"Das Bataillon der Verlorenen" nimmt in Francesco Rosis Werk scheinbar einen Ausnahmestatus ein, denn anstatt sich der italienischen Gegenwart zu widmen, wie es Rosi vehement in einer Vielzahl von Filmen tat, die sich sehr kritisch mit den politischen Verhältnissen Im Land auseinandersetzten, greift er hier auf ein Szenario aus dem 1. Weltkrieg zurück, dass er zudem noch mit Massenszenen und Schiessereien effektvoll inszenierte. Im Gegensatz zu dem plakativen deutschen Titel verrät der Originaltitel "Uomini contro" mehr über Rosis Intentionen, denn letztlich geht es wie in fast allen seinen Filmen darum, sich gegen Unrecht aufzulehnen und Zivilcourage zu beweisen, auch oder gerade innerhalb restriktiver Systeme.
Die Handlung mitten im Krieg spielen zu lassen und damit in einem stark hierarchisch geprägten Umfeld, ermöglichte Rosi, seine Idee von der Auflehnung gegen eine reaktionäre Gesellschaftsform in reinster Form zu verfolgen. Das Drama, dass sich hier entwickelt, erinnert stark an Kubricks Weltkriegsdrama "Wege zum Ruhm" mit den kilometerlangen Schützengräben, die der Stellungskrieg hervorgebracht hatte, und mit dem ehrgeizigen General, der wider besseren Wissens für ein paar Meter Landgewinn tausende Soldaten in den sicheren Tod schickt. Auch der Widerstand, der sich daraus entwickelt, ähnelt Kubricks Vorgehensweise, aber Rosi ist politischer und stellt nicht nur den Krieg in Frage (wie es Kirk Douglas bei Kubrick als hoher Offizier tut), sondern das gesamte gesellschaftliche System.
Der Aufbau des Films verfolgt anders als bei Kubrick ein klassisches Revolutionsszenario, beginnend mit einer zunehmenden Unzufriedenheit bei der Bevölkerung (hier Soldaten), eklatanten Ungerechtigkeiten der Herrschenden (hier in der Figur des Generals Leone (Alain Cuny)), mit denen diese ihre Macht mit zunehmender Härte verteidigen, dem dann folgenden Ausbruch der Revolution bis zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Anders als in "Wege zum Ruhm" wird dieser Aufstand nicht von einem hohen Offizier angeführt, der zudem noch auf dem Parkett der Oberbefehlshaber zu Hause ist, sondern von Leutnant Sassu (Mark Frechette) und Leutnant Ottolenghi (Gian Maria Volontè), jungen Offizieren ohne großen Einfluss.
Sie sind Teil eines italienischen Bataillons, das gegen die österreichische Armee kämpft. Schon die ersten Szenen verdeutlichen, in welch schlechtem Zustand sich das Bataillon befindet. Ein Deserteur kann nur deshalb festgenommen werden, weil er glaubte, die österreichische Armee vor sich zu haben, als er sich versehentlich seinen eigenen Leuten ergab. Auch die meisten anderen Soldaten wirken vom ewigen Stellungskrieg zermürbt und desillusioniert. Diesen Eindruck betont Rosi noch durch die karge, von unzähligen Gräben ausgemergelte Landschaft, über die die Soldaten ohne die von den Vorgesetzten so gerne gesehene eiserne Disziplin entlang schlurfen. Nicht erstaunlich, dass General Leone angesichts dieses „Haufens“ sofort zu unerbittlichen Disziplinmaßnahmen greift und einen Hornisten erschießen lassen will, weil dieser das falsche Signal gegeben hätte. Doch Leutnant Ottolenghi lässt ihn laufen und täuscht die Tötung nur vor – schon zu diesem frühen Zeitpunkt macht Rosi klar, dass es zu einer Konfrontation kommen wird.
Im Vergleich zu Kubricks Film erkennt man die marxistisch geprägte kritische Haltung Rosis, die auch dem Entstehungszeitraum des Films während des Vietnamkrieges 1970 geschuldet ist. Die Verwerflichkeit des Krieges steht bei ihm nicht mehr zur Disposition, sondern nur noch die Möglichkeit, sich gegen dessen Mechanismen aufzulehnen. Anders als bei Kubrick, wo eine Person - selbst hoher Offizier und Intellektueller - sich für seine Untergebenen wegen des Vorwurfs der Feigheit gegenüber dem Feind vor Gericht für diese einsetzt, damit sie nicht standrechtlich erschossen werden (was er immerhin teilweise verhindern kann), entsteht die Befehlsverweigerung bei Rosi direkt gegenüber dem Vorgesetzten, als dieser noch auf dem Feld die Bestrafung wegen des abgebrochenen Angriffs durchführen will. Als Leutnant Sassu die Waffe gegen seinen Vorgesetzten zieht, riskiert er nicht nur Einfluss und Karriere (wie in „Wege zum Ruhm“), sondern sein Leben.
