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Bereits Mitte der Neunziger hatte James Cameron die Idee zu „Avatar“, doch fehlten ihm seinerzeit die technischen Mittel, um den Stoff adäquat umsetzen zu können.
Die dafür benötigte Festplattenkapazität von rund zwei Petabyte (das sind 2048 Terabyte) war auch eher Zukunftsmusik, doch seit „Terminator“ ist es Cameron besonders im visuellen Bereich oft gelungen, tricktechnisch zukunftsorientierte Maßstäbe zu setzen.
Das weltweite Einspielergebnis von zwei Milliarden Dollar gibt ihm zumindest Recht, denn er ist damit der bis dato lukrativste Film aller Zeiten.

Dabei ist der Kern der Geschichte so ein alter Hut wie die Kolonialisierung der amerikanischen Ureinwohner: Im Jahre 2154 sieht Bergbau etwas anders aus und da man auf dem Planeten Pandora einen äußerst begehrten Rohstoff erhaschen will und dafür die dort lebenden humanoiden Na´vi vertreiben muss, werden Avatare eingesetzt.
Jene sind eine Mischung aus menschlicher DNA und der der Na´vi und per Gedankenkraft ist ihr Körper steuerbar. Als der ehemalige Marine Jake Sully seinen Avatar in die Dschungelwelt jener Ureinwohner begibt, ahnt er noch nicht, in welchen Zweispalt er schon bald geraten wird…

Man sieht dem Stoff von der ersten Minute an wie teuer er war, gerade weil rund 60 Prozent davon am Computer entstanden sind. Als der querschnittgelähmte Jake mit seinem Rollstuhl über die Basis rollt und ihm diverse Roboter entgegen kommen oder kurz darauf über riesige Touchscreens kommuniziert wird, lässt sich allerdings noch nicht erahnen, welch visuelle Pracht in der Welt der Na´vi stecken könnte.

Dafür verbaselt das Drehbuch ein wenig die Tiefschichtigkeit der Charaktere, denn Jake ist halt der Gute, eine Ärztin in Form von Sigourney Weaver auch, der militärische Oberbefehlshaber (Stephen Lang) durch und durch eine linke Bazille und Helfer der Guten (unter anderem Michelle Rodriguez als Hubschrauber-Pilotin) sind in prekären Situationen völlig selbstlos zur Stelle.
Auch bei den Na´vi finden sich altbekannte Verhältnisse: Das Love Interest Neytiri (Zoe Saldana) begegnet Jakes Avatar zunächst voller Ablehnung, doch als ihre Eltern (natürlich die Chefs des Clans) einer Lehre des „Eindringlings“ zustimmen, kommt sich das ungleiche Paar näher, wobei der eigentliche Thronnachfolger zeitgleich Jakes größter Widersacher ist.
Diese Konstellationen kennt man alle, ohne sie würde der Stoff allerdings auch nicht funktionieren.

Denn Cameron streift mit seinem Werk vielschichtige Themen, die von der deutlichen Kritik am Kolonialismus, über die Wertschätzung der Natur bis hin zur Mahnung an militärische Überheblichkeit reichen, - darin müssen Figuren operieren, die in einem Vertrautheit wecken, um eine emotionale Transparenz zu schaffen, was durchaus gelingt.
Besonders süß ist die Idee, die Schwänze der Na´vi mit Synapsen von Nervenzellen gleichzusetzen, wodurch sich diese mit den jeweiligen Reittieren, aber auch mit speziellen Bäumen verbinden und diverse Informationen, auch emotionaler Art austauschen können.

Was „Avatar“ natürlich durchweg sehenswert macht, ist seine Optik in teilweise bahnbrechenden 3D-Bildern. Die exotische Welt des Dschungels mit seinen Fabeltieren, die Urzeitmonstern wie Saurier gleichen, fast durchsichtige, fliegende „Gute-Seele“-Tierchen, trichterförmige Blumen, fluoreszierendes Moos, schwebende Berge, dutzende Flugtiere, angreifende Hundewesen, steile Abhänge, ein Sturz über Blätter etagenweise, dann wiederum aus einer Kapsel steuerbare Kampfroboter, Explosionen, Erschütterungen, Brände, - das Maß an teilweise mitreißenden Schauwerten ist innerhalb der rund 160 Minuten phasenweise atemberaubend und wird durch den abwechslungsreichen, wenn auch nicht markanten Score von James Horner gut unterstützt.

James Cameron hat also einen Streifen geschaffen, der die Zuschauer scharenweise ins Kino lockt und das ist sicherlich nicht nur dem klugen Marketing zu verdanken.
Es ist die intelligente Mixtur aus den vielen Parabeln, von denen jeder Zuschauer mindestens eine bedeutsam findet und sie emotional an sich ran lässt und der ausgeklügelten visuellen Ebene, die zwar beim genaueren Hinsehen minimale Schwächen offenbart, im Gesamtbild aber wahrlich neue Maßstäbe setzt.
Eine tolle, zum Teil wuchtige Darbietung, die nicht nur dauerhaft unterhält, sondern auch den Betrachter anspricht, der nicht so sehr auf Sci-Fi und Fantasy fixiert ist.
Bis jetzt eindeutig Camerons stärkster Film,
8,5 von 10

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