Die Kritken sind schlecht, die Spezialeffekte reichlich, das Budget hoch - alle Voraussetzungen für einen Sommerblockbuster sind erfüllt. Nur, daß der Film halt im Frühling veröffentlicht wurde. Vielleicht ist das ja auch gleich der Grund, weswegen ihn im Kino keiner so recht wahrnehmen will.
Aber was viel schwerer wiegt ist sicher die Tatsache, daß es sich um ein Remake eines wirklichen Klassikers handelt, an dem die wenigsten Kritiker etwas Handfestes auszusetzen hatten und mit dem wir alle aufgewachsen sind. Da muß man sich schon Vergleiche gefallen lassen. Und tatsächlich hält der neue Film dem Vergleich nicht stand, weswegen man ihn aber noch nicht in die siebte Hölle verdammen muß.
H.G.Wells wäre sicher sehr stolz gewesen, hätte er geahnt, daß einer seiner Urenkel, Simon Wells, seine Geschichte einmal verfilmen würde. Allerdings hätte er sich sicher auch gewünscht, er hätte sich nicht daran verhoben, denn Wells schmiß kurz vor Ende der Produktion wegen Erschöpfung das Handtuch. Daß es kompliziert war, sieht man dem Film an.
Aber die Ansprüche waren auch extrem hoch gesteckt. Das Beste aus drei Welten sollte es werden: aus Wells Buch, dem George Pal-Film von 1960 und aus eigenen, neuen Ideen.
Muß ich noch erwähnen, daß man das Buch kaum wiedererkennt, der Pal-Film allgegenwärtig ist und die neuen Ideen auch die größten Schwächen der Neuauflage sind?
Dabei fängt es wahrlich vergnüglich an: der Zeitreisende, hier Alexander Hartdegen genannt, verliert um 1900 herum durch einen Räuber seine Verlobte. Die Szenen im altertümlichen London sind nicht nur flott inszeniert, sondern auch mit dem Blick fürs Detail umgesetzt worden. Die Figur des besten Freundes Filby ist beibehalten worden, diesmal gespielt von einem ausgezeichneten, aber leicht zu kurz kommenden Mark Addy (Ganz oder gar nicht, Ritter aus Leidenschaft), ebenso wie die treue alte Haushälterin (Emma Thompsons Mutter Phyllida Law).
Leider wird sich der flotte Inszenierungsstil schon bald rächen. Merkmal des überaus kurzen Films (selbst das Pal-Original war sieben Minuten länger) ist ein ständiges Aneinanderhängen von optischen oder actionreichen Höhepunkten, zwar ohne das der Film in totaler Hektik versinkt, aber auch ohne die nötigen wirkungsvollen Ruhephasen, die eine viktorianische klassische Vorlage nötig hat.
Wie falsch hier teilweise kalkuliert wurde, zeigt der erste Einsatz der Zeitmaschine. Nach dem Tod der Verlobten, konstruiert Hartdegen vier Jahre lang wie ein Wilder. Allerdings ahnen wir das nur, da er scheinbar vier Jahre sein Labor kaum verlassen hat. Er öffnet also kurz darauf einen großen Vorhang und steht sie dann. Er steigt auf, startet und Schnitt - willkommen in der Nacht vor vier Jahren.
Damit ist eine wesentliche Schwäche des Films schon gefunden. Es kommt zwar in diesem Film eine Zeitmaschine vor, jedoch rückt sie nie ins erzählerische Zentrum. Sie bleibt ein Hilfsmittel für Hartdegen, nicht der optische Mittelpunkt. Das Wunder der Zeitreise an sich scheint den Erfinder nicht zu kümmern, das Skript läßt ihn ausschließlich aus persönlichen Zwängen und Wünschen (Einsamkeit, rastlose Suche nach einer für ihn besseren Zukunft) reisen, ohne daß ein "erhabener" Plan dahinter stehen würde.
Erst als die Veränderung der Vergangenheit nicht gelingt (noch ein verschenkter Moment: Alan Young, der "Filby" von 1960 hat einen Auftritt als Blumenverkäufer, ist aber gerade mal zwei Sekunden im Bild und sagt einen Satz, was für eine Verschwendung...), entscheidet Hartdegen für die Zukunft und nun erst sehen wir die Maschine richtig in Aktion, ein kompletter, fx-geladener Start. Zu spät für die dramatische Konstruktion, obwohl das Gerät an sich sehr eindrucksvoll ist.
Die Reise wird dank Computertechnik zu einem kleinen FX-Traum, obwohl der Charme des Originals größer war. Reminiszensen gibt es genug, sogar die Kleiderpuppen im Ladenfenster sind kurz zu sehen. Doch es gibt auch hier keine Entwicklung, der Erfinder reist gleich ins Jahr 2030, ein erzählerisch sinnloser Abschnitt, der zu einem Besuch im Museum genutzt wird, wo das Vox-Info-System (ein gerade noch erträglicher Orlando Jones), ihm Infos über die Vergangenheit gibt (auch über seine) und gleichzeitig ein wenig Augenzwinkern verteilt, wenn es auch zum bisherigen Film nicht passen will.
