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Wer mit Sherlock Holmes in Form von Europa-Hörspielen und Verfilmungen mit Basil Rathbone groß geworden ist, muss fortan umdenken und den Meisterdetektiv auch als Actionhelden akzeptieren.
Das fällt insofern nicht schwer, als dass Robert Downey Jr. die perfekte Besetzung für einen solchen Charakter verkörpert: Verschroben, analytisch vorgehend und doch mit dem notwendigen Augenzwinkern ausgestattet, wenn sein rationales Vorgehen den einen oder anderen Haken mit sich bringt.

Bei dieser Geschichte liegt keine literarische Vorlage von Conan Doyle zugrunde und inhaltlich fühlt man sich fast wie bei einem James Bond anno 1891 in London.
Lord Blackwood wird von Holmes und Watson dingfest gemacht und gehängt, doch kurz darauf ist seine Leiche verschwunden, während hohe Politiker, aber auch Mitglieder eines mystischen Ordens das Zeitliche segnen…

Regisseur Guy Ritchie hat für seine Interpretation des klassischen Detektivstoffes einen gesunden Mittelweg eingeschlagen, bei dem er viel wert auf das Ambiente des viktorianischen Londons legt, in dem sich die Tower Bridge noch im Aufbau befindet und die teilweise düsteren Gassen eine bedrohliche Stimmung ausstrahlen. Dazu gesellt sich ein phasenweise rasanter Inszenierungsstil mit Zeitlupen, Inserts und zahlreichen Soundeffekten, der innerhalb der Temposzenen jedoch gut aufgeht.
Zum Miträtseln bietet die Geschichte zwar nicht allzu viele Ansätze, dafür kaschieren schlagfertige Dialoge und knackige Kampfszenen.

Denn Holmes beherrscht durchaus die Kampfkunst des Bartitsu und wendet diese in zahlreichen Auseinandersetzungen an. Jene hilft gegenüber einem französischsprachigen Koloss zwar nur bedingt, aber man kann sich ja auch eine Teslaspule zunutze machen.
Das ist eben jene Mischung: Akribisch beobachtend, schlussfolgern und bei schonungsloser Offenheit auch mal ein Glas Wein im Gesicht riskieren, denn Watson bandelt immerhin mit der Verlobten an, was den eifersüchtigen Holmes entsprechend tangiert.
Auf der anderen Seite ist Holmes die vertraute Gestalt, die man bereits in Basil Rathbone sah, spätestens, wenn er das Verhalten von Fliegen im Glas zum Geigezupfen studiert oder in kleinere Verkleidungen schlüpft: Innovativ auf der einen, vertraut auf der anderen Seite.

Bei der Geschichte liegt wiederum fast der Verdacht nahe, auf Biegen und Brechen diverse Plot Twists auf der Basis von übersinnlichen Elementen herbeiführen zu wollen, was gegen Ende an manchen Stellen arg in die Hose geht und derbe Logiklöcher sichtbar werden lässt.
James-Bond-Stoff eben, nur reichlich zeitversetzt.
Auch bei einigen Figuren sind Abstriche zu machen, denn Holmes Gespielin Irene Adler kommt in den literarischen Werken in nur einer Geschichte vor und wird hier viel zu breit getreten, ohne jedoch einen ausreichenden Hintergrund in der Konstellation aufzuweisen.
Moriarty fehlt hingegen fast gänzlich und die Verbindung zu Watson hinkt auch an einigen Stellen.
Das mag aber auch darauf beruhen, dass sich Jude Law in der Rolle zwar redlich müht, doch viel zu jung ist und nicht stoffelig genug handelt, damit das Buddygespann durchweg funktioniert.

Wer eben glänzend funktioniert ist Robert Downey Jr., der in der vielschichtigen Figur des Sherlock Holmes voll aufgeht und nicht zu unrecht jüngst mit dem Golden Globe geehrt wurde. Der Mann trägt die Chose, trotz kleinerer Längen im Mittelteil, locker im Alleingang und macht aus Holmes eine charismatische Figur, die man wieder sehen möchte und wieder sehen wird (Stichwort: Moriarty).

Man darf also gespannt sein, wie sich die Sache entwickeln wird, denn auch wenn die grundsolide gefilmte Action (Kampf im Schiffdock) von einem grandiosen Score eines Hans Zimmer unterlegt ist, so mangelt es doch hin und wieder an charmanten Intermezzos, da man doch stark aufs Visuelle setzt und die Interaktionen der Figuren etwas oberflächlich und distanziert streift.
Jener hier ist auf jeden Fall einen Blick wert, denn Holmes bietet einen starken Heldencharakter, den man innerhalb einer ausgeklügelten Geschichte wohl deutlich mehr zu schätzen wüsste…
7,5 von 10

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