Obwohl beide Filme eine sehr ähnliche Geschichte erzählen, erkennt man schon an der unterschiedlichen zeitlichen Gewichtung die jeweilige Intention. Bei Kubrick sind die Geschehnisse in den Schützengräben nur das Vorspiel für eine lange Gerichtsverhandlung, die er für die Sezierung der Charaktere der Führungsoffiziere nutzt, um damit deren menschenverachtende Sichtweise offen zu legen. Bei Rosi ist die Gerichtsverhandlung nur der finale Akt, an dessen Ausgang es keinen Zweifel gibt. Dagegen entwickelt er langsam die Beweggründe, die letztlich zu dem Widerstand gegenüber dem General führen, und die ein Bild von Rosis fatalistischer Einstellung geben, die neben der Kritik an den Umständen auch immer die Unmöglichkeit, dagegen etwas zu unternehmen, beinhaltet. Dabei gesteht er seinen Kämpfern gegen das Unrecht – egal ob in einem zeitgenössischen Mafiafilm oder hier an der Front – persönlichen Mut zu, aber er macht auch klar, dass deren Möglichkeiten, sich gegen eine mächtige Organisation durchzusetzen, äußerst begrenzt sind, was er in „Bataillon der Verlorenen“ auch damit verdeutlicht, dass kein System hinter dem Aufstand steckt, sondern nur spontane Handlungen.
Sehr schön ist das in einer der spannendsten Szenen des Films zu beobachten, als Leutnant Sassu den General an einen Aussichtsposten führt, von dem er aus die Front beobachten kann. Zuvor hatte er von seinen Soldaten erfahren, dass ein österreichischer Scharfschütze genau in diesen schmalen Sichtspalt schießen kann. Trotz des Wissens über die akute Lebensgefahr, verhindert Sassu nicht, als General Leone durch den Spalt blicken will. Doch ausgerechnet in diesem Moment ist der Scharfschütze nicht auf seinem Posten. Sassus Handlung war ein Versuch, sich des Generals zu entledigen, ohne dafür zur Verantwortung gezogen werden zu können. Es steckte weder eine kritische Ideologie noch ein bewusster Plan dahinter, sondern eine unmittelbare Reaktion auf extremes Unrecht.
Man sollte Rosis fatalistische Darstellung nicht mit einer Kapitulation vor den Verhältnissen verwechseln. Im Gegenteil will er damit auf die Überlegenheit des Gegners aufmerksam machen und die zwingend notwendige Schlagkraft einfordern, die nötig ist, um dagegen etwas zu unternehmen (in seinem Fall gegen den Vietnamkrieg). Das Scheitern der Protagonisten soll zusätzlich aufzeigen, dass der unorganisierte Widerstand nicht zum Erfolg führen kann. Darin unterscheidet sich „Das Bataillon der Verlorenen“ grundsätzlich von Kubricks „Wege zum Ruhm“, denn dieser propagiert trotz des teilweisen Scheiterns den Sieg der humanistischen Denkweise, den Rosi ohne solidarische Gegenbewegung nicht für möglich hält.
Auch ohne politische Brille muss man aus heutiger Sicht konstatieren, dass Rosi mit seiner Darstellung sehr realistisch blieb. Dazu vermeidet er im Film jeglichen abenteuerlichen Charakter, wie er oft unter dem Deckmäntelchen des „Anti-Kriegsfilms“ verborgen ist. Die Kämpfe zeigen ausschließlich das unheroische Abschlachten von Menschen und lassen keinen Moment der Befriedigung zu. Auch im Verhalten untereinander verzichtet der Film auf übliche romantisierende Kameradschaftselogen. Selbst die beiden jungen Offiziere sind sich in ihrer Art fremd, was Rosi noch damit unterstützt, dass er vor allem Sassu trotz seines Handelns nicht zur Identifikationsfigur aufbaut, sondern ihn eher sperrig im Charakter belässt.
Das „Das Bataillon der Verlorenen“ heute kaum noch bekannt ist, geschweige denn seine verdiente Anerkennung erhält, hat mehrere Beweggründe. Rosis wenig emotionale Schürung des Konflikts verleiht dem Geschehen sowohl optisch als auch von der Story her einen abstrakten Gestus, der seine persönliche politische Sicht untermauern sollte. Sassus standrechtliche Erschießung zum Schluss erzeugt deshalb keine Trauer über den Tod einer Person, sondern nur Abscheu gegenüber einem System (ganz anders als zuletzt im US-Film über „Graf von Stauffenberg“). Aus heutiger Sicht verfehlte Rosi damit eine emotionale Bindung zum Publikum, die siech über die Identifikation mit dem Einzelnen entsprechend solidarisiert, aber stattdessen wurde sein Film trotz seiner eindeutigen politischen Haltung ein Beispiel für eine differenzierte Darstellung (9/10).