Der nächste Abschnitt, nur sieben Jahre später, zeigt die Vernichtung der Erde, durch den auseinanderbrechenden Mond. Ja, liebe Leute, ihr habt es vielleicht schon gehört, die Sequenz mit den Mondtrümmern, die New York plattmachen, ist geschnitten worden wegen WTC und so, nur daß das nicht ganz wahr ist. Sie ist nämlich komplett raus. Nichts mehr ist davon da, nur noch der brechende Mond kann kurz begutachtet werden. Und das fehlt ungemein.
Ohne Pause geht die Hatz weiter ins Jahr 802701 und dort bekommt der Film den Knick nach unten. Ihr wißt ja noch von Pal: die Eloy und die Morlocks... und genau das haben wir hier. Die Eloys wohnen aus Sicherheitsgründen hoch oben in gewagten Konstruktionen an Felswänden, die Morlocks down under. Gelenkt wird das alles von PSI-Mutanten (einer pro Kolonie) , die die Morlocks ruhig halten und die Eloy zur Selbstverfütterung veranlassen. Warum die netten Eloys sich überhaupt dann soweit oben ansiedeln, bleibt mal offen. Die Zeitmaschine gerät zur Nebensache, sondern erst mal gibt eine Portion Paradies, ehe es zum Angriff der bösen Morlocks (die Jägertiere) kommt, die hier munter am Tag losrödeln.
Die Action ist zwar ordentlich, trotzdem sieht die gesamte Attacke aus, wie bei Planet der Affen geklaut und ist überhaupt viel zu lang.
Natürlich steigt der Held später in die Unterwelt, um seine Weena zu retten, natürlich ist Vox in einer Kaverne, die früher Bibliothek war, noch aktiv. Natürlich bekämpft Hartdegen den Morlock-Overlord, einen kaum erkennbaren Jeremy Irons, der wie eine Kreuzung zwischen einem Trek-Andorianer und einem überschminkten David Bowie aussieht (und auch mit dessen Stimme spricht).
Auch der Rest vom Film, der einen einigermaßen befriedigenden inhaltlichen Unterbau gegen Schluß erfährt, ist dann FX-Spektakel und pure Hektik cum Verfolgungsjagd. Leider gerät das Finale zum unlogischen Mumpitz, wenn Hartdegen die Maschine opfert (war eh nur nützliches Requisit) und die Folgen anscheinend richtig kalkuliert hat (vollkommen an den Haaren...ihr wißt schon...).
Außerdem wissen wir ja, daß das nur eine Kolonie war, weswegen wir die Idee von der Rettung der neuen Zivilisation eh nicht so ganz glauben wollen.
Gänzlich abwinken möchte ich aber bei der visuell schön eingefangenen Schlußeinstellung, als sich zeigt, daß Hartdegens Worte bei Filby offensichtlich doch eine Veränderung im Denken bewirkt haben und falls sich das fortsetzt, würde die Zukunft, in die Hartdegen gereist ist, vielleicht nie so geschehen, was seine Existenz auslöschen könnte; ein Fehler, den das Original vermieden hat.
Pearce ist ein wenig blaß als Hartdegen, wenn auch eine aktzeptable Wahl gegen den Strich, der jedoch mit sehr vielen Frisurwechseln die Kontinuität leicht strapaziert. Samantha Mumbas Weena ist sehr nett, aber in der schnell konstruierten Szenenabfolge auch nur Staffage. Irons sollte sich über seine Rollenwahl mal Gedanken machen, der Skuril-Schrott nimmt allmählich überhand.
Wie gesagt, es fehlt dem Film der epische Atem, den die Zeitreise bedingt, da macht allein der Off-Kommentar Rod Taylors im 1960er Original ein Faß auf (überhaupt einer der besten Off-Comments überhaupt) und der nötige Unterbau (Taylor suchte nach einer von Kriegen befreiten Menschheit, um dann einzusehen, daß es ohne Kampf kein Paradies geben wird).
Pearce' Hartdegen hat nur persönliche Motive, die der Film, immerhin, alle ordentlich abarbeitet. Natürlich gibt's logische Fehler (der Mond hätte größeren Schaden angerichtet, der perfekte Satzbau der Eloy bezüglich einer toten Sprache), aber der Film kommt immerhin auf den Punkt.
Aber das ist trotz aller Bemühungen zu wenig für einen wahren Filmfreund, denn "Time Machine" erlaubt keinen gewollten Spagat zwischen Popcorn-Event-Kino und anspruchsvoller SF. Vielleicht kann so etwas heute nicht mehr produziert werden, wenn es nicht in die Erfolgsformel hineinpaßt. Es ist fraglich, ob die fehlende Sequenz mehr gerissen hätte. So ist aber "The Time Machine" nur ein (recht teurer) und erträglicher Versuch, aber kein Meilenstein geworden. Aber auch nicht schlechter als "Tomb Raider" und "Planet der Affen". Eher ein Hauch besser. (5/10)