Eine vierköpfige Familie zieht von den Vereinigten Staaten nach Spanien, in die Gegend, in der Vater Mark als Kind aufwuchs. Ihr neues Heim ist ein großes, altes und leicht abgelegenes Haus, das vor allem der jugendlichen Regina und dem kleinen Paul nicht ganz geheuer ist. Mark und seine Frau Maria sind jedoch guter Dinge und tatsächlich scheinen sich zu Beginn alle einzuleben. Doch schon nach kurzer Zeit schlägt die Stimmung plötzlich um und etwas unheimliches, bösartiges nimmt seinen Lauf. Mark verhält sich immer aggressiver und wird zusehends unberechenbarer, während der kleine Paul immer wieder mit blauen Flecken aufwacht und Bilder von toten Kindern malt, denen die Kehle aufgeschnitten wurde. Einzig Regina ist es, die das Geschehen mit dem unheimlichen Haus in Verbindung bringt, weshalb sie mit der Hilfe eines Freundes Nachforschungen anstellt. Dies bringt sie auf die Spur eines Geheimnisses, das bis in die Vergangenheit ihrer Familie zurückreicht und entsetzlicher nicht sein könnte...
Eine Familie, die in ein altes Haus zieht und dort mit beunruhigenden Vorgängen konfrontiert wird, das klingt nach einem klassischen, wenn auch etwas ausgelutschten Plot für einen Horrorfilm. Auch die spanisch-amerikanische Koproduktion Darkness aus dem Jahr 2002 bedient sich dieses althergebrachten Aufhängers, um auf dessen Grundpfeilern etwas ganz anderes in den Mittelpunkt zu rücken: die Urangst des Menschen vor der Dunkelheit. In durchaus atmosphärischen Bildern erzählt Darkness eine in Ansätzen interessante Geschichte, die zwar nicht so klischeehaft wie erwartet, dafür aber auch recht abstrus daherkommt. Dennoch änderte dies nichts an der Tatsache, dass sich Darkness nach seinem Erscheinen zu einem regelrechten Geheimtipp unter den Horrorfilmfans entwickelte und seinem Regisseur Jaume Balagueró einiges an Beachtung einbrachte. Inzwischen zählt Balagueró zu den bekannteren Horror-Regisseuren Spaniens und konnte zuletzt mit dem Überraschungserfolg [Rec] auf sich aufmerksam machen.
Darkness nun kritisch zu betrachten, ist keine ganz einfache Aufgabe, da die großteils positiven Rezensionen um diesen Film durchaus nachvollziehbar sind. Als reiner Horrorfilm erfüllt der Streifen seine Pflicht zweifellos. Er hat eine beklemmende Atmosphäre zu bieten und wartet mit so manchen eindrücklichen Szenen auf, die man so schnell nicht wieder vergessen können wird. Und doch sind es die feinen Nuancen, die den Gesamteindruck des Films letztendlich doch trüben und ihn somit ins Feld der durchschnittlichen Horrorfilme zurückwerfen. Als Hauptaugenmerk muss geltend gemacht werden, dass der Zuschauer hier zu keinem der vier Hauptprotagonisten eine wirkliche Sympathie aufbauen kann, was jedoch ein elementarer Baustein eines funktionierenden Horrorstreifens ist. Im Falle von Darkness wird dem Publikum jedoch eine Reihe von Abziehbildern vorgesetzt, die außer ihrer individuellen Bestimmung im Film keinerlei tiefergehenden Charakter aufweisen. Hinzu kommt, dass das Grundgeflecht der Familie von Streit und zwischenmenschlicher Kälte durchzogen zu sein scheint. Sowohl Vater Mark, als auch Mutter Maria wirken ihren Kindern gegenüber sehr lieblos, was, gemeinsam mit der allgegenwärtigen Dunkelheit, der klaustrophobischen Enge des Hauses und einem ständigen Regen für eine trostlose, pessimistische Grundstimmung sorgt.
Auch die Story selbst wird die Zuschauer sicherlich in zwei Lager spalten. An dieser Stelle soll zwar nicht zu viel vorweg genommen werden, doch es sei verraten, dass Darkness keinesfalls mit einer all zu typischen Geistergeschichte aufwartet, auch wenn derartige Erscheinungen auch hier eine große Rolle spielen. Immer wieder huscht, den Protagonisten unbemerkt, ein schwarzer Schatten durchs Bild oder materialisiert sich eine unheimlich anzusehende Gestalt im Hintergrund, was durchaus für den einen oder anderen Schauer sorgt und zudem die Frage aufwirft, was es denn nun mit dem offensichtlich vom Bösen beheimateten Haus auf sich hat. Die letztendliche Auflösung ist dann jedoch reichlich phantastisch geraten und dürfte sich vor allem für Freunde des subtilen Grauens als regelrechter Stimmungskiller erweisen. Zwar möchte man den Drehbuchschreibern hier für ihren Einfallsreichtum gratulieren, dennoch outet sich Darkness eben spätestens dann als ziemlich typischer Horrorfilm, wenn er mit einem furiosen und effektreichen Höhepunkt enden muss, der etwas konträr zu dem langsam aufgebauten Grauen in der ersten Hälfte steht.
So bleibt letztlich ein zwiespältiges Gefühl zurück. Obwohl Darkness im Ansatz funktioniert, spielt er nicht all seine Trümpfe geschickt aus. Trotz einer Freigabe ab 16 Jahren sei hiervon aber jedem mit schwachen Nerven abgeraten. Anstelle von Blutvergießen fungiert hier die Dunkelheit in all ihren Facetten als Überbringer des Horrors, weshalb Darkness wohl als die ultimative Schocktherapie für Menschen mit Nyktophobie, der Angst vor Dunkelheit, durchgeht. So manche Szenen beeindrucken und verstören gleichermaßen durch die Effizienz ihrer Einfachheit, so zum Beispiel die, in der ein Mann unruhig durch eine endlos scheinende U-Bahn Station läuft, bis plötzlich ein Licht nach dem anderen hinter ihm erlischt und er schließlich mit einem Schrei von der Dunkelheit geschluckt wird. Gegenüber der Gänsehautgarantie solcher Szenen steht jedoch ein bestenfalls routiniert agierender Cast, der mit Anna Paquin, Lena Olin und Iain Glen zwar bekannte Namen aufweist, seine Akteure aber im zweiten Gang agieren lässt. Dies passt sich somit dem Gesamtbild eines Films an, der in Ansätzen zwar unheimlichen und stimmigen Horror serviert, letztendlich aber an einer zu überspitzten Auflösung seiner Story einiges an Einbußen hinnehmen muss. Wer jedoch eine Phobie vor Dunkelheit hegt und sich ungeachtet der restlichen Qualitäten eines Films mal wieder so richtig gruseln möchte, der darf hier ohne Bedenken einen Blick riskieren.
Darkness
Spanien, USA 2002, 98 Min.
FSK: 16
Regie: Jaume Balagueró
Darsteller: Anna Paquin, Lena Olin, Iain Glen, Giancarlo Giannini, Fele Martínez, Stephan Enquist, Fermín Reixach, Francesc Pagés, Craig Stevenson, Paula Fernández, Gemma Lozano, Xavier Allepuz