London gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Meisterdetektiv Sherlock Holmes und seinem Partner Dr. Watson gelingt es endlich, den Serienmörder Lord Blackwood zu fassen, der bei okkulten Ritualen bereits fünf junge Frauen getötet hat. Doch kurz vor seiner Hinrichtung macht Blackwood Holmes klar, dass noch etwas viel Größeres im Gange ist. Drei Monate später der Schock: der mit dunklen Mächten im Bunde stehende Blackwood ist von den Toten widerauferstanden. Währenddessen bittet Holmes' ehemalige Liebe, die Kriminelle Irene Adler, um Hilfe...
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Erdacht von einem, gespielt von vielen, beliebt bei allen. Oder zumindest bei genügend Lesern und Zuschauern, dass man die Figur des Sherlock Holmes als zeitlos bezeichnen kann. 1886 verfasste der schottische Arzt und Schriftsteller Arthur Conan Doyle erste Entwürfe eines rational und analytisch denkenden Detektives namens Sherrinford Holmes, dem beim Lösen seiner Fälle allein sein Verstand und nicht Väterchen Zufall genügen sollte. Sherrinford wurde schließlich in Sherlock umbenannt, sein Partner Ormond Sacker in John Watson und der erste Fall des Knoblers und des Doktors wurde als A Study in Scarlet in Beeton's Christmas Annual publiziert. Die Popularität der Figur stieg allerdings erst 1891 mit der ersten kürzeren Geschichte A Scandal in Bohemia, veröffentlicht im The Strand-Magazin. Der Rest ist Geschichte, Holmes ermittelte in 56 Kurzgeschichten und vier Romanen und bestand zahlreiche Bühnen-, Leinwand- und Fernsehabenteuer, zum Teil auf Doyles Material, zum Teil auf Eigeninterpretationen basierend. Vom beliebtesten Darsteller Basil Rathbone, über berühmte Namen wie Jeremy Brett, Christopher Plummer oder Christopher Lee, bis hin zu neueren Verfilmungen mit Rupert Everett und Richard Roxburgh, Sherlock Holmes hat die Bühne nie verlassen.
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Eine großangelegte Neufassung für die Lichtspielhäuser scheint da durchaus sinnhaft. Mit Robert Downey jr. setzte man auf einen Schauspieler, mit dem man momentan einfach nicht falsch liegen kann, da der wiedergeborene Hollywoodstar spätestens seit seinem Auftritt als Comicheroe Iron Man (2008) nichts mehr falsch machen zu können scheint und sich zur Freude jeden Filmfans nun voll auf das Ausschöpfen seines außergewöhnlichen Talents konzentriert. Die Vergabe des Regiestuhls an Guy Ritchie überraschte da schon mehr, hatte der Brite bisher doch weder Erfahrungen mit annähernd in dreistelliger Millionenhöhe budgetierten Blockbuster-Produktionen, noch hatte er in den vergangenen Jahren seinen mit Bube, Dame, König, GrAs (1998) und Snatch (2000) erworbenen Ruf als Regiewunder bestätigen können. Nach dem Disaster Swept Away (2002) hatte er jedoch mit Revolver (2005) und Rock N Rolla (2008) wenigstens einigermaßen zurück in die Spur gefunden und seine Fähigkeiten stehen eigentlich weit außerhalb des einmaligen Vollausrutschers außer Frage. Nach Sherlock Holmes kann man feststellen, dass sowohl die todsichere Wahl, als auch die nicht ganz so selbstverständliche sehr gut aufgehen.
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Das Ritchies Variante dabei andere Akzente, als verrätselt-kopflastige setzt, macht mit Druck und Tempo bereits die Eröffnung klar, und das Ganze so schön stimmungsvoll, dass einem nicht in den Sinn käme, es als negativen Aspekt zu werten. Holmes muss nicht lange gebeten werden, er ist bereits mittendrin, hetzt durch die nachtgeschwängerten Straßen Londons, angetrieben von Hans Zimmers Score, der sich in den ersten Klängen noch ein bißchen nach The Dark Knight-Resteverwertung anhört, aber sehr schnell einen ganz eigenen urigen Charme entfaltet. Eine der sich im Trailer abzeichnenden Gewöhnungsbedürftigkeiten stellte der faustkämpfende und mit Polizeistöcken wirbelnde Holmes dar, allerdings macht gleich seine erste Konfrontation deutlich, dass Ritchie den verstandsorientierten Detektiv keinesfalls zur besinnungslos prügelnden Karachowalze umorientiert hat. Holmes geht jeden Schlag, jede Wirkung genau durch und koordiniert seine Bewegungen nach der maximalen Effektivität, was in seiner Umsetzung dem Charakter (und nach Ritchies Meinung und jener der Drehbuchautoren auch der literarischen Vorlage) voll gerecht wird, wenn es ihn in seiner Wehrhaftigkeit natürlich auch eher zum Action-, denn zum Kriminalhelden macht.
