Review

Als höchstes Qualitätsmerkmal eines Kinderfilms wird gerne das Argument angeführt, dass sich auch die Erwachsenen von diesem gut unterhalten fühlen. Wohl wissend, dass die Eltern meist über die Besuche ihrer Kleinen entscheiden, versuchen viele Filme den Spagat zwischen kindgerechter Story und einem Plot, der für den Älteren noch Überraschungen bietet. "Die zauberhafte Nanny" verzichtet auf solche Anbiederungen, erzählt ihre Geschichte ganz im kindlichen Geiste und birgt seine Qualitäten in einem tieferen pädagogischen Sinn, der deutlich macht, dass hier mit Emma Thompson nicht nur eine sehr gute Drehbuchautorin am Werk war, sondern eine spät Mutter gewordene Darstellerin, die mit Herzblut bei der Sache gewesen ist.

Der Konflikt, den sie hier aufbaut - überforderte Mutter (Maggie Gyllenhaal) von drei Kindern, deren Mann (Ewan McGregor) als Soldat im 2.Weltkrieg dient, der das Geld fehlt, weshalb ihr Schwager (Rhys Ifans) sie zu überreden versucht, den Bauernhof zu verkaufen, und die ausgerechnet jetzt Besuch von ihrer Nichte und ihrem Neffen aus London bekommt, um diese von den Fliegerangriffen fernzuhalten - ist in groben Zügen nach kurzer Zeit gelöst, dank Nanny McGees (Emma Thompson) schnellem Auftauchen. Zwar stellen sich Cousin und Cousine als hochnäsige Reiche - Leute - Kinder heraus, die sich erst einmal kräftig über alles beklagen, aber schon nach einem Tag verstehen sich die fünf Kinder gut miteinander.

Man hätte einen ganzen Film über diesen Konflikt drehen können, den Nanny McGee mit zwei Zaubertricks löst, aber hier geht es nicht darum Gegensätze wie Stadt/Land oder arm=nett/ reich=unsympathisch plakativ zu nähren, sondern um wesentlich wichtigere Dinge wie Krieg und Tod, Verlust der Heimat und Emotionsmangel zwischen Eltern und Kind. Und es überrascht, mit welcher Leichtigkeit es dem Film gelingt, diese Themen ernsthaft anzufassen, ohne dabei in stumpfsinnige Lösungen zu verfallen oder sie billig emotional auszuschlachten. Für die jüngeren Betrachter genügt der hier aufgebaute Plot sowieso, wie sie auch weniger daran interessiert sind, zwischen netten und fiesen Kindern unterscheiden zu müssen. Viel mehr nimmt der Film erst richtig Fahrt auf, als die fünf Kinder zusammen vorgehen.

Es sind die Details, die auch den Erwachsenen begeistern können, selbst wenn diesem der Ausgang der Story schon vorher klar ist. Vor allem Ralph Fiennes als verantwortlicher Offizier in London und Vater der beiden Großstadtkinder liefert die geniale Studie eines bürokratischen Militärs ab, dessen Emotionalität von Disziplin und Klassenbewusstsein unterdrückt wird. Allein sein Gesichtsausdruck, als er von seinem Neffen hören muss, dass dessen Vater nicht gefallen sein könnte, weil das seinem Bauchgefühl widerspräche, ist der gesamte Film wert. Man hätte daraus eine Klamotte machen können, aber in diesem Moment bleibt der Film ganz realistisch und vermittelt ein genaues Bild der militärischen Denkweise. Dafür benötigt "Nanny 2" nicht einmal einen finsteren Bösewicht, denn Ralph Fiennes zitternde Hand, als er seinem Sohn, der seinen Cousin nach London begleitet hatte, zum Schluss über den Kopf streicht, erregt nur Mitleid für einen Mann, der seine Emotionen dem Militär opferte.

Als Bösewicht im eigentlichen Sinne agiert der Bruder des angeblich im Krieg gefallenen Familienvaters. Um seine Spielschulden zu bezahlen, muss er den Bauernhof veräußern, der ihm aber nur zur Hälfte gehört. Deshalb versucht er mit allen Tricks seiner Schwägerin zu schaden, damit diese gezwungen ist, in den Verkauf einzustimmen. Dabei macht er auch nicht vor bösen Einfällen halt, bleibt aber trotzdem eher eine lächerliche Figur, der zwei Geldeintreiberinnen nach seinen Nieren trachten. An seiner Figur lässt sich Schadenfreude ausleben, wie es im Film auch sonst zu Übertreibungen kommt, die dem in der Realität verankerten Geschehen eine gewisse Leichtigkeit verleihen - wie etwa die überdimensionale Bombe, die im Getreidefeld landet und die mit dem klassischen Durchschneiden des roten und blauen Kabels entschärft werden muss.

An der Figur der Nanny McGee lässt sich die Haltung des Films sehr gut festmachen. Zwar durchaus mit Autorität, aber nie mit übertriebener Strenge agierend, verzichtet sie völlig auf gefühlige Verbrüderungen. Emma Thompson hält immer Abstand zu den Kindern wie auch den Erwachsenen und versteht sich mehr als Katalysator, denn als Mittelpunkt des Geschehens. Dadurch werden ihre Zaubereien nie zum Selbstzweck, sondern zur Hilfe in schwierigen Situationen. Äußerlich mit den klassischen Attributen einer Märchen - Hexe versehen, verschwinden diese mit dem Fortschritt des Erziehungsprozesses, aber seltsamerweise ist das den kindlichen Zuschauern egal – sie begreifen von Beginn an, was sie an Nanny McGee haben (8,5/10).

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