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Vom mißhandelten Ghetto-Kid und Klein-Dealer aus dem sozialen Brennpunkt Berlin-Tempelhof zum gefeierten und millionenschweren Superstar der deutschen Rapper-Szene: Bushidos Biographie "Zeiten ändern Dich" ist die deutsche Antwort auf den amerikanischen Traum - *Vom Tellerwäscher zum Millionär* - und  von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"-Regisseur Uli Edel zu einer weichgespülten und abgedroschenen Sozialschmonzette mit Hang zur unfreiwilligen Komik inszeniert.

Produzent Bernd Eichinger, der Bushidos Biographie als *Inspiration* für sein eigenes Drehbuch nahm, eifert Hollywood-Maßstäben nach, doch wie so oft bei einer deutschen Produktion ist vieles nur gewollt und nicht gekonnt.
"Zeiten ändern Dich" ist die auf ein Minimum gestraffte Softcore-Version von Bushidos Biographie und krankt vor allem an ihrem *deutschen* Inszenierungsstil - *deutsch* in seiner reinsten Form: ein *heißes Eisen* anpacken, ein kontrovers diskutiertes Buch als Aufhänger nutzen und letzten Endes nicht die Eier haben, die Härte der *literarischen* Vorlage auf die große Leinwand zu bringen.

Stattdessen nutzt Eichinger den aktuellen Hype um den Skandal-Rapper und seine *literarischen* Ergüsse, melkt die Bushido-Kuh, presst zahlungskräftigen Fans des Rappers das Geld aus der Tasche und stilisiert einen vorbestraften Dealer und Schläger zum großen Vorbild unserer Jugend.
Man könnte meinen, Eichinger hätte mit Bushido ordentlich einen durchgezogen, denn einer solchen fragwürdigen Existenz wie Bushido auch noch ein filmisches Denkmal zu setzen ist schon eine Frechheit, die nur im Dilirium entstanden sein kann.

"Zeiten ändern Dich" ist eines jener Werke, die man am liebsten nach den ersten zwanzig Minuten wieder ausschalten möchte. Eine klare Linie ist zunächst kaum zu erkennen, die Szenenabfolgen und Handlungsschnitte sind zusammenhanglos und konfus, diverse Zeitsprünge und Schauspielerwechsel innerhalb verschiedener Zeitebenen erschweren es der Handlung zu folgen. Personen und Ereignisse werden ohne nähere Erläuterung in die Handlung eingebaut und viele Szenen erscheinen dem Zuschauer ohne Buchkenntnisse unschlüssig - so dass viele Fragen unbeantwortet bleiben.
Beispiel: Arafat, eine bekannte und respektierte Größe in Berlin, ebnet Bushidos Karriere, bleibt aber im Film als Person genauso mysteriös wie im Buch. Die Beziehung zwischen Bushido und Arafat wird angerissen, was die beiden darüber hinaus verbindet bleibt ein unangetastetes Geheimnis.
Stationen Bushidos musikalischer Karriere werden im Schnelldurchlauf in Form eines rasant geschnittenen News-Clips zusammen gefasst, der Rest des Films konzentriert sich auf Bushidos näheres Umfeld: seine erste große Liebe, seine ersten Kontakte zur Rapper-Szene, sein enges Verhältnis zu seiner Mutter und seine gestörte Beziehung zu seinem Vater.

Die angewendete Gossensprache nervt sehr schnell, vor allem weil man den Darstellern anmerkt, dass sie ihre Rollen nicht leben. Vieles wirkt wie krampfhaft gestellt und kann den Zuschauer letzten Endes nicht überzeugen und schon gar nicht berühren.
Jeder *Tatort* ist in der Schilderung gesellschaftlicher Randgruppen und sozialer Brennpunkte authentischer als diese Verfilmung. Mag das Dargestellte sich tatsächlich so oder so ähnlich abgespielt haben, so wirkt es auf der großen Leinwand mehr wie eine Satire als das fesselnde Portrait eines Underdogs, der als *Mischlingskind* gegen Vorurteile ankämpfen muss und sich bis nach oben durchschlägt.

Das wäre ja alles noch vertretbar gewesen - doch Uli Edel inszenierte hier nicht etwa eine Neuverfilmung von Hans Falladas Aufsteiger-Ballade "*Ein Mann will nach oben*", sondern eben die jungen Jahre des Anis Mohamed Youssef Ferchichi alias Bushido.
Und der kommt nicht durch ehrliche Arbeit nach oben - nein! Mit Drogen-Deals - und das Startkapital für den Einstieg in das ganz große Geschäft bekommt er von Mama.
Ohne jeglichen (selbst-)kritischen Ansatz tischen uns die Herren Edel und Eichinger eine mehr als fragwürdige Moral von der Geschichte auf: *Haste was, biste was - Haste nix, biste nix* und der Zweck heiligt die Mittel: um jemand zu sein wird dann einfach mal eine kriminelle Laufbahn eingeschlagen.
Und ansonsten besteht die Tagesfreizeit des *Aufsteigers* lediglich aus - um in der Gossensprache dieser filmischen Entgleisung zu bleiben - *ficken*, kiffen, Graffiti und Bushidos merkwürdiger Definition von Respekt.
Nach Bushidos Lebensweisheit ist Respekt nichts anderes, als jemanden, der einen schief ansieht *die Fresse zu polieren*. Respekt ist aber auch, fremdes Eigentum mit Graffiti zu beschmieren.
Und ja! Anis hat es tatsächlich in seinem Leben zu etwas gebracht und das auch nur, weil er sein verpfuschtes Dasein zu Rap-Songs verarbeitet hat. Herzlichen Glückwunsch, Herr Eichinger! Bei solch einer Moral darf man sich heutzutage nicht mehr wundern, wenn man in der S-Bahn zum Krüppel oder sogar halbtot getreten wird.

Bei solchen gravierenden Mängeln im Drehbuch und auch einer mangelhaften Schauspielführung durch Regisseur Edel bleibt es nicht aus, dass die deutsche Schauspielprominenz weit hinter ihren Möglichkeiten bleibt:
Moritz Bleibtreu als Wasserpfeifen-Junkie Arafat ist austauschbar und setzt keinerlei Akzente. Katja Flint und Uwe Ochsenknecht verkommen zu Karrikaturen, die den unfreiwilligen Humor und Satire-Charakter dieser Verfilmung noch zusätzlich unterstreichen, während Hannelore Elsner als *Mama Bushido* die einzige Schauspielerin ist, die in ihrer Darstellung zu überzeugen weiss.

Und die finale Versöhnung am Brandenburger Tor zwischen todkrankem Vater und Sohn setzt dem angeblichen Drama noch eine dicke Schmalzkrone voller Rührseligkeit auf.

Tja, und wenn sie nicht gestorben wären...

"Zeiten ändern Dich" - in letzter Zeit gab es kaum einen Film, der mich hinterher so beschäftigt hatte wie dieser Meilenstein deutscher Filmkunst!
Anfangs ein schwer verdaulicher, kaum erträglicher Stoff, der in der zweiten Hälfte zunehmend interessanter wird.
Die Message des Films ist und bleibt fragwürdig - da gibt es trotz leidlichen Unterhaltungswerts nichts zu rütteln.
Herr Eichinger kann froh sein, dass er in Frieden ruht, ansonsten hätte ich aufgerufen, ihn auf dem Marktplatz steinigen zu lassen.
Nach Bushidos Moralvorstellung und Ehrenkodex doch durchaus legitim - oder habe ich während des Films etwas mißverstanden?

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