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Eine weitere in Richtung Vorlagentreue abzielende Korrektur offenbart sich in der Beziehung zwischen Holmes und seinem Freund Watson. Etablierten Basil Rathbone und Nigel Bruce in ihrem ersten von insgesamt vierzehn gemeinsamen Auftritten, Der Hund von Baskerville (1939), einen Umgang, bei dem sich Holmes‘ Genialität auch über das eher gutmütige und etwas schlichte Gemüt seines Partners zum Ausdruck brachte, ist der Watson in Sherlock Holmes ein gänzlich gleichberechtigter Begleiter, der dem exzentrischen Detektiv in Sachen Gesellschaftsverträglichkeit sogar weit voraus ist. Dieser Watson gibt Kontra und kennt bei aller Brillanz doch jede menschliche Schwäche Holmes‘. Dieser weiß nach der Verhaftung und nahenden Hinrichtung Blackwoods nicht wohin mit sich selbst und seinem überlegenen Verstand und dümpelt in Stagnation und tumben Experimenten dahin. Zudem will Watson das gemeinsame Haus in der Baker Street verlassen und mit seiner zukünftigen Mary unter ein Dach ziehen. Das passt dem geradezu eifersüchtigen Holmes gar nicht und bei einem Kennenlernessen versucht er Mary als gänzlich ungeeignete Wahl zu entlarven. Wenn sie auch nicht allzu weit geführt wird zeigt sich darin, in der Bürde seines untrüglichen Wissens, eine sehr spannende Dimension des Charakters Sherlock Holmes, der nicht aus seiner Haut kann und die Verbrechensbekämpfung und die Auseinandersetzung mit seinen Partner nötig hat, um seine Talente in eine sinnvolle, fordernde Richtung kanalisieren zu können.
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Elementar, um solche Dimensionen überhaupt erkennbar werden zu lassen, ist natürlich das Zusammenspiel der Hauptdarsteller - und das funktioniert zwischen Robert Downey jr. und Jude Law großartig. Da man mit Sherlock Holmes nicht einem gängigen Trend hinterhergehechelt ist und das Ganze nicht zu einer Art Holmes Begins oder Watson Origins gemacht hat, begegnet man den beiden an einem Punkt, an dem sie voll aufeinander eingestimmt sind, was Downey jr. und Law so gut transportieren, als hätten sie überhaupt noch nie ohneeinander vor der Kamera gestanden. Das Gebalge der beiden bewegt sich auf hohem Niveau und schmiert zu keiner Zeit in Richtung billiger Zoten ab und man merkt jeder gemeinsamen Szene an, wie die beiden Stars ihr Spiel an dem des jeweils anderen empor ziehen. Das macht die Beziehung Holmes‘ und Watsons glaubhaft und in den richtigen Momenten amüsant und dramatisch und steht damit in der Tradition unterhaltsamer Buddy Movies.
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Nachdem Holmes seinen Frust bei einem barenuckle fight ablässt (und ja, selbst der fügt sich passend in den Film ein), nimmt die schnieke Irene Adler mit ihm Kontakt auf und Blackwood steigt aus seiner Gruft. Im Grund baut nun alles Folgende auf einzelnen Szenen an verschiedenen Schauplätzen auf, an denen Holmes allein, Holmes mit Watson, Holmes mit Irene oder alle drei an verschiedenen Hinweisen herumrätseln. Das macht den Mittelteil bis in den Showdown hinein recht austauschbar und bei einer Sichtung des Films auf DVD könnte man die Kapitel wohl wild durcheinander anschauen, da die jeweiligen Lösungen sowieso erst zum Schluss präsentiert werden und bis dahin beim Miträtseln eigentlich fast egal ist, warum die Helden gerade da und da agieren. Dass der Spannungsbogen unter dieser leicht einsetzenden Willkürlichkeit nicht allzu sehr zu leiden hat ist den hervorragenden, atmosphärischen Sets und dem auf beeindruckende Weise am Computer und in Handarbeit entstandenen Handlungsort London an sich zu verdanken. In Sherlock Holmes wird dabei nicht auf verklärte Nostalgie gesetzt, die Schauplätze sind meist dreckig und unaufgeräumt, dabei aber auch detailverliebt und auf ihre altmodisch enttechnisierte Art ansehnlich. Die im Aufbau befindliche Tower Bridge, keuchende Kutter auf der Themse und die Silhouette des nächtlichen Londons, es gibt einiges zu entdecken. Reine Actionszenen, wie eine wüste Prügelei, die im unfreiwilligen Stapellauf eines unfertigen Schiffes endet, dosiert Ritchie sparsam, inszeniert aber sehr mitreißend und ohne hektische Schnittgewitter oder wildes Kameragewackel. Die bereits in vorigen Reviews zu Werken Ritchies erwähnte Homogenität des gezeichneten Milieus behält er auch bei Sherlock Holmes bei und modernisiert den Stoff nicht darüber hinaus, macht daraus weder Blockbusterware vom Wühltisch, noch eine weitere Variation seiner Bube, Dame, König, GrAs-erprobten Motive. Ritchies Regie ist reif, was in seinem Fall nicht bedeutet, dass er seinen visuellen Einfallsreichtum abgelegt hätte und sich auf traditionelle Muster verlässt, er kanalisiert ihn nur, ähnlich wie seine Hauptfigur, in sinnvolle Bahnen.
