Review

"Carnival of souls" - ein Titel der mir erstmal nur durch ein eher überflüssiges Image Comic über vier geschminkte Musiker bekannt war. Doch mit der Selbstzelebrierung der Glam-Rocker KISS hat der Lowbudget-Streifen aus den 1960ern dann doch so gut wie gar nichts zu tun (bis auf den titelgebenden Carnival natürlich). Doch macht das den Film besser?

Um diesen Film zu bewerten gibt es zwei Möglichkeiten: Die eine wäre es, die geistige Festplatte zu formatieren und sich auf Niveau und Wissensstand der 60er Jahre zu begeben. Vergessen wir Syamalansche Wendungen und Lynchsche Morbidität, vergessen wir 50 Jahre Kinogeschichte und sehen die Filmwelt durch die Augen eines unbefleckten Kindes. Dann, ja ich gebe es zu, gewinnt "Carnival of souls" gewaltig. Die Geschichte reisst uns ob ihrer Unvorhersehbarkeit von den Socken, lässt uns staunend zurück und wir werden die nächten Stunden mit nichts anderem als der Analyse dieses "Meisterwerks" verbringen, dass es mit winzigem Budget geschafft hat uns sowohl stimmungs- als auch handlungstechnisch völlig zu überraschen, gefangen zu nehmen und zu begeistern. 

Ja, so könnte es gewesen sein. Doch nun betrachten wir einmal den Carnival aus der heutigen Sicht. Und da sieht es dann doch eher düster aus (nicht die Stimmung des Films). Schon in den ersten 3 Minuten wird auch dem letzten Boll-Fan klar sein, in welche Richtung die Handlung fortgesetzt wird. Nichts aber auch gar nichts wirkt überraschend. Die Handlung wird quälend langsam ausgewalzt und überflüssig gestreckte Szenen finden sich zu Hauf. Nichts gegen eine langsame Exposition der Charaktäre, nur wenn man ihnen gar so wenig Hintergrund mitgibt (storybedingt nur wenig mitgeben kann) bringen all diese Wiederholungen der Darstellung einzelner Charakterzüge weder Film noch Zuschauer weiter. Jeder mit dem Psychiater gewechselte Satz  entzaubert das finale Mysterium, stößt das Publikum praktisch mit der Nase darauf. Dazu kommen zwei weitere Faktoren die der Stimmung den letzten Rest Düsternis rauben. Da wäre einmal die Musik - wobei man sich da natürlich vortrefflich darüber streiten kann - die in meinen Augen äußerst unanhörlich ist. Für einen großen Fan Bernhard Herrmanns beeindruckenden Psycho-Soundtracks ist dieses unmotivierte, getragene Orgelgedudel nur schwer goutierbar. Zumal manche Szene wie die Begeisterung von Pfarrer und Putzfrau ob des eher lustlosen Spiels ihrer neuen Organistin eher von unfreiwilliger Komik ist. Zweiter Minuspunkt ist die Kamera. Während man einige Schauplätze, etwas die karge Pension und den verfallenen Rummelplatz atmosphärisch ausgesucht hat, werden sie leider nur in den seltensten Fällen adäquat fotografiert. Meist beschränkt sich der Kameraman auf sterile und vor allem ideenlose Aufnahmen, von denen nur einige wenige positiv herausstechen. 

Dem Seelenkarneval liegt eine für damalige Verhältnisse schon recht inovative und interessante Idee zu Grunde, wobei wir allerdings nicht vergessen sollten, dass unsere Vorväter mitnichten abgefahrene Storywendungen nicht gewohnt waren. Allein E.T.A. Hoffmanns "Elixiere des Teufels" (dessen Verfilmung ich hier ausdrücklich empfehlen möchte) besitzt mehr Wendungen, Stimmungen und (un)interpretierbare Szenen als das Lynchsche Gesamtwerk. Halten wir also die Generation der Carnival-Kinobesucher nicht per se für unbeschriebene Blätter in Sachen "weird stuff". Zumal - und auch das sollten wir bei der Bewertung nicht vergessen - die Handlung nicht mehr als eine Episode der alten "Twilight Zone" hergibt. Großes Kino sieht dann doch anders aus. Interessantes leider auch.

Auf 30 Minuten komprimiert sicher ganz netter Beitrag, für Genreunkundige und gegenüber langsamen Filmen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts Aufgeschlossenen sicher auch ganz gut schaubar, für jeden anderen - und da dürften wir bei 95 Prozent der Filmschauenden sein, nicht der Rede wert und ganz bestimmt kein Pflichtprogramm. Es gibt Filme die überleben die Jahrzente und es gibt Filme die werden von der Zeit überlebt. Das macht dann den Unterschied aus ob ein Film zum Klassiker taugt. In diesem speziellen Fall ist leider das Gegenteil der Fall.

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