"Il terrorista" beginnt mit einem Terrorakt. Drei Männer befinden sich im Hinterraum einer venezianischen Kirche im Jahr 1943, wo sie vom Pfarrer der Gemeinde bei ihrem Vorhaben unterstützt werden. Sie ziehen deutsche Wehrmachts - Uniformen an, verstecken einen Sprengsatz in einer Flasche Wein, die zu einer größeren Weinlieferung an das deutsche Hauptquartier gehört, aktivieren diesen und begeben sich mit einer Gondolfiere auf Nebenkanälen zu ihrem Ziel. Einer von ihnen, ein Deutschlehrer, übergibt in perfektem Soldatendeutsch die Lieferung an die Besatzungsmacht. Nur kurz nachdem sie über einen der vielen Kanäle wieder verschwunden sind, explodiert die Bombe.
Angesichts der Tatsache, dass sich dieses Attentat einer kleinen Widerstandsgruppe gegen die Besatzungsmacht richtete, scheint der Titel des Films "Il terrorista" unzutreffend, aber Regisseur und Autor Gianfranco De Bosio verdeutlicht mit dieser Bezeichnung, dass es ihm nicht um eine historische Einordnung aus der Sicht des Jahres 1963 ging, sondern um das Ansehen der Widerstandskämpfer im Jahr 1943. Diese hatten nicht nur mit den Deutschen zu tun, sondern auch mit den italienischen Faschisten, die mit diesen gemeinsame Sache machten. Entsprechend war die Propaganda geschaltet, die die Attentate als Terroranschläge auf unschuldige Menschen geisselte und damit Massenverhaftungen und standrechtliche Erschiessungen legitimierte. Dadurch fehlte den Widerstandkämpfern auch die mehrheitliche Rückendeckung in der Zivilbevölkerung.
Das De Bosio in seinem ersten Film so konkret an diese Phase erinnerte, hat vor allem damit zu tun, dass der Film stark autobiografisch geprägt ist, da er als junger Mann selbst im Widerstand war. Entsprechend authentisch, fast intim fällt der Blick auf die kleine Gruppe von Verschwörern und ihre Schwierigkeiten. Zudem kann der Film nicht De Bosios Vorliebe für das Theater leugnen, an dem er zur Entstehungszeit seines ersten Films schon mehr als 10 Jahre Regiearbeiten ausgeführt hatte. Bis auf die wenigen, gut choreografierten Attentatsszenen, ist der Film sehr sprachlastig und verfügt über teilweise sehr lange theaterartige Dialogszenen. Allein das Zusammentreffen der führenden fünf Männer unmittelbar nach dem zu Beginn geschilderten Attentat ist eine fulminante, jede Perspektive ausleuchtende, fast halbstündige Diskussion über den Sinn und die Legitimation dieser Attentate.
De Bosio beschreibt die komplexe Struktur der Widerstandszelle durch den Verzicht auf einen herausragenden Protagonisten, auch wenn der Ingenieur Braschi (Gian Maria Volontè), der für die Organisation der Attentate zuständig ist, die auffälligste Figur darstellt. Es gelingt De Bosio dadurch, eine zwar nicht zahlenmässige, aber charakteristische Breite in der Widerstandsbewegung darzustellen, die sich aus allen Teilen der Bevölkerung zusammen setzt. So vertritt jeder der fünf Führungsköpfe eine andere Partei, die das komplette Spektrum ohne Mussolinis Faschisten abdeckt, weshalb es zu teilweise vehementen Auseinandersetzungen zwischen der christlichen, der liberalen oder kommunistischen Partei kommt. Der Film macht damit deutlich, wie schwer es den aus dem Bürgertum stammenden Vertretern fiel, Widerstand zu leisten. Und wie sehr sie auch darunter litten, zu Mitteln zu greifen, die sie sonst selbst als verbrecherisch betrachteten.
Auch bei den Ausführenden der Attentate oder dem Ingenieur fehlt jede heroische Attitüde. Im Gegenteil schildert De Bosio Menschen, die sich aus Angst zurückziehen oder zu Verrätern werden. Die gesamte Situation, in der sich die Widerstandskämpfer befinden, erscheint hoffnungslos. Durch die nur schwer zu anderen Zellen herzustellenden Kontakte, fehlt jede übergeordnete Planung. Die kritische Haltung der Bevölkerung und die rigorose Verfolgung durch die Behörden erlaubt zudem keinerlei Erfolgserlebnisse oder das Gefühl von Fortschritt. Ausserdem herrscht selbst innerhalb der Zelle Uneinigkeit über die anzuwendenen Mittel. Auch das eigene Privatleben findet nicht mehr statt, wie De Bosio in einer Szene verdeutlicht, in der der Ingenieur nach 3 Jahren zum ersten Mal seine Frau (Anouk Aimeè) wieder sieht.
"Il terrorista" ist ein in jeder Hinsicht aussergewöhnlicher Film über die Widerstandsbewegung in einem diktatorisch regierten und besetzten Land, da er sich ausschließlich mit den Widerstandskämpfern beschäftigt. Die deutsche Besatzungsmacht oder die italienische Polizei kommen nur in wenigen Szenen als anonym handelnde Personen vor. Dadurch vermittelt De Bosio noch mehr den klaustrophobischen Zustand, in dem sich die kleine Gruppe befindet, die über keine sicheren Rückzugsbereiche verfügt. Auch in der Schilderung der inneren Zerrissenheit der Widerstandskämpfer, der Uneinigkeit in den politischen Zielen und ihrer Umsetzung, erkennt man den Verzicht auf jegliche historische Verklärung, die 1963 schon längst in der allgemeinen Meinung vorherrschte.
Trotzdem lässt De Bosio keinen Zweifel an der Leistung und dem Mut dieser Männer aufkommen, die unter schwierigsten Bedingungen und oft gegen ihre anerzogenen Überzeugungen, Widerstand gegen ein unmenschliches System und ihre Vertreter leisteten. Viel mehr ist der Titel "Il terrorista" und die Art der Umsetzung als Kritik an einem Großteil der Bevölkerung zu verstehen, die damals keineswegs Sympathien für diese Männer hegte, aber inzwischen deren Taten durch Glorifizierung zur eigenen Beruhigung nutzt. Leider ist "Il terrorista" zu Unrecht in Vergessenheit geraten, auch weil der Film sich durch seine theaterartige, sprachintensive Inszenierung wenig an populären Mustern orientiert. An seiner inhaltlichen Aussage hat sich bis heute nichts geändert (9/10).