Man soll ja Filme nicht so sehr mit ihren literarischen Vorlagen vergleichen, zu unfair wäre es, die Dichte eines Buches mit den visionären Umsetzungen seiner Verfilmung in den Ring zu schicken. Im Falle von "The Time Machine" fällt dies aber besonders schwer. Erstens ist das Buch von H. G. Wells ein Klassiker und Pionier des modernen Science Fiction, zweitens hat es die Erstverfilmung Anno 1960 tatsächlich geschafft, die Gesellschaftskritik der Vorlage mit dem subtilen Humor Wells nahezu perfekt auf Film zu bannen. Da reicht es auch nicht, wenn der Urenkel von Herrn Wells persönlich auf den Regiestuhl Platz nimmt, um die Visionen seines Urgroßvaters mit modernen Mitteln anschaulich zu machen. Nein, es reicht ganz und gar nicht.
Dabei fängt alles so nett und beschaulich an. New York im Jahre 1899 ist schön dargestellt und fängt eine anschauliche Winteratmosphäre ein, auch wenn das alles merkwürdig aufgesetzt wirkt. Dr. Alexander Hartdegen ist der schusselige Wissenschaftler der Geschichte, der seiner Liebsten eines Abends im Park den ersehnten Heiratsantrag macht. Leider wird der schöne Moment von einem dreisten Dieb gestört, der das frisch verlobte Paar um ihre Habseligkeiten erleichtert. Doch als der Schuft auch den Ring (mit einem Mondstein verziert) haben will und zunehmend frecher wird, sieht Alexander rot, greift ein und bringt den Gauner dazu, seine Pistole zu betätigen. Seine junge Frau stirbt an einer Schussverletzung und macht Alexander nach nicht mal einer Minute Zweisamkeit zum Witwer.
Vier Jahre schließt er sich darauf in sein Labor ein und werkelt an einer Maschine rum, sehr zum Missfallen seines guten Freundes Philby und der Haushälterin. Das Ergebnis der Bemühung ist eine Zeitmaschine, extra konstruiert um das Ereignis vom frühen Tod seiner Geliebten rückgängig zu machen. Nach einem romantischen Gefühlsausbruch in der Vergangenheit, schickt Alexander seine Frau weg vom Park und vom Dieb, nur damit er sie nachher einen Moment allein lässt und sie von einer Kutsche erschlagen wird. Erschüttert stellt sich Alexander die Frage, warum er die Vergangenheit nicht ändern kann, und fährt offenbar aus melancholischen Frust in die ferne Zukunft, in der Hoffnung, eine Antwort auf seine Frage zu finden.
Fortan wird die Geschichte immer stupider. Der Besuch im Jahr 2030 gerät zum peinlichen Intermezzo, als Alexander auf den allzu menschlichen Bibliothekscomputer VOX trifft, der augenrollend versucht, die Fragen des Wissenschaftlers zu beantworten und H. G. Wells und seinen Originalroman persönlich als mögliche Antwort aussucht, inklusive furchtbarer Gesangseinlage aus dem gleichnamigen Musical. Noch während man sich verzweifelt fragt, was das nun wieder sollte, reist Alexander ins Jahr 2037 und findet ein apokalyptisches Szenario vor. Der Mond wurde durch die menschliche Hand in Stücke gerissen und einzelne Teile rasen nun auf die Erde zu. Freundlicherweise wird einem das nur schemenhaft angedeutet, denn die Szene musste wegen der Terroranschläge aufs WTC massiv beschnitten werden. Erneut ein Fall von erzwungener politischer Korrektheit.
Irgendwann landet Alexander dann schlussendlich im kultverdächtigen Jahr 80271. Gleichzeitig scheint Regisseur Simon Wells die superbe Vorlage seines Opas mit einem smarten Grinsen in den Kamin geworfen zu haben. Aus den kleinen, naiven Eloi werden scheinbar ganz normale Menschen, ihre kuppelartigen Behausungen werden zu schwer definierbaren Wohnungen an einer riesigen Felswand. Natürlich sprechen (fast) alle relativ lückenfrei Englisch, die "Steinsprache", die man als Kind gelehrt bekommt und irgendwann einfach vergisst. Nur die junge Mare outet sich als perfekte Dolmetscherin. Hier geht schon mal ein wesentlicher Kritikpunkt der Vorlage flöten, wo die Eloi doch außer Kichern und Essen alle Körpereigenschaften und Emotionen ausgeblendet haben. Hier werden die Eloi allerdings nur am Anfang als leicht primitive Ureinwohner gezeigt, mit Mara und ihrem Bruder Kalen hat man da schon mindestens zwei Exemplare, die nichts von diesen gesellschaftskritischen Aspekten der Vorlage übrig behalten haben und einfach nur zwei fast normale Menschen darstellen.
