1994 erschien mit To Live and Die in Tsim Sha Tsui ein damals trotz Starbesetzung eher durchschnittlich beachtetes Werk von Andrew Lau als Regisseur und Wong Jing als Produzent, dass heutzutage aufgrund seines eben nicht vorhandenen Rufes und auch wegen mangelnder Distribution weitgehend unter dem Radar verschollen ist. Der Film hat außer dem gleichen Titel, der sich nur auf einen anderen Stadtteil Hongkongs bezieht und dem identischen Thema in und um die Triaden nichts mit dem vorliegenden Werk 15 Jahre später zu tun, zeichnet aber trotzdem indirekt entscheidend die Veränderungen auf, die seitdem relativ rapide und dennoch nachhaltig entstanden sind.
Regisseur Lau schuf kurz darauf mit der Young and Dangerous Reihe, die neben ein spätes Prequel auch über ein Dutzend Fortsetzungen sowie locker ebensoviele spin-offs und Trittbrettfahrer verfügte, die eklatanteste Umarbeitung im Subgenre, bei der neben der Darstellung der expressiven Funktion der Sprache und der Selbstdarstellung der Figuren als jugendhafte, der Straße verbundene Idole vor allem auch die rhetorische Norm der Actionszenen verändert wurde. Vom einstigen bullet ballett ging man seitdem fast nur noch auf die großangelegten Messerstechereien über, bei denen sich bevorzugt mit angestrengt zitternder Kamera mitten in den choreographischen Tumult hineingestürzt und weniger ganze Szenenfolgen als vielmehr vermeintlich dramatischen Gewitter gefilmt wurde.
Produzent Wong Jing legte kurz vor dem Millennium noch einen Abgesang auf die einst ureigene Gattung dar, ein vorläufiges Schlußlied von der Verklärung, in der mit reiferen Darstellern und ein wenig mehr Hochglanz ansonsten die gleichen Geschichten in selber Form aus einem elegischen Blick heraus erzählt wurden und hielt sich seitdem bis auf Ausnahmen aus dieser nicht mehr sonderlich gefragten, oft modellhaft vereinfachten, produktionsästhetisch zunehmend biederen Konzeption zurück.
Mit To Live and Die in Mongkok erfolgt ein selten gewordenes Beispiel um die immer noch und wohl auch ewig gleichen Problematiken im ständigen Kampf um Macht und damit verbunden auch Geld; eine Produktion, die sich in der Wahl einiger Darsteller alle Mühe gibt, als etwas Anspruchsvolleres dazustehen als man tatsächlich ist, und sowohl eine reflektierende als auch abstrahierende Distanz einbringen möchte, der man ebenfalls nicht gerecht wird. Diese Schizophrenie, in der man völlig in der niederen Situation verbleibt, die man eigentlich ändern und darüber hinausstehen will, färbt sich auch auf die Identifikationsfigur ab, deren Identität selber in Bezogenheit und Unbezogenheit gespalten ist. Eine implizierte Steuerungstechnik in naiver Gleichsetzung, die die wechselseitige Aufhebung der Pläne aufdeckend :
Chan Chi-fai [ Nick Cheung ], Spitzname "Crazy Fai", sitzt nach einem Amoklauf gegen eine feindliche Bandengang seit fast 30 Jahren im Stanley Prison ein, wo er sich zum Selbstschutz unbewusst sein zweites Ich in Form von Fai Junior [ Tang Tak-po ] der jüngeren Ausgabe von sich geschaffen hat. Als Fai von seiner die ganzen Jahre ihn vertretenen Anwältin Han [ Chan Lai-wan ] auf Bewährung von seiner eigentlich lebenslänglichen Haft freigekämpft wird, hat er alle Mühe, sich in seinem alten, nun vollends umgestalteten Stadtviertel Mongkok zurechtzufinden. Auch der ihn im Auftrag des einstigen Bandenbruders Porky [ Willie Wai ] vom Gefängnis abholende "Kid" [ Juno Leung ] ist wegen seines jungen Alters und der Unbeholfenheit keine großen Hilfe, und die Mutter Charity [ Pau Hei-ching ] leidet an Demenz. Fai bemüht sich trotz seiner psychischen Krankheit um ein geordnetes Leben, kümmert sich um die von Porky in Bedrängnis geratene, von Zuhälter Johnny [ Wong Jing ] halbherzig beschützte Prostituierte Pamela [ Monica Mok ] und ihre geistig zurückgebliebene Schwester Penny [ Natalie Meng ], wird allerdings sowohl von dem ihn einst verhaftenen Polizisten Gunner Yu [ Liu Kai-chi ] als auch den ehemaligen Kollegen um Uncle Harry [ Wilson Tong ] bedrängt. Die Wahl zum Chairman steht an, und neben Porky hat es vor allem der wesentlich gesitteteter agierende und auch auf legale Weise das Geld hereinbringende Peter [ Patrick Tam ] auf die Vorherrschaft abgesehen.
