Einfach zum Heulen
Er liebt sie. Sie liebt ihn. Er zieht in den Krieg. Melodram-Routinier Lasse Hallström hat auf der Basis einer Nicholas Sparks-Schmonzette einen Film gedreht für all jene, die nur ins Kino gehen, um zu weinen und bloß keine höheren Ansprüche stellen.
„Das Leuchten der Stille" ist ein äußerst zuvorkommender und höflicher Film. Er erspart seinem Publikum die schwere Bürde, einer komplizierten, lebensnahen Geschichte mit mehrdimensionalen Charakteren und unerwarteten Wendungen folgen zu müssen, zielt aber dennoch darauf ab, den Zuschauer mit dem gleichen Gefühl aus dem Kino zu entlassen, das ihn ereilen würde, hätte er gerade eine tatsächliche tragische Romanze mit realistischen Figuren, gegriffen aus dem echten Leben gesehen. Niemals lässt „Das Leuchten der Stille" einen Zweifel daran, wohin diese Geschichte führen wird, was in den Figuren vorgeht und dass sie stets die Wahrheit sagen, aus der Tiefe ihrer Seele und so süß und poetisch, als seien ihre Sätze von einem Drehbuchautor vorformuliert. Derweil sind sie alle so fürchterlich nett und liebenswert, perfekte, noble Menschen, gebeutelt vom stürmischen Seegang des Schicksals, sodass es keine Gründe gibt, sich nicht mit ihnen zu identifizieren und von ganzem Herzen mit ihnen mit zu fiebern auf dem steinigen Weg durch die Irrungen und Wirrungen einer unsterblichen Liebe.
Es steckt kein Funken Leben in diesem Film. Während andere, gute Dramen berühren, indem sie eine Botschaft transportieren, eine Weltanschauung, Weisheiten über die Liebe und das Leben, die durch die Geschichte untermauert und greifbar gemacht werden, ist das einzige, was „Das Leuchten der Stille" am Herzen liegt, die Reaktion des Zuschauers. Ein Tränchen soll entlockt werden. Oder ein melancholisches Lächeln. Bittersüß, sanft und hoffnungsspendend soll sich der Verlust der Figuren auf das Gemüt des Publikums auswirken. So perfekt spielt Regisseur Lasse Hallström die Emotionsklaviatur - und das ist der größte Verdienst von „Das Leuchten der Stille" -, dass selbst der größte Zyniker Schwierigkeiten hat, sich der furchtbar simplen, aber furchtbar effektiven Manipulationsstrategien des Films zu erwehren. Ein Film ausschließlich für gedankenlose Träumer, die gerne im Kino weinen, bleibt „Das Leuchten der Stille" aber trotzdem.
Amanda Seyfried und Channing Tatum spielen hier Savannah und John, die sich Kennenlernen, innerhalb von 2 Wochen unsterblich ineinander verlieben und schließlich wieder auseinander gerissen werden, denn der patriotische John will seinen Dienst für sein Vaterland erfüllen. Romantische Liebesbriefe sollen die Zeit überbrücken bis John wieder in Savannahs Arme zurück findet, doch dann geschieht der 11. September, John beschließt seinen Dienst an der Waffe zu verlängern und der Zuschauer kann alle Hoffnung fahren lassen, dass die beiden Helden doch noch zusammen finden werden, denn sie sind gefangen in der Adaption eines Nicholas Sparks-Romans.
Sparks ist der Schmonzetten-König der amerikanischen Literatur-Welt, seine Bücher verkaufen sich wie Taschentücher. Schon 2002 lieferte er Nick Cassavetes die Vorlage für „The Notebook", der mittlerweile als der ultimative Heulfilm gehandelt wird. Sparks‘ Motive sind geradezu lächerlich schlicht und schöpfen aus dem unendlichen Fundus der Schmonzetten-Literatur, das herzerweichende Kennenlernen zwischen Savannah und John kommt etwa zu Stande, weil er sich todesmutig ins Meer stürzt, um ihre Tasche zu retten, an anderer Stelle kümmert sie sich rührend um seinen autistischen Vater (Richard Jenkins), von dem er sich im Laufe der Jahre entfremdet hat.
Dass „Das Leuchten der Stille" dennoch für all jene funktioniert, die sich auf derart manipulativen Kitsch einlassen wollen, liegt nicht zuletzt an Lasse Hallström, ein alter Hase im Verfilmen von sanften, dramatischen Stoffen. Mit sanften Bildern, sanften Dialogen und sanfter musikalischer Untermalung steuert er der Reißbrettartigkeit der Geschichte entgegen und hält seinen Film stets in einem melancholisch-dösigem Zustand, auf dem man dahin gleiten kann, wenn man denn möchte. Hier ist alles ecken- und kantenlos im Fluss, Stationen werden abgehandelt als wären sie gar nicht da. Der Weinerlichkeit seiner Vorlage ist sich Hallström bewusst, weshalb er die sentimentalsten Stellen einfach umschifft und somit verhindert, dass der Zuschauer durch allzu penetrante Tränendrüsendrückerei wach gerüttelt wird. Den Höhepunkt des 3. Akts etwa, Savannahs vorerst letzter Brief, in dem sie John mitteilt, dass sie einen Neuen hat und ihn schweren Herzens aufgibt, überantwortet Hallström dem Off, bevor es zu aufgesetzt rührselig werden könnte. Auch der Cast soll gelobt werden. Allen voran Richard Jenkins brilliert als autistischer Vater mit Leidenschaft für Münzen. Channing Tatum und insbesondere Amanda Seyfried - die schöne blonde Newcomerin, die gut daran täte, sich mehr Stoffe wie Atom Egoyans „Chloe" zu suchen, die ihrem Talent auf Augenhöhe begegnen - spielen so authentisch wie es ihre Pappfiguren zulassen.
An Dingen wie dem auffälligen Lokalkolorit oder dem nicht vorhandenem Umgang mit Themen wie Krieg oder dem 11. September, sollte man sich während all dem nicht stoßen. In der Welt von Nicholas Sparks sind diese Themen nicht von Bedeutung, es sind schlicht und einfach Plotpoints, Mechanismen des Genres wie eine ins Meer fallende Tasche oder ein autistischer Vater, die es auf dem Weg zur Tränendrüse zu bewältigen gilt. Wie auch das Böse hier immer nur das ist, was das omnipräsente, allmächtige Gute für eine Weile unterbricht. Und niemals umgekehrt.