Wow, harter Stoff an den sich HBO da gewagt hat. Das Fantasyepos A Song of Ice and Fire von George R. R. Martin, bestehend aus bisher 5 Büchern (im Deutschen wurden die Bücher geteilt, dort gibt es also 10), ist ein Stück fesselnde, komplexe Literatur. Seine Komplexität fußt hauptsächlich in der schieren Masse der Charaktere und der vielen Handlungsstränge, die im Stil des POV (Point of View) erzählt werden.
Die Story handelt vom Kontinent Westeros, auf dem nach einer Revolte gegen den verrückten König seit fast zwei Jahrzehnten Friede herrscht. Doch der neue König Robert ist ein rechter Trunkenbold und Lebemann, der sich mehr mit Wein und Jagd beschäftigt, als mit dem Regieren. Im Laufe der Zeit hat er einige zweifelhafte Berater um sich geschart und auch seine Beziehung zu seiner Frau und deren Familie ist durchwachsen. Zeitgleich braut sich sowohl im eisigen Norden jenseits der großen Mauer und auf dem Nachbarkontinent Unheil zusammen.
Westeros ist an das mittelalterliche England angelehnt. Es gibt übernatürliche Elemente, die jedoch zunächst eine relativ untergeordnete Rolle spielen.
Das Ganze als Spielfilm umzusetzen hätte scheitern müssen, weil in 2 Stunden is es unmöglich, eine derart große Geschichte zu erzählen. Deswegen ist das Serienformat für A Song of Fire and Ice perfekt, vor allem weil HBO verstanden hat, dass es sich lohnt, eine Serie mit einem großen Budget auszustatten. So ist die Optik einfach grandios was Lokalitäten (Grasland mit Burgen, Eislandschaften, Wüste, Steppe) und Effekte angeht. Große Schlachten darf man nicht erwarten, es gibt bis auf wenige Ausnahmen eher kleinere Scharmützel. Die Gewaltdarstellung ist explizit, jedoch nicht übertrieben brutal. Die Kostüme sind äußerst überzeugend.
Die Serie gibt den POV Erzählstil des Buches auf und springt virtuos zwischen den Handlungsfäden hin und her. Anfangs mag für manchen die Vielzahl der Charaktere verwirrend oder demotivierend wirken, man findet sich jedoch innerhalb weniger Folgen zurecht im GoT-Universum. Allerdings MUSS man die Folgen in der richtigen Reihenfolge anschauen und Quereinsteigen halte ich für äußerst problematisch, weil man dann einfach nix kapiert.
Die Schauspieler sind in meinen Augen alle miteinander sehr stark. Hervorheben möchte ich Sean Bean, der als Ned Stark eine der Hauptrollen einnimmt und wirklich großartig spielt. Doch keinesfalls darf Peter Dinklage vergessen werden, der den kleinwüchsigen Tyrion dermaßen sympathisch spielt dass es eine wahre Freude ist ihm zuzusehen.
Noch mehr als bei Dexter erweißt es sich als hilfreich, wenn eine Serie auf einer Buchreihe basiert. So sind serientypische konstruierte Wendungen nicht anzutreffen. Die Geschichte ist spannend, vielschichtig und interessant, nach einer gewissen Zeit stellt sich ein Suchtverhalten ein: Man muss einfach die nächste Folge ansehen, muss einfach wissen wie es weiter geht.
Zur deutschen Synchro kann ich mich nur am Rande äußern da ich nur eine einzige Folge auf Deutsch gesehen habe - das war so weit ganz ok. Aber wie immer empfehle ich allen, die des Englischen mächtig sind, Filme und Serien in Originalsprache zu genießen - wenn´s hilft mit Untertiteln.
Oftmals wurde Game of Thrones für seine Sexszenen kritisiert. Diese wären nur Bestandteil der Serie, weil sie für amerikanisches PayTV produziert würde und deshalb der zahlenden Kundschaft immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden müsse, weshalb sie PayTV-Kunden seien (Nacktszenen sind im prüden Amerika im FreeTV nicht zu finden). Das mag auch durchaus stimmen, jedoch muss man anmerken, dass auch in den Büchern explizit sexuelle Passagen - noch härter als in der Serie - vorkommen. Kann sein dass die eine oder andere Sexszene für die Handlung irrelevant ist und doch gehört Sexualität zum Leben und Mann freut sich, wenn er nicht nur schöne Landschaften betrachten darf.
George R. R. Martin wurde vom TIME Magazine als "der amerikanische J.R.R. Tolkien" bezeichnet, jedoch unterscheidet sich Westeros von Mittelerde drastisch. Das klare Gut-Böse Schema fehlt glücklicherweise, Charaktere, die man gut oder sympathisch und eventuell sogar handlungsrelevant findet überleben nicht auf unfassbare Weise alle möglichen waghalsigen Aktionen, Sexualität wird klar artikuliert - alles ist etwas erwachsener und realistischer.
Trotz der Unterschiede finde ich den Vergleich irgendwie passend, denn bei mir kam wieder so ein "Herr der Ringe Feeling" auf als ich die Serie geschaut habe.
Fazit: Game of Thrones ist mittelalterliche Fantasy-Action für Erwachsene. Wenn man am Ball bleibt erwartet einen hier die faszinierende und magische Welt von Westeros, keine 08/15 Hollywood Story sondern ein grandioses Epos. Mein persönliches Fantasy-Highlight seit Herr der Ringe. Ich kann es kaum erwarten bis die dritte Staffel läuft.
10/10