Während der Film danach wesentlich ruhiger wird, ohne gleich vollends an Fahrt zu verlieren, prasseln sämtlich wichtige, zeitlich annähernd simultan ablaufende und eingehende Informationen gerade zu Beginn auf den Zuschauer ein, was mit split screen Aktionen, eifrig Hin und Her gehenden Telefonaten und weiteren überlagernden Kommunikationssystemen wie rasch ablaufenden Montagen unter die Haube gebracht wird. Dabei strebt man ein eher tief angelegtes Maß an Artikuliertheit an, wirkt in seinen Gebaren und dem situativ Plausiblen reichlich schlicht bis versucht vulgär und möchte dem Ganzen gerne ein schichtenspezifisch realistisches Aussehen verleihen. Das Leben auf den Straßen des Viertels als eine permanente Bedrohung, aus deren Bereich man auch nicht entfliehen kann. Fai träumt zwar desöfteren davon, hatte schon als Kind den Hoffnungen nachgejagt, die am Horizont entschwebt sind , sieht sich aber jetzt wieder in rechtlicher Freiheit immer noch als Sträfling seiner eigenen Existenz. Nur für ihn sichtbare Gitter und Zäune sowie ein imaginärer Gefängniswärter halten ihn davon ab, der einstigen Vergangenheit und jetz gar nicht zu ihm gehörenden Gegenwart Abschied zu sagen und sich anderswo weitab ein neues Leben zu schaffen. Return to a Better Tomorrow ?
Letztlich kommt es in schon intuitiv gewordener Generalisierung natürlich, wie es kommen muss; bis dahin darf man sich immerhin einem die Möglichkeiten aufblitzen lassenden Ende und an dem überbevölkert engen Mikrokosmos eher nicht so sympathischer Gestalten erfreuen, die zwar allesamt für den Kriegseintritt gerüstet sind, diese Absichten aber lieber aus moderm gewordener Zaghaftigkeit umgehen und das vielleicht eintretende Arrangement eines Bandenkrieges kommentieren möchten. Für ein schon als konflikthaft definiertes Drama im selbstauferlegten Anspruch nicht ernstzunehmend und so auch nicht überzeugend genug, wobei auch die sonst erst kürzlich in vorherigen Arbeiten gelobten Schauspieler nicht das spezielle Quentum Leistung beibringen können. Für eine auktoriale Selbststilisierung trotz einzelner Momente punktueller Einschnitte nicht experimentierfreudig genug [ Co-Regisseur Billy Chung schuf mit seinen beiden auf high definition gedrehten, nur im Heimsektor ausgewerteten Vorgängern Undercover und Hong Kong Bronx nicht nur bildtechnisch schon Interessanteres, im Auftrag von Andrew Lau respektive Wong Jing übrigens ]. Und für einen Actionfilm alter Tradition nie auf Angriff plädierend genug und auch nicht deren formale Mittel nutzend.
In der Hinsicht ist das Bedauern und Betrauern von Filmheld Fai direkt und Filmemacher Wong Jong indirekt auch nicht wirklich zu verstehen, zumindest nicht im Kontext Desjenigen, der für diese Aussage verantwortlich ist: Mehrere Male wird der Wunsch nach einem speziellen Kino geäußert, welches schon lange nicht mehr existiert. Und ebenso, wie diese einstige Lichtspielstätte vom Erdboden verschwunden ist, genauso wurden die damals geliebten Filme gleich mit abgerissen, wundert sich Fai nun über die Produktionen vom Festland, die stark gesunkene Zuschauerzahl und das allgemeine Desinteresse gtegenüber der alten Leidenschaft. Ob Wong Jing, der momentan sehr wohl gerade sehr gut im Geschäft mit dem Mutterland steckt und sich auch nicht entdreistet, die Poster seiner aktuell erfolgreichen Produktion [zum Zeitpunkt des Drehs: On His Majesty's Secret Service] zweimal direkt in die Kamera zu halten, dies ernst meint oder nicht, sei einmal hinausgestellt. Ein wenig seltsam wirkt es schon, und gerade To Live and Die in Mongkok wird an den Zuständen überhaupt nichts ändern.