„Die Regierung der Vereinigten Staaten verhandelt nicht mit Terroristen!“
Mit dem experimentellen Thriller „Buried – Lebendig begraben“ versuchte sich der spanische Regisseur Rodrigo Cortés („The Contestant“) im Jahre 2010 an der bis dato konsequentesten filmischen Umsetzung der menschlichen Urangst vor dem Lebendig-Begraben-Sein. Der Film entstand in spanisch-US-amerikanisch-französischer Produktion.
Der Konvoi des US-amerikanischen Lastwagenfahrers Paul Conroy (Ryan Reynolds, „Amityville Horror“) wurde im Irak von Aufständischen überfallen. Conroy findet sich in einem Holzsarg unter der Erde wieder, ertastet ein Feuerzeug, mit dessen Hilfe er sich in seinem engen Gefängnis umsehen kann und hört ein Handy klingeln, das man ihm hineingelegt hat. Verzweifelt versucht er, Hilfe herbeizutelefonieren. Plötzlich ruft sein Entführer an, fordert, dass er innerhalb weniger Stunden fünf Millionen Dollar Lösegeld organisiert und dass er mit dem Handy ein Video dreht, in dem er um die Summe bittet. Doch die USA verhandeln nicht mit Terroristen und die Ortung seines unfreiwilligen Aufenthalts gestaltet sich schwierig – derweil wird die Luft immer knapper...
„Buried – Lebendig begraben“ beginnt mit einem schwarzen Bild. Man hört ein Husten und sieht jemanden mit einem Feuerzeug leuchten. Conroy befreit sich von seinem Knebel, löst seine Fesseln an einem Sargnagel und ruft verzweifelt um Hilfe. So beginnt Cortés’ Film, der sich dem absoluten Minimalismus verschrieben hat. Abgesehen von einer Dame (Ivana Miño) in einem Handyvideo kommt er mit Reynolds als einzigem Schauspieler aus. Der Ort bleibt auf den Sarg beschränkt und die Geschichte wird in erster Linie anhand der Dialoge erzählt. Conroy ruft den Notruf an, versucht, seine Frau und weitere Personen zu erreichen und bekommt oftmals lediglich die Mailboxansagen zu hören. Seinem Arbeitgeber spricht er auf die Mailbox und als er das FBI erreicht, wird die Verbindung unterbrochen.
Conroys missliche Lage, die ihm nur minimalen Handlungsspielraum erlaubt, wird zum Überlebenskampf, für den er Panik und andere nur allzu menschliche Emotionen und Reaktionen nach Möglichkeit kontrollieren muss, um keine entscheidenden Fehler zu begehen. Sein Feuerzeug zehrt den Sauerstoff auf, seine Telefonate gehen zu Lasten des Handyakkus. Daraus bezieht der Film seine Dramaturgie bei völligem Verzicht auf Außenaufnahmen, Rückblenden oder andere Stilelemente. Kameramann Eduard Grau jedoch gelingt es, das Kammerspiel mit einer ungewöhnlich dynamischen Fotografie zu versehen, deren zahlreiche Perspektiven dem Sarg zeitweise seine Wände zu nehmen scheinen. Auf einen statischen oder wackligen, an Found-Footage-Realismus angelehnten Look verzichtete man also, was auch die (effektive) eingestreute Filmmusik des Komponisten Victor Reyes verdeutlicht.
Und die Situation spitzt sich zu: Nach knapp einer Stunde lässt sich Cortés zu einer Action-Einlage hinreißen, indem er eine Schlange im Sarg auftauchen lässt, die Conroy mit Feuer zu bekämpfen versucht. So fragwürdig es auch ist, wo plötzlich das Reptil herkommt – nervenaufreibend ist’s allemal. Zu allem Überfluss erfährt er auch noch telefonisch von seiner fristlosen Kündigung, womit der Film die Frage nach dem Wert des Lebens eines Arbeiters stellt und die unsensible „Hire & Fire“-Politik von Unternehmen kritisiert.
Ansonsten hält sich „Buried – Lebendig begraben“ aber mit Kommentaren zum Zeitgeschehen zurück, wenngleich er sein Sujet in die Folgen des US-amerikanischen Angriffskriegs gegen den Irak bettet. Man konzentriert sich vornehmlich auf Conroy und seine persönliche Situation, erfährt ein wenig – nicht viel – über den Entführer und dessen kriegsbedingtes Schicksal und belässt es schließlich dabei. Weder gibt sich Conroy als sonderlicher Patriot zu erkennen, noch lässt man den Entführer politische Ziele verfolgen. Damit verbrennt sich Cortés kaum die Finger, wenngleich der Krieg als Auslöser für Conroys Überlebenskampf benannt wird. Kaum minder barbarisch vermutet andererseits das Verhalten seines Entführers an. Conroy indes interessiert das alles herzlich wenig, denn längst rieselt unablässig Sand in seinen Sarg hinein...
Das Finale und die Pointe lasse ich natürlich unerwähnt, doch beides hat es in sich und rüttelt manch nach einem langen Arbeitstag ob der dunklen, oftmals lichtlosen und damit erneut schlicht schwarzen Bilder und der einen oder anderen Länge ermüdeten Zuschauer wieder wach. Obwohl zeitweise auch das andere Extrem bedient wird und man etwas dick aufträgt, kann das Experiment als geglückt betrachtet werden, denn tatsächlich gelingt es Reynolds mit seinem emotionalen Talent, den Film mit seinem 90-minütigen Solo-Auftritt zu tragen. Für Klaustrophobiker dürfte „Buried – Lebendig begraben“ demnach ein einziger Alptraum sein und aufgrund seiner künstlerischen Reduziertheit und Zuschneidung auf die finale Pointe hält sich die Motivation, diesen Film häufiger als ein einziges Mal zu gucken, in Grenzen – dieses eine Mal jedoch kann eine gleichsam bedrückende und beeindruckende Kino-Erfahrung sein.
Überrascht hat mich allerdings auch, welch guten Empfang so ein Handy auch unter der Erde in einer Holzkiste hat...