„Thronkriege die fünfte" (SPOILER vorhanden)
Nein - um das sogleich einmal vorweg zu nehmen - wir kommen der Entscheidungsschlacht um den eisernen Thron auch in Staffel 5 nicht entscheidend näher. Die Verschleppung der Ereignisse war auch schon in der vorangegangenen Season deutlich erkennbar und wurde je nach Standpunkt entweder als narrativer Stillstand, oder als ungewöhnliche und somit spannende Erzählhaltung empfunden. Unabhängig beider Interpretationsansätze fällt jedenfalls auf, dass die Vielzahl der unterschiedlichen Handlungsstränge und Schauplätze gar nichts anderes zulässt. So kommt man bei knapp 10 Stunden Laufzeit und einigermaßen gleicher Verteilung pro Einzelthema im Schnitt auf nicht mal 50 Minuten. Dass da dann häufig nicht allzu viel passiert, ist wenig verwunderlich.
Tatsächlich ist das inzwischen zu einem veritablen Problem geworden, da praktisch alle 5 Minuten Personal und Schauplatz wechseln und man sich langsam aber sicher ein wenig in all der Hopserei verliert. Zumal manche Figuren aus dramaturgischen Gründen an Substanz verlieren bzw. kaum Relevantes zu tun bekommen.
Ein solches Beispiel ist Königsmörder Jamie Lennister (Nikolaj Coster-Waldau). Als böser Wolf im schmucken Schafspelz über dreieinhalb Staffeln eine der schillerndsten Figuren, ist er seit seiner Läuterung durch den Verlust einer Hand und den Einfluss der burschikosen Ritterin Brienne von Tarth zu einer relativ passiven und farblosen Nebenfigur degradiert worden.
Ähnliches widerfährt nun dem heimlichen Hauptdarsteller und Liebling der Fans, seinem Bruder Tyrion (Peter Dinklage). In Staffel 4 als Hand des Königs noch genialischer Strippenzieher in Königsmund, ist er jetzt die meiste Zeit mit seinem Retter Lord Varys (Conleth Hill) auf einer recht ereignislosen Flucht. Sein Ziel: Daenerys Targaryen, der er sich nach der Ermordung seines Vaters Tywin (Charles Dance) als Berater anbieten will. Und zu guter letzt haben auch die beiden Hofintriganten Petyr Baelish (will Sansa Stark mit den Boltons vermählen) und Lord Varys (flieht zusammen mit Tyrion) kaum etwas zu tun, so dass ihre finsteren und fein gesponnenen Ränkespiele diesmal nur in ein paar wenigen Gesprächsfetzen angedeutet werden.
Dafür liegt der Fokus diesmal deutlicher auf Jon Schnee (Kit Harington) und den Ereignissen um die Nachtwache, sicherlich eine der Stärken von Staffel 5. Zwar bekommt erneut der Plot um seinen Vertrauten Samwell Tarly (John Bradley) und dessen Geliebte Goldi viel zu viel Aufmerksamkeit, aber die Wahl eines neuen Lord Kommandanten, der Plan einer Allianz mit den Wildlingen sowie ein Sturmangriff der Eismenschen gehören zu den unbestreitbaren Highlights, sowohl spannungstechnisch wie auch visuell. Zwar wird nicht das tricktechnische Niveau der vergleichbaren Szenen im „Herrn der Ringe" erreicht und die deutliche Anbiederung an das aktuell so populäre Zombie-Genre gewinnt sicher keinen Originalitätspreis, dennoch ist dieser Erzählstrang packend und stringent inszeniert und einer der bisherigen Serienhöhepunkte.
Nicht ganz so gelungen ist die Fortführung Daenerys Targaryens (Emilia Clarke) Geschichte. Immer noch sitzt sie in Meeren fest und versucht das Volk für sich zu gewinnen. Zwar tröstet der Aufstand der brutalen Untergrundorganisation der „Söhne der Harpyie" ein wenig über die Redundanz hinweg, dennoch passiert im Grunde nichts wesentlich Anderes wie in der Vor-Season. Dass dann das große Finale - die Wiedereröffnung der Meerenschen Kampfarenen - mehr als unverhohlen bei Ridley Scotts „Gladiator"( allerdings ohne dessen inszenatorische Raffinesse) wildert, ist auch kein Ruhmesblatt an Innovation.
Ein wenig seltsam, aber durchaus geheimnisvoll und mysteriös, mutet schließlich Arya Starks Eintritt in den Kult des Todesgottes an. In der Hafenstadt Bravos wird sie zur professionellen Auftragskillerin ausgebildet, bei der ihr Hang zum Umgehen bestehender Regeln schwer wiegende Folgen haben könnte. Alle drei Erzählungen verstärken das Fantasy-Element der Serie und es bleibt abzuwarten, ob dieser Weg in Richtung Finale noch weiter ausgebaut wird.
Bleibt noch der vierte zentrale Handlungsort Königsmund. Hier zieht Cersei Lennister (Lena Headay) weiterhin - aber inzwischen allein - die Fäden und versucht nach der Ermordung von Sohn und Vater die eigene, schwer gebeutelte Hausmacht zu retten. Um lästige Rivalen auszuschalten gibt sie den Glaubensfanatikern unter der Führung des Hohen Spatzes (Jonathan Pryce) neue Machtfülle, ein Pyrrhussieg, der fatale Folgen für sie hat. Hier zeigt sich Staffel 5 endlich auch mal wieder auf der Höhe der Zeit und verhandelt aktuell überaus brisante Themen wie religiösen Fundamentalismus und Gotteskrieger.
Am Ende - und das hat ja inzwischen Tradition - wird wieder eine zentrale Figur überraschend geopfert, überraschend, weil man ihr bis dato sehr viel Zeit und auch Empathie gewidmet hat.
Das mag aufgrund der bewussten Ignoranz von Erwartungshaltungen gängiger Erzählmuster eine gewisse Gewitztheit haben, dramaturgisch gesehen ist der Kniff eher ein Schuss in den Ofen, der vor allem dadurch nicht besser wird, dass man ihn an jedem Staffelende wiederholt. Natürlich ist man als Zuschauer perplex, aber hat sich der wohlmögliche Ärger bzw. Schock erst mal gelegt, beginnt man sich zu fragen wer von dem immer uninteressanter werdenden Restpersonal die episch ausgewalzte Teilhandlung nun weiter führen soll. Da ist weit und breit niemand mehr in Sicht. Der leise Verdacht einer bewussten Streckung kann einem da auch kommen.
Fazit:
Staffel 5 des immer noch faszinierenden Fantasyepos um dem europäischen Mittelalter entlehnte Machtspiele ist vor allem optisch und atmosphärisch nach wie vor ein Ausnahmeformat. Erzählerisch setzen sich allerdings die Schwächen der Vorgänger-Season fort, zu viele Handlungsstränge stehen sich gegenseitig im Weg und bremsen sich aus. Manches verläuft im Sande, oder ist zu offenkundig geklaut. Bei einigen Figuren wird das zuvor voll ausgeschöpfte Potential zu wenig genutzt, andere bekommen deutlich zu viel Aufmerksamkeit. Wieder einmal wird das Personalkarussell abrupt gestoppt und ein zentraler Charakter rausgeworfen und wieder einmal hätte es dafür weit geeignetere Kandidaten gegeben. Inzwischen schleicht man ein wenig zu offensichtlich um den Eisernen Thron herum, anstatt sich ihm zielstrebiger zu nähern.
(6,5/10 Punkten)