Nicht besser sieht es bei den Morlocks aus, weiße Gestalten der Dunkelheit, der zweite Evolutionsstrang des heutigen Menschen. Willenlose, fast bösartige Kreaturen. Auch hier eine unsinnige Neuerung. Kommen die fiesen Viecher doch eigentlich nur nachts raus, da sich ihre Augen der Dunkelheit angepasst haben und jegliches Licht zu Schmerzen führt, tauchen sie trotz Ermahnung, nie nachts rauszugehen, munter am Tag auf und machen Jagd auf die Eloi. Alexander mutiert dann vom kauzigen Wissenschaftler zum Actionheld, der waghalsige Manöver immer perfekt in die Tat umsetzt. Die Morlocks selbst sind ganz nett animiert, bzw. geschminkt (dafür gabs dann auch die Oscar-Nominierung), aber die eben erwähnte Tatsache, dass sie offenbar nun doch keine Scheu vor Licht haben, führt Sinn und Zweck dieser menschlichen Untergruppe ad absurdum. Der typische storytechnische Kniff in der Handlung kommt dann mit der Entführung Maras in die unteriridischen Höhlen der Morlocks und Alexanders Aufbruch in eben diese.
Der Ausflug in die Katakomben gerät dann eher zu einem Horrorszenario. Alexander findet nach kurzem Hin und Her seine Mara in einem Käfig, gleichzeitig stößt er auch auf den sogenannten Über-Morlock, alias Jeremy Irons himself, ein bisschen weiß geschminkt und übrigens praktischerweise auch perfekt der englischen Sprache mächtig. Die beiden betreiben ein wenig philosophisch angehauchten Smalltalk, bevor es zum unvermeidlichen Kampf kommt und der gute Jeremy mit Alexander auf der aktivierten Zeitmaschine kämpft, irgendwann außerhalb des Wirkungsradius der Maschine gerät und wegen der nun blitzschnellen Zeit rasend zum Skelett mutiert. Als Alexander dann die unschöne spätere Zukunft sieht (und mal wieder das visionäre Highlight der Buchvorlage nicht verfilmt wurde), beschließt er, mit seiner Maschine wieder zurück ins Jahr 802701 zu reisen und eben jene Erfindung als mörderische Bombe zu benutzen, die aus irgendwelchen Gründen alle Morlocks tötet und den Frieden bringt. Alexander bleibt ganz freiwillig in der Zukunft bei seiner Mara und dem jungen Haudegen Kalen.
Es ist verdammt nochmal enttäuschend, dass sich der gute Anfang zu einer schwachsinnigen Aneinanderreihung möglichst futuristischer Effekte entwickelt. Die Zeitmaschine selbst ist hier nur Mittel zum Zweck, Alexander agiert nur aus persönlichen Gründen und die Kritik der Vorlage ist zwar noch schwach vernehmbar, aber viel zu sehr auf Popcorn-Kino getrimmt, als dass sie irgendjemanden ernsthaft zum nachdenken bringen könnte. Drehbuch und Regie haben sich auch nur dazu entschlossen, ein Best-Of aus dem Buch und der Erstverfilmung zu schaffen, garniert mit einer überwältigenden Anzahl lächerlicher Neuideen, angefangen von den einzig wegen der Optik eingebrachten Behausungen der Eloi bis hin zum Über-Morlock Irons; ein typischer Endgegner, den weder Buch noch Erstverfilmung nötig gehabt haben. Dass auch noch eben jener Jeremy Irons mittels Gedankenkontrolle hinter der grunzenden Dummheit der Morlocks und der schwächlichen Widerstandslosigkeit der Eloi steckt, raubt der Verfilmung endgültig jeden sozialkritischen Geist der Vorlage.
Auch der Darstellerstab weiß nicht so recht, wie er sich verhalten soll. Während Guy Pearce als Alexander nur anfangs glaubhaft rüberkommt, ist Samantha Mumba als Mara ein offenbar bekiffter Teenager, dem jede Mimik fehlt. Der Sargnagel ist Orlando Jones als laufender Computer VOX, ein grässlicher Neueinfall der Drehbuchautoren, der nur für seine schlechten Zukunftsgags eingesetzt wurde. Ergo bietet "The Time Machine" zwar ordentliche Effekte, einen einigermaßen strukturierten Aufbau und einen zumindest anfangs spielfreudigen Guy Pearce, aber die aufkeimende Doofheit, die spätensten ab der vierzigsten Minute eintritt, tötet jede Kritik der Vorlage und macht mal wieder aus einem Klassiker einen Popcornfilm - der aber zumindest mehr IQ hat als andere Blockbuster.
4/10