Mit Avatar hatte James Cameron 2009 eine ganze Welle an 3D-Produktionen losgetreten, von denen jedoch kaum eine seinem visuellen CGI-Meisterwerk das Wasser reichen konnte. 15 Jahre Arbeit inklusive Vorbereitungszeit und geschätzte Produktionskosten von ca. 250-300 Millionen Dollar muss man natürlich auch erst einmal stemmen können. Das Einspielergebnis von knapp 2,8 Milliarden US-Dollar spricht eindeutig dafür, dass sich diese extrem aufwändige Produktion wirtschaftlich absolut gelohnt hat.
Auch heute noch - 4 Jahre nach seiner Premiere - gilt Avatar zu Recht als das Referenzwerk in Sachen 3D, weshalb geschätzt mindestens jeder zweite Haushalt, der einen 3D-fähigen Fernseher nebst 3D-fähigem Blu-ray Player sein Eigen nennt, eine Kopie des Films im Regal zu stehen haben dürfte.
Die Handlung indes ist alles andere als zeitgenössisch oder gar innovativ: Eng an Motive aus Karl Mays "Winnetou I" angelehnt, geht es auch in Avatar um die Ausbeutung eines hehren und im Einklang mit der Natur lebenden Eingeborenenvolkes - den Na'vi - durch skrupellose Wirtschaftskonzerne, hier den Menschen von der Erde. Denn der Mond Pandora, auf dem die Na'vi leben, verfügt neben einer einzigartigen Flora und Fauna zudem über einen ebenso einzigartigen und hoch begehrten Rohstoff, dessen Hauptvorkommen - wie könnte es anders sein - natürlich genau unter dem Heiligen Baum der Na'vi liegt. Um diesen Rohstoff abzubauen, müssen die Na'vi umgesiedelt werden, was diese jedoch nicht so recht einsehen wollen.
Kontakt zu den drei Meter großen und schlumpfblauen (dafür mit schicken Raubtiermustern verzierten) Na'vi stellen die Menschen über sogenannte Avatare her, künstlich gezüchtete Na'vi-Körper ohne eigenes Bewusstsein, in die einige ausgewählte Menschen via Computerverbindung und Bewusstseinstransfer schlüpfen können. Der querschnittsgelähmte Ex-Marine Jake Sully ist einer dieser Menschen. Sein Avatar war eigentlich eine Maßanfertigung für seinen jüngst verstorbenen Zwillingsbruder, für den Scully nun nach dessen Tod einspringt.
Wer wissen möchte, wie die Geschichte ab hier weitergeht, sollte - neben dem bereits erwähnten Karl May-Stoff - einfach einen Blick auf "Pocahontas" werfen.
Kurz gesagt: Die Story ist weder neu noch sonderlich einfallsreich. Zudem ist sie, trotz vorherrschender Kritik am Kapitalismus und trotz Lanzebrechen für eine ökologische Weltsicht, moralisch gleichermaßen fragwürdig wie veraltet. Denn natürlich muss erst ein Mensch von der Erde (da Ex-Marine und mit dem Namen "Jake Sully" gesegnet, zu 99% Wahrscheinlichkeit natürlich ein Amerikaner) zu den Na'vi kommen, erlernt in Windeseile Fähigkeiten, für deren Beherrschung die Na'vi ihre gesamte Kindheit und Jugend benötigen, absolviert nach nur 3 Monaten den Mannbarkeitsritus - und schwingt sich schon kurz darauf mittels Reiten des gefährlichsten Flugdrachens von ganz Pandora zum auserwählten Führer aller dort lebenden Stämme auf (diese Leistung haben in der gesamten Geschichte der Na'vi erst 5 große Krieger vollbracht, Sully macht das mal eben quasi im Vorbeigehen - und wird prompt, ungeachtet seiner zweifelhaften Herkunft und seines gerade erst erfolgten Verrats am Stamm der Na'vi, von allen Ureinwohnern verehrt).
