Geiste kontaktieren & locken. Das zieht sich wie ein roter Faden durch seine Sex-Vampirfilme (diese vor allem!) und (zumindest am Rande) seine Geistererscheinungs- und Besessenheitsfilmchen, von "Vampyros Lesbos" (1971) über dessen freie Variation "Macumba sexual" (1983) bis hin zum Remake "Vampire Blues" (1999) und dessen Variation "Snakewoman" (2005), von "Entfesselte Begierde" (1973) und "Le Miroir obscène" (1973) über "Les possédées du diable" (1974) und "Die Marquise von Sade" (1976) bishin zu "Vampire Junction" (2001) und "Paula-Paula".
Gerade mit seinen Vampirismus-Stoffen steht Franco in guter Tradition: seit Stoker's "Dracula" (1897) besitzen diese Wesen eine hypnotische Macht, die sich bei Tod Brownings "Dracula" (1931) in der Ausleuchtung von Lugosis verführerischen Augen niederschlug, während Murnau in "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" (1921) seinen Vampir über clevere Montage auf die weit entfernte Braut seines männlichen Opfers reagieren ließ (während diese ihrerseits über die Montage auf das Schicksal des weit entfernten Geliebten reagierte).
Franco reizt diese hypnotische Macht mit seinen Sex-Vampiren bis ins Extrem aus, stärker als Rollin sogar. Die psychic link Thematik übersteigert die körperliche und geistige Verschmelzung zweier Menschen ins Extrem. Konsequent lässt Franco sie vielfach dann auch in völliger Auflösung enden, im Identitätsverlust oder gar im Tod: kleiner Tod mündet im großen Tod. Auch seine Sacher-Masoch- & de Sade-Stoffe zielen in diese Richtung und treffen sich letztlich bei Bataille: Den Schrecken der Selbstauflösung des Horrorfilms hat Franco stets auch an die Verlockung der Verschmelzungswünsche des erotischen Films gekoppelt - und der psychic link zwischen zwei Figuren diente ihm dabei vielfach als Bindeglied zwischen zwei Genres (und ist nicht einfach nur die übernatürliche Intensivierung von Auflösung & Verschmelzung).

"Paula-Paula" ist im Grunde ein solcher Vampirismus-Stoff, auch wenn der Vorspann eine Nähe zu Stevensons "Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde" (1886) ankündigt: die wie Vampirzähne anmutenden Lippen-Piercings der einen Paula deuten das bereits an. Diese Anspielung bleibt aber nur ein vager Hinweis, überhaupt ist der gesamte Filme vage, schwammig und diffus - selbst den Stevenson kann man nur mit Mühe in diesem Stoff ausmachen: eine Nachtclubtänzerin namens Paula wird verhört, während anderswo eine andere Paula angeblich verstirbt. Paula hat Paula umgebracht - zumindest steht die Annahme im Raum. Doch nicht nur wird diese Annahme nie bestätigt oder widerlegt, es bleibt auch immer fraglicher, ob die eine Paula nicht bloß eine Abspaltung der anderen Paula ist - wie bei Stevenson quasi, wobei im Gegensatz zu anderen Stevenson-Verfilmungen hier kein sauberer Jekyll als triebgesteuerter Hyde leichte Mädchen sexuell nötigt, sondern das leichte Mädchen selbst seine schwarzen Seiten erkundet.
Letztlich ist nicht auszumachen, was vorgefallen ist - oder wie es endet: zu Beginn ist es noch die verhörte Paula, die mit der vampirisch anmutenden toten Paula konfrontiert wird, welche wie ein verführerischer Succubus aus dem Reich der Toten aufzutauchen scheint, am Ende steht dann ein erinnertes oder imaginiertes oder gar aktuelles & reales Bild, in dem die verhörte Paula jener anderen Paula den Hals aufschneidet; Paula II, anfangs als vampirisches Wesen eingeführt, ist nun selbst das Opfer einer vampiristischen Handlung. Franco bemüht sich gar nicht erst darum, seine Handlung verständlich zu halten, die von den 67 Minuten ohnehin nur für etwa fünf Minuten konkrete Formen in kurzen Dia- und Monologen annimmt: aber über eine Stunde hinweg bemüht er sich darum, das klassische Resultat vieler seiner psychic link Stoffe endlos auszuwälzen und konsequent zu bebildern. Verschmelzung und Selbstauflösung durchziehen den Film von Anfang bis Ende in allen Formen. Das beginnt mit der Namensgleichheit der Figur(en) im Titel (der aus 1 zwei macht, oder aus 2 eins) und setzt sich dann fort in den sich beständig einander umarmenden, umschlingenden Frauenkörpern, die sich in der achronologischen Montage auch noch als virtuelle Bilder gegenüberstehen und darüber hinaus in kaleidoskopartigen Spiegelungen noch verdoppeln... (ausnahmsweise mal ist Francos so verspielte, wie naive Ästhetik von einiger Konsequenz.)
Von der Handlung macht Franco sich hier völlig frei: bloß ein zwischendurch vorgetragenes Märchen über Liebe und Mord, Erinnerung und verlorene Identität spiegelt nochmals Aspekte des Films wieder ohne dabei eindeutigen Sinn zu stiften. Überhaupt spiegelt sich in dem Film vieles: Paula I spiegelt Paula II (und umgekehrt), Paula II spiegelt sich als Kaleidoskopbild, Einstellungen spiegeln sich gegenseitig und im Hintergrund reflektieren noch die Wände aus knitteriger Aluminiumfolie das einfallende Licht. Alles ist Ausdruck der Selbstreflexion einer Figur oder des Übereinfallens zweier Figuren, eine große, aufgeblähte Metapher für eine zu spät begonnene und vorzeitig aufgegebene Handlung.

