Sophie (Amanda Seyfried) hat einen wundervollen Urlaub in Italien vor sich, den sie gemeinsam mit ihrem Verlobten Victor (Gael García Bernal) antritt. Verona, wo sie inmitten der Altstadt wohnen, erfüllt alle romantischen Erwartungen, genauso wie die herrliche Landschaft, die sie auf ihren Ausflügen besuchen. Bei einem Spaziergang durch Verona entdeckt Sophie eine alte Mauer, an der eine Vielzahl von Briefen befestigt ist. Als sie eine junge Frau verfolgt, die diese Briefe am Abend einsammelt, kommt sie in ein schönes, altes Haus, wo vier Frauen an einem großen Tisch sitzen, die diese Briefe in alle Welt beantworten. Sie sind die Vertreterinnen von Julia, der Shakespeareschen Geliebten von Romeo, an die diese gerichtet sind.
Wer diese kurze Schilderung des Filmbeginns als Tourismuswerbung für Italien begreift, hat schon eine wichtige Essenz von "Briefe an Julia" erkannt. Das Land zeigt sich hier von seiner allerbesten Seite - neben Verona ist es vor allem die Toskana, die mit ihrer wunderschönen Landschaft, den pittoresken Städten (Ausgangspunkt Siena), mondänen Hotels und herrschaftlichen Landsitzen punkten kann. Das alles ist ebenso real wie die Postadresse "Julia", an die seit mehr als 50 Jahren Liebende ihre Briefe senden, aber gleichzeitig von so einseitiger Fülle, dass sich der Charakter des Films dem nur unterordnen kann. Entsprechend sind alle Protagonisten schön oder attraktiv, immer sehr gut gekleidet und ohne jeden Anflug von materieller Sorge.
Wer von einem Unterhaltungsfilm hollywoodscher Machart einen optischen Genuss erwartet, wird hier voll auf seine Kosten kommen, ganz abgesehen von Amanda Seyfried in der Hauptrolle, deren Schönheit damit einen angemessenen Rahmen erhält. Auch in weiteren Rollen kann der Film mit überzeugenden Darstellern aufwarten - vor allem Vanessa Redgrave als Claire, deren Brief an ihren damaligen Geliebten Lorenzo, Sophie nach 50 Jahren zufällig an der Veroneser Mauer findet, bleibt selbst in den rührseligsten Momenten souverän, ebenso wie Franco Nero als - dreimal darf man raten!
Die Story, die der Film erzählt, sind prinzipiell zwei Geschichten. Einmal die von Claire, die wegen der sehr verspäteten Antwort auf ihren 50 Jahre alten Brief wieder nach Verona kommt, um das damals versäumte nachzuholen, dann die von Sophie, die sie bei der Suche nach dem damaligen Geliebten begleitet, und ihre eigene (Männer)bestimmung finden muss. Der Qualitätsunterschied zwischen den beiden Handlungssträngen ist leider eklatant. Während dank der coolen Vanessa Redgrave, die Suche nach dem Verflossenen über einigen Witz und anrührende Momente verfügt, muss sich Amanda Seyfried mit einer Beziehungskiste nach gewohntem Hollywood - Baukasten - Niveau auseinandersetzen.
Ihr Verlobter Victor ist zwar ein hübscher, junger Mann, aber hat nur sein Restaurant im Kopf, dass er demnächst in New York eröffnet. Deshalb ist er weniger an den baulichen Schönheiten Italiens interessiert, als an den kulinarischen - und vernachlässigt, ständig mit dem Handy in der Hand, seine romantisch veranlagte Verlobte. Sein Gegenspieler lässt da natürlich nicht lange auf sich warten und erscheint in Person von Clairs Enkelsohn Charlie (Christopher Egan), der zuerst etwas über Sophie stänkern darf, dann aber bei der gemeinsamen Tour durch die italienische Landschaft schnell weichere Töne anklingen lässt.
Ärgerlich an dieser Konstellation ist nicht die Tatsache, dass eine Frau sich für einen anderen Mann entscheiden könnte, sondern die völlige Risikolosigkeit, mit der Hollywood dieses Unterfangen serviert. Obwohl Sophie eigentlich Verständnis dafür haben müsste, dass sich ihr Verlobter in seiner solchen Situation auf seine Arbeit konzentriert, wird hier Victor nur als unsensibler Workaholic verkauft, der letztlich keine Chance mehr verdient hat. Aber auch Charlie darf nicht sofort ran, obwohl ihre Emotionen so schön wie die Landschaft blühen, denn noch ist Sophie schließlich verlobt - und selbstverständlich kein leichtes Mädchen.
Es ist die völlige Glätte aus Postkartenhintergrund und tugendhaft, romantischer Story, die dem Film einen Charakter verleiht, der von Beginn nur eine bestimmte, größtenteils weiblich geprägte, Zielgruppe im Sinn hat. Gegen den optisch reizvollen Hintergrund wäre auch gar nichts einzuwenden, ebenso erwartet man von einem solchen Film keine sozialen Brennpunkte, aber das souveräne Spiel von Vanessa Redgrave und, leider sehr spät, Franco Nero, konnte immerhin aufzeigen, dass bei Sophies Liebesgeschichte deutlich mehr drin gewesen wäre.(4/10)