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Dass Sherlock Holmes gegen Ende ein wenig verflacht und der Showdown gegen manch andere vorangegangene Szene den Kürzeren zieht, lässt sich verschmerzen. Wenn Holmes schließlich den Fall rekapituliert und die Auflösungen präsentiert ist dieser und jener „Aha!"-Moment schon noch drin, dennoch hat man den Eindruck, bis hierhin einfach zwei, drei Szenen, bzw. neun, zehn Minuten Film zu viel intus zu haben. Da aber Downey jr. vom Anflug dieses Phänomens verschont bleibt genügt seine Performance, um einen natürlich trotzdem bis zum Abspann mit den Augen auf der Leinwand zu halten. Ob seine Version des Meisterdetektives irgendwann zu den klassichen gehören wird, das lässt sich selbstverständlich (trotz GoldenGlobe-Auszeichnung) noch lange nicht sagen. Die Augenlider am Zwinkern zu hindern, um wirklich jeden seiner Momente voll zu erfassen, dazu ist man in jedem Fall geneigt. Jude Law erweist sich als perfekte Ergänzung, womit zumindest sämtliches Rüstzeug für die Erschaffung eines legendären Duos in etwaigen Fortsetzungen in den Händen der Produzenten liegt. Rachel McAdams spielt hier insgesamt weniger kraftvoll, als zuletzt neben Russell Crowe im Politthriller State of Play (2009), wird vom Buch aber auch löblicherweise nicht auf reines Eye Candy beschränkt. Mark Strong hat als Lord Blackwood relativ wenig Screentime und wenn er zu sehen ist, dann meist düster dreinblickend. Ihm hätte man sicher mehr abverlangen können, im Zuge dessen, dass sehr deutlich auf einen künftigen Gegner hingewiesen wird, wollte man aber wohl nicht gleich im ersten Film einen allzu mächtigen Schurken. Eddie Marsan als wenig heller Inspektor Lestrade und Kelly Reilly als Watsons angebetete Mary spielen, sobald sie gefordert sind, gut mit Downey jr. und Law.
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Das Ende von Sherlock Holmes ist mit der gleichen untrüglichen Selbstsicherheit, die seinem Titelhelden eigen ist, auf ein Wort ausgelegt: Sequel! Das könnte man arrogant nennen, schließlich hätte ein finanzieller Misserfolg jeden Weg zu einer Fortsetzung verbauen können, letztlich verdient sich Guy Ritchies Film dieses Vorrecht der Unabgeschlossenheit aber durch viele vorhandene Qualitäten. Die Londoner Straßen, die vielen Verweise auf den kommenden Schurken, die ungelöste Frage, wie sich Dr. Watson entscheiden wird, Downey jr.‘s unwiderstehlicher Auftritt - man wird gern in's London England des 19. Jahrhunderts zurückkehren. Doch noch einmal zurück zum Auftakt: Sherlock Holmes ist sehr feines Unterhaltungskino, das über alle im Vorfeld geäußerte Skepsis, ob Action und der Detektiv zusammenpassen, erhaben ist, indem es zumindest die Prügeleinlagen in den Kontext der Intelligenz des Helden setzt und es insgesamt nicht mit Feuer und Explosionen übertreibt. Wenn dann allerdings mal etwas explodiert, so passiert dies gleich mal in einer Szene, die man auch am in weiter Ferne liegenden Ende des Filmjahres 2010 noch im Gedächtnis haben wird. Und da wird sich wohl auch der Film an sich einnisten.