Mia Wasikowska spielt die junge Alice, die einem merkwürdigen, bekleideten Kaninchen in dessen Bau folgt, nachdem die Tochter aus einer aristokratischen Familie kurz vorher den Heiratsantrag eines Geschäftsmannes ausgeschlagen hat. Durch den Kaninchenbau taucht Alice in eine Welt ein, die sie als Kind bereits kennen gelernt, jedoch wieder vergessen hat. Sie begegnet unter Anderem einem merkwürdigen Hutmacher, gespielt von Johnny Depp, und muss erfahren, dass sie die Auserwählte ist, die die Herrschaft der unbarmherzigen roten Königin, gespielt von Helena Bonham Carter, beenden soll.
Die erste Szene: Die kleine Alice erzählt, sie habe sich in eine fantasievolle Welt geträumt, in der ihr zahlreiche Gestalten, die sie als "kauzig" charakterisiert, begegnet seien. Doch nicht nur im Traum- und Wunderland sind derart skurrile Zeitgenossen zu finden, auch in Hollywood wird man schnell fündig. Unter anderem bei Tim Burton, der sich als Regisseur immer wieder den bizarrsten Projekten widmet, angefangen bei extrem absonderlichen Filmen wie "Beetlejuice", "Batman", "Mars Attacks!" oder "Sweeney Todd", bei denen sich Hollywoods größter Krauskopf gern einmal übernimmt, mit "Ed Wood", "Big Fish", "Corpse Bride" oder "Edward mit den Scherenhänden" aber auch ein paar der im positiven Sinn außergewöhnliche Filme inszenierte. Daneben ist es ebenfalls kein Geheimnis, dass Johnny Depp, der hier bereits zum siebten Mal mit Burton arbeitet, einen Hang zu skurrilen Charakteren hat, was ihm Oscar-Nominierungen für "Fluch der Karibik", "Wenn Träume fliegen lernen" und "Sweeney Todd" einbrachte. Damit sollte der kuriose Kinderbuchklassiker "Alice im Wunderland", der praktisch vor Skurrilitäten strotzt, den perfekten Nährboden für das Duo bieten.
Und man merkt dem fertigen Produkt durchaus an, dass Burton beim Dreh seinen Spaß hatte. So macht der Film visuell mit seinen bunten, liebevoll erstellten Fantasiewelten und den hervorragenden Effekten einiges her, wobei die optische Wirkung natürlich in 3D noch besser zur Geltung kommt. Auch die zahlreichen Figuren, denen Burton hier Leben einhaucht, können sich durchaus sehen lassen und sind darüber hinaus sehr natürlich animiert, sodass man hier auf visueller Ebene alles in allem genau das geboten bekommt, was man sich von Burton so erhoffen konnte. Daneben ist auch der Score, der den Film durchweg hervorragend unterlegt, positiv hervorzuheben, da er den starken Bildern eine gelungene akustische Kulisse gibt und das Geschehen immer mal wieder vorantreibt.
Dass Burton, der mit einem Budget von 200 Millionen Dollar ans Werk geht und hier erstmals für Disney arbeitet, aber auch der Familienverträglichkeit und dem kommerziellen Erfolg seines Projekts verpflichtet ist, merkt man diesem ebenfalls punktuell an. So übertreibt Burton es diesmal nicht mit seinen Skurrilitäten, was den Fans des Regisseurs wohl nicht gerade gefallen wird. Die Folge ist jedoch im Endeffekt, dass es sich hierbei um einen der besseren Filme des Regisseurs handelt, eben weil er sich nicht in seinen zahlreichen bizarren Einfällen und Skurrilitäten verirrt, sich nicht ausschließlich in seinem eigenen, persönlichen Wunderland austobt, sondern auch für einen soliden Unterhaltungswert und einen strukturierten Aufbau sorgt.
So fährt Burton mit seiner Story zügig fort, ohne auf der Stelle zu treten. Dabei orientiert sich Burton mehr an der Romanvorlage, als dass er sie adaptiert, so sind die Charaktere zwar in etwa dieselben, die eine oder andere Szene ist im Buch durchaus wieder zu finden und auch manch ein Dialog wird dem Kenner des Kinderbuchs bekannt vorkommen, aber am Ende sind es doch derart starke Abänderungen, die Burton vornimmt, dass von einer Buchverfilmung im Grunde nicht mehr so recht die Rede sein kann. Dies ist jedoch im Endeffekt kein allzu großer Nachteil, vielmehr entsteht so ein Film, der mit einer gewissen dramaturgischen Stringenz überzeugt und unterhält, auch wenn der Aufbau hier und da freilich etwas glatt gebügelt wirkt. Außerdem überzeugt "Alice im Wunderland", auch wenn die Charakterkonstruktion nicht sonderlich tief sein mag, auch auf menschlicher Ebene, da Burton bei seinem Ausflug in das Wunderland eben diese nicht außer Acht lässt, auch wenn das Ganze hier und da vielleicht ein wenig naiv wird. Kitschig, klischeehaft und einfallslos wie etwa "Die Chroniken von Narnia" ist "Alice im Wunderland" dabei jedoch nicht einmal im Ansatz. Das Schicksal von Alice ist zu jedem Zeitpunkt interessant, punktuell auch mal mitreißend und damit ist es ein klar überdurchschnittlicher Film, den Burton hier präsentiert.
Johnny Depp fühlt sich dabei auch in der Rolle des verrückten Hutmachers sehr wohl und meistert auch diesen skurrilen Charakter mit einem Hauch von Overacting kombiniert mit einer, trotz aller Abgehobenheit, menschlich/sympathischen Art, wirklich ausgezeichnet, während Helena Bonham Carter in der Rolle der roten Königin ebenfalls eine makellose Leistung auf die Leinwand bringt. Trotz der zahlreichen einprägsamen Nebencharaktere, die unter Anderem von Anne Hathaway und Crispin Glover verkörpert werden, ist es am Ende die Vorstellung von Mia Wasikowska, die "Alice im Wunderland" über das Mittelmaß hievt. Wasikowska, von der man in naher Zukunft wohl noch recht viel hören wird, zeigt eine überraschend gelungene Vorstellung, ist für ihre Rolle zudem sympathisch und natürlich genug, sodass die Geschichte rund um die junge Alice nicht aus dem Auge des Betrachters gerückt wird. Alice und ihre Abenteuer sind als solche unterhaltsam und verkommen nicht zum Vehikel für bunte Bilder, Action und Skurrilitäten.
Fazit:
Vorwürfe kann man "Alice im Wunderland" viele machen. Den Fans des Romans wird Burtons Story zu frei sein, Burton-Fans wiederum wird es widerstreben, dass das Ganze im Grunde gar nicht mal so unglaublich skurril ist und, dass Burton sich doch ein stückweit den kommerziellen Zielsetzungen und damit der einen oder anderen Konvention unterordnet. Unterm Strich ist all dies jedoch eher als Stärke, denn als Schwäche zu sehen, so ist "Alice im Wunderland" recht stringent aufgebaut und damit sehr unterhaltsam, in audiovisueller Hinsicht regelrecht berauschend und darüber hinaus auch noch gut gespielt, auch wenn das punktuell etwas naive und kalkulierbare Treiben nicht unbedingt das Prädikat "sehr gut" verdient. Burtons Ausflug ins Wunderland ist dennoch auf jeden Fall eine Empfehlung wert.
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