Dass die Na'vi den technisch weit überlegenen Feind nur mit Hilfe eines Insiders besiegen können, will dem Zuschauer zwar noch einleuchten, allerdings tut Sully im Endeffekt nichts anderes, als die Na'vi ebenso archaisch anzuführen, wie es auch jeder geborene Na'vi vermocht hätte. Von einer besonderen Befähigung Sullys, die in seiner Herkunft und Ausbildung zu suchen wäre, ist hier nicht zu sehen. Also bleibt unterm Strich: Erst ein echter Ami in Form eines Ex-Marines muss auf den Plan treten, um die Na'vi zu retten! Meiner Meinung nach eine höchst zweifelhafte Message.
Kommt die Story ziemlich banal und ausgetreten, weil schon diverse Male anderweitig verfilmt, rüber, so sind die Schauwerte von Avatar kaum zu kritisieren. Cameron zeichnet hier wunderschöne und wirklich abgefahrene Landschaften, eine reiche Flora und Fauna - und überhaupt viel spektakuläre Natur. Gerade in 3D und hochauflösend auf Blu-ray bietet Avatar auch Jahre nach dem ersten Anschauen im Kino genügend Gründe, das Eingeborenen-Epos noch einmal in seiner ganzen Pracht zu genießen. Die Animationen sind sauber und durchaus liebevoll umgesetzt, wenngleich die Mimik der Na'vi nicht wirklich ausdrucksfähig ist. Dafür wackeln ihre Ohren immer nett, wenn sie aufgeregt oder überrascht sind.
Auf die Logik sollte man in Avatar ebenfalls nicht allzu viel geben, sonst fragt man sich am Ende noch, warum die Na'vi, deren Skelett auf natürliche Weise titanverstärkt ist, deren Körperwuchs locker 3 Meter überschreitet, und die laut den Ausführungen des fiesen Generals zu Anfang des Films jeden Marine mit vergifteten Pfeilen zum Frühstück verspeisen (umgekehrt aber extrem zäh und nur schwer umzubringen sind), nicht einfach zur Basis der Menschen marschieren und dort alles dem Erdboden gleich machen, anstatt sich auf einen Luftkampf "Drache und Pfeil und Bogen" gegen "Maschine, Gatling Guns und Raketenwerfer" einzulassen, bei dem sie naturgemäß nur unterlegen sein können - und mit dem Rücken zur Wand stehen.
Die Story-Aussetzer sind daher durchaus vorhanden, allerdings auch in gewissem Rahmen verzeihlich, sind sie doch den unerhörten Schauwerten geschuldet, die James Cameron uns hier mit Avatar präsentiert. Für deren uneingeschränkte Würdigung sollte man es allerdings schon kitschig und quietschbunt mögen. Ebenso wie man sich nicht an den Superfähigkeiten des Protagonisten stören sollte. Immerhin tun das die Na'vi auch nicht. Nicht einmal dann, als Sully sich mal eben in die Häuptlingstochter verliebt, die dem bereits vorgesehenen künftigen Anführer des Stammes versprochen ist. Und sie diesem selbstverständlich prompt ausspannt. Was auch mit daran liegen mag, dass selbst Ejwa, die Seele Pandoras, Sully bereits bei seinem ersten Auftritt als Auserwählten erkennt. So ist das eben mit den Amis: Selbst Planeten, die Lichtjahre von uns entfernt sind, warten bereits sehnsüchtig drauf, dass ein auserwählter amerikanischer Staatsbürger in ihr Schicksal eingreift, das sie selbst nicht auf die Reihe kriegen.
Fazit:
Eine ausgelutschte Geschichte, modern aufbereitet, mit wirklich hohen Schauwerten, unterhaltend und technisch ein Meilenstein des 3D-Genres; moralisch spätestens auf den zweiten Blick einigermaßen fragwürdig.
7/10