Dieser Ausdruck ist indes das große Ziel von "Paula-Paula", den man wahrhaft als Francos "Inland Empire" (2007) bezeichnen könnte. Die hemmungslose, ekstatische Nonstop-Jazz-Untermalung des verstorbenen Friedrich Guldas, dem dieser Film gewidmet ist, ist auf formaler Seite sicherlich mit Abstand am herausragendsten. Das Bild hingegen leidet ein wenig daran, dass Franco sich mit den einfachsten Mitteln überhaupt begnügt oder begnügen muss und über gedehnte Zeitlupen, in beige-bräunliche Töne getauchte Bilder, eine beinahe nur noch aus silbriger Folie bestehende Kulisse und (mit einem einzigen Spiegel erzeugte) Kaleidoskop-Effekte jene Sinnlichkeit in die Bilder zu holen trachtet, die in Guldas dichtem Klangteppich gegeben ist.[1] Hier wird man als Zuschauer auch geradezu genötigt, seine Einstellung gegenüber handwerklich sauberer Arbeit zu überdenken: wenn im Hintergrund die Scheinwerfer zu sehen sind oder im Vordergrund Staub und Fettflecke auf der Kameralinse in den Lichtverhältnissen hell erstrahlen, dann fällt es nicht so ganz leicht sich zu entscheiden, ob man das nun hübsch & schön oder natürlich & selbstreflexiv und damit jeweils zulässig findet, oder doch eher billig, schlampig & fehlerhaft. Dass in den so arrangierten Bildern beinahe ausnahmslos die nackte Haut der zwei Paulas (Carmen Montes & Paula Davis) zu sehen ist, versteht sich von selbst: Paula I beim Spielen mit der Perlenkette, Paula II auf allen Vieren, Paula I beim Ausziehen der Strümpfe, Paula II beim Bauchtanz, Paula I in Strapsen, beide beim Schmusen und Liebkosen. Die Verknüpfung von Bild und Ton ist dabei gar nicht so willkürlich geraten, wie man auf den ersten Blick meinen könnte: wenn die Großaufnahmen immer extremer werden, je ekstatischer die Musik aufspielt, und nur noch geradezu abstrakte Farbflächen in Bewegung zu sehen sind (der Sinn eines Bildes also hinter die Sinnlichkeit des Bildes auffällig zurücktritt), dann hat das durchaus Methode.
Wem es reicht, eine hochwertige Jazz-Tonspur zu haben, zu der in warmen Tönen und langsam fließenden Bewegungen nackte Körper wogen, der ist mit "Paula-Paula" gut bedient. Die inhaltliche Zuspitzung des Post-60er-Jahre-Francos in "Paula-Paula" (die gerade in der Reduzierung der Handlung und dem Halten der erotischen, phantastischen Situation des Verschmelzens bzw. Auflösens liegt) wäre in den frühen 70er Jahren (als Franco noch Mittel & Wege hatte, die ihm heute weitestgehend fehlen) sicherlich hochwertiger ausgefallen: aber immerhin - "Paula-Paula" ist zumindest sein bester Film seit etwa zwei Jahrzehnten.
6/10


1.) Das Ganze dann als "una experienca audiovisual" anzupreisen, ist sicher nicht völlig verkehrt, macht aus dem Film aber auch schnell eine Zielscheibe für Spott und Häme: wie auch bei Marc Vorlanders als "photo play" vermarkteten "Showgirls Exposed" (2010) wirkt diese Abgrenzung vom "gewöhnlichen" Film wie eine einfältige Trotzreaktion, mit der über die einen oder anderen Defizite hinweggetäuscht werden soll.

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