Review

Man kennt mich vielleicht mittlerweile. Immer, wenn Tim Burton ein neues Werk inklusive Johnny Depp und Helena Bonham Carter auf die Leinwand zaubert, schreie ich auf vor Freude und Glück. Alles, was dieses Dreamteam bisher fabriziert hat, ist Gold wert, und auch Burtons andere Filme sind meist mindestens erste Sahne. Sein Edward, der mit Scherenhänden ein surreales Leben leben muss, ist ein bewegendes Neo-Märchen; Ed Wood ließ er vom erfolglosen B-Movie Regisseur zum gefeierten, skurrilen Star mutieren (natürlich nur im Film); den kopflosen Reiter hetzte er in einer dunklen, öden Gegend auf die Suche nach einem Kopf; die Schokoladenfabrik lässt er mitsamt Willy Wonka wieder bunt aufleben und nicht zuletzt versetzte er uns mit dem mörderischen Barbier Sweeney Todd in ein morbides Musical. Nun ist es also wieder an der Zeit für eine neue Burton-Produktion, und was liegt näher als eine neue Version von Alice im Wunderland, die schon im Original reichlich farbenfroh und (auf freundliche Art) verstörend auf uns wirkte? Burton macht sich das zu Eigen und kombiniert es mit seinem unverwechselbaren Stil. Und Gott sei's gedankt, Johnny Depp und Helena Bonham Carter sind wieder mit von der Partie.

Zunächst mal sei geklärt, dass Burton hier keineswegs eine einwandfreie Neuinterpretation der allseits bekannten Geschichte zaubert. Seine Alice ist hier im heiratsfähigen Alter, was ihr auch gleich mehr oder weniger zu gute kommt, denn sie soll einen verschrobenen Lord ehelichen. Da ihr das nicht so passt, flüchtet sie kurzerhand und folgt einem merkwürdigen weißen Kaninchen in eine tiefe Höhle, die Alice in eine andere, wundersame Welt katapultiert. Ja, eben jenes Wunderland. Nur, dass es hier neben seinen bunten Facetten auch deutlich dunklere Landschaften gibt, die unweigerlich ein bisschen an die dröge, unheimliche Gegend aus Sleepy Hollow erinnern. Ist Alice auch erstmal wieder in der zauberhaften Welt, drückt Burton das Gaspedal stetig nach unten und bremst nicht einmal. Der Zuschauer kommt kaum zum atmen, weil immer irgendwo etwas geschieht, und gerade die 3D-Vorstellung ist wie ein Dauerlutscher, den man gar nicht mehr aus der Hand legen kann.

Andererseits liegt darin auch eine Schwäche des Films. So wundersam die Welt auch sein mag, so faszinierend sie auf Jung und Alt wirken mag: Es hätte beinahe ein bisschen weniger sein dürfen. Getreu dem Motto Weniger ist Mehr. Tatsächlich ist der Film für 108 Minuten gut ausgelegt für ein paar komplexere Stränge, Burton allerdings quetscht sehr viel in die Laufzeit hinein. Namen, Orte, Sachverhalte, alles setzt das Drehbuch etwas voraus, damit man alles verstehen kann, umso überraschender ist es, dass der Film trotz fehlender Charaktereinführung so dermaßen dicht wirkt. Immer ist was los. Entweder flieht jemand, ein Kampf tobt oder irgendwo wird von einem Monster geredet, dass es zu erschlagen gilt. Ich will nicht sagen, dass diese Vorgehensweise nervtötend ist, aber man ist irgendwann redlich ermüdet. Es ist so, als hätte man versucht, einen Liter durch ein klitzekleines Fingerhütchen gekippt, und dabei geht natürlich was daneben.

Zumindest was die Figuren betrifft, könnte es kaum bunter sein. Johnny Depp als verrückter Hutmacher war natürlich von Anfang an so etwas wie das Zugpferd des Films. Zwar gibt Depp den Bekloppten hier auf göttliche Art und Weise, nur wirkt es so, als ob Burton das ein wenig ausnutzen wollte und dem Hutmacher deswegen doch recht viel Text und Handlung in den Kragen kippt. Das führt zu einer späteren Omnipräsenz Depps, den er scheint immer überall zu sein. Nicht dass es mich sonderlich stören würde, ich könnte dem Hutmacher Stunden zusehen, aber es fällt doch auf - ich glaube kaum, dass Burton einem anderen Darsteller in der Rolle derart viel Screentime gegeben hätte.

Sonst hat man viele viele bunte Smarties... äh Nebendarsteller natürlich. Helena Bonham Carter als Rote Königin ist ein Augenschmaus und ihr dauerhafter Satz „Ab mit seinem Kopf" wird sich durchaus als Kult behaupten können. Im direkten Gegensatz dazu hätten wir noch Anne Hathaway als Weiße Königin, die mit merkwürdiger Gestik das ein oder andere Schmunzeln herbeiruft, während Crispin Clover als Stayne mitsamt herzförmiger Augenklappe den ein oder anderen passiven Lacher auf seiner Seite hat, und wenn es nur darum geht, wie er von der Roten Königen dreimal nacheinander geohrfeigt wird. Daneben gibt es auch noch ein paar computergenerierte Leutchen, vom amüsanten Pärchen Tweedledee und Tweedledum über den verrückten März-Hasen bis zum Jobberwocky, der (welch Ehre) seine Stimme von Christopher Lee spendiert bekam. Leider ist es aber so, dass gerade Mia Wasikowska als Alice in der farbenfrohen Truppe reichlich blass erscheint. Schauspielerisch hat sie zwar das unscheinbare Kücken ganz gut drauf, mehr aber auch nicht.

 Man erkennt schon, dass es sich hier um einen typischen Burton handelt, alles ist bunt, laut und blinkt. Da sein Stil sehr gut zur eigentlichen Vorlage passt, wird der Film vielleicht nicht so polarisieren wie andere Burton-Werke davor. Die Darsteller agieren wie gesagt größtenteils köstlich, und Mia Wasikowskas eher zimperliche Darstellerei kann man damit abtun, dass es eventuell schwer ist, vor dem Blue- und Greenscreen sonderlich viel Emotionen zu zeigen. Mit diesen Worten schließ ich ab und empfehle Tim Burtons Alice im Wunderland jedem, der eine bunte, vollgequetschte Wundertüte vertragen kann. Trotz reichlicher Überladung der Story hatte ich zumindest uneingeschränkten Spaß.

Fazit

Knallbunte Orgie mit verrückten Figuren und tollen 3D-Effekten (sofern man die 3D-Vorstellung besuch). Über inhaltliche Schwächen und einer nicht ganz so überzeugenden Alice täuscht spätestens der traumhafte Johnny Depp hinweg. Nicht unbedingt ein Film für die ganze Familie, aber garantiert für Liebhaber farbenfroher Knallbonbons.

8/10  

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