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Wenn einem die Auflösung eines Psycho-Thrillers bereits nach einigen Minuten trotz seiner intensiven Verschleierungstaktik nur so um die Ohren gepeitscht wird, ist auch ein Meister-Regisseur wie Martin Scorsese am Ende seiner inszenatorischen Künste.
Obwohl. Unter seiner Regie erscheint die Geschichte zumindest nie langweilig.

Es ist die Story über die titelgebende Insel, auf der eine Anstalt für geistesgestörte Kriminelle errichtet wurde. Anno 1954 werden die Marshalls Teddy Daniels (Leonardo DiCaprio) und sein neuer Kollege Chuck Aule (Mark Ruffalo) dorthin beordert, um das Verschwinden einer Patientin aufzuklären. Oder lösen sie am Ende das Rätsel einer ganz anderen Wirklichkeit?

Uups, mit dem letzten Satz bereits zuviel vorweggenommen? Eingefleischte Genre-Fans hoffen tatsächlich, es möge anders kommen, man bemüht sogar etwas abstruse Twists während des Sehens, aber es kommt, wie nach etwa 30 Minuten erwartet. Denn trotz aller Finten, kann auch Scorsese das Sub-Genre nicht neu erfinden, womit Spannung und Mitfiebern weitestgehend unter den Tisch fallen.

Natürlich werten namhafte Gesichter wie Ben Kingsley und Max von Sydow (jeweils Psychiater) das Geschehen merklich auf, das Set-Design ist durchgehend beeindruckend und Scorsese setzt zweifelsohne eine versierte Kamera an, um die Insel, die zwischenzeitlich in Sturm und Regen zu versinken droht, in ein adäquates Licht zu setzen.

Doch was nützt es, wenn demgegenüber der Score nahezu aufdringlich Dramaturgie zu erstampfen versucht, der Blue Screen in mindestens einer Szene (offenes Auto fährt durch sonnendurchfluteten Wald) fast schon lächerlich wirkt und diverse Flashbacks (oder nennen wir sie mal vorsichtig „Wahrnehmungen“) in ihrer Symbolik völlig überladen daherkommen.
Marty, wir haben den Braten meilenweit gegen deinen Sturm auf der Insel gerochen, da punktet allenfalls deine allerletzte Einstellung, die die Geschichte noch einmal auf den Kopf zu stellen versucht, aber das lässt sich auch als leidliches Entgegenkommen für Vielseher werten.

Langweilig ist der Stoff deshalb nicht, weil das Package größtenteils stimmt.
DiCaprio performt beeindruckend, der Gang zu Station C (in der die besonders gefährlichen Patienten untergebracht sind) lässt die Beklemmung menschlicher Abgründe spürbar werden und die Erscheinungen seiner verunglückten Frau (eine Hauptfigur benötigt nun mal mindestens ein Trauma…) wurden überwiegend gefällig verpackt.
Auf atmosphärischer Ebene stimmt die Sache also, doch den vorhersehbaren Plot Twist gegen Ende auch noch zu visualisieren, ist fast schon als Eingeständnis ans schwache Script zu werten.

Was hat es also mit dem Leuchtturm auf sich, was mit den Erlebnissen im KZ Dachau, kann eine kleine Kletterpartie an den Felsen gut gehen und können heimlich untergeschobene Bemerkungen während einer Befragung durch den Marshall tatsächlich ernst genommen werden?

Das Ding ist unterhaltsam, keine Frage, doch bei einem wie Scorsese erwartet man nun mal etwas mehr, als nur eine gefällige Verpackung.
Mit den fast 140 Minuten Laufzeit beweihräuchert er sich fast selbst, als dass er diesem Subgenre noch einmal einen Kick verpassen könnte.
Von daher: Meisterlich verpackt, aber am Ende bleibt nicht mehr, als ein nett anzuschauendes Psychodrama, welches nun mal viel zu leicht zu enträtseln ist.
6,5 von 10

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