Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit. Ein Projekt, dessen Wurzeln fünfzehn Jahre zurück liegen, läuft gerade in der schnelllebigen Zeit des Kinos in Gefahr, altbacken zu wirken, nicht mehr up-to-date, nicht frisch genug. Doch bei "Avatar - Aufbruch nach Pandora", von Kassenschlager-Regisseur James Cameron seit 1995 geplant, ist irgendwie alles anders, und doch auch wieder nicht.
Im Jahr 2154, die Erde ist ausgebeutet und liegt brach, sucht der Raumfahrt-Konzern RDA nach alternativen Rohstoffquellen im Weltall und wird auf dem Mond eines fernen Planeten fündig; doch Pandora, wie das Gestirn heißt, ist bevölkert von den humanoiden Na'vi, und ein Stamm dieser "blauen Affen" siedelt unglücklicherweise genau auf dem größten Rohstoffvorkommen. Parker Selfridge (G. Ribisi), der Vertreter des Konzerns auf Pandora, will seine Interessen auf militärischem Wege durchsetzen und lässt vom zuständigen Colonel Miles Quaritch (S. Lang) alles vorbereiten. Doch der Forscherstab rund um die Biologin Dr. Augustin (S. Weaver), der mithilfe eines "Avatar" genannten Programmes durch eine Art Stellvertreterkörper in freundschaftlichen, wissenschaftlich motivierten Kontakt mit den Ureinwohnern steht, wehrt sich vehement gegen einen solchen Militärschlag.
Jake Sully (S. Worthington), querschnittsgelähmter US-Marine, stößt nach der Ermordung seines Bruders, für den ein Avatar vorbereitet war, zum Forschungsteam. Nach anfänglicher Skepsis ist er begeistert von seinem Na'vi-Körper, der ihm neben völlig neuen sinnlichen Eindrücken auf Pandora nicht zuletzt auch die Fähigkeit zu laufen wieder gibt. Nachdem er durch einen Zufall vom Stamm der Ureinwohner aufgenommen und ausgebildet wird und sich in die Häuptlingstochter Neytiri (Z. Saldana) verliebt, fungiert er zunächst als Doppelagent auch für Col. Quaritch und liefert ihm wichtige strategische Informationen; als Selfridge Quaritch jedoch das Kommando zum Angriff gibt, stellt sich Sully schließlich gegen die RDA und hilft den Na'vi, ihren Planeten zu retten...
Die Geschichte ist in ihren Grundzügen wohl so alt wie das Geschichtenerzählen selbst; der Belagerer verliebt sich in eine Belagerte und wechselt schließlich die Fronten. Wenigstens gibt Cameron offen zu, bei der Story an mannigfaltigen Stellen gewildert zu haben, und auch die Details der Welt in der fernen Zukunft kommen dem Zuschauer nicht wirklich neu vor; Battlemechs, Drachen, Ureinwohner, die wie eine blaue Version von Rothäuten wirken, das alles ist irgendwo schonmal dagewesen. Cameron ist weniger Regisseur als Komponist vieler bekannter Elemente aus Fantasy, Science Fiction und Etho-Drama; doch fairerweise muss man zugeben, dass er seine Sache dabei wirklich gut macht und eine Parallelwelt erschafft, die ähnlich fesselt wie Tolkien's Mittelerde.
Dazu trägt natürlich auch und vor allem die 3D-Technik bei, und auf diesem Gebiet muss man Cameron wohl einen viel größeren Verdienst zugestehen; die Produktion des knapp 300 Millionen Dollar teuren Blockbusters brachte technische Innovation mit sich, die Ihresgleichen sucht. So wurden unter anderem völlig neuartige Kameras entwickelt, die sowohl in High Definition als auch dreidimensional aufzeichnen. Auch Errungenschaften im Motion-Capture-Bereich, bei dem Bewegungen von realen Schauspielern auf virtuelle - nun, Avatare, übertragen werden, trieb Cameron mit seinem Projekt entscheidend voran. Das Ergebnis lässt sich wirklich sehen; Realfilm und dem Computer entsprungene Aufnahmen, so plastisch wie das Leben selbst, verschmelzen nahtlos zu einem Erlebnis, welches dieFiktionalität der Welt Pandoras zumindest für die zweieinhalb Stunden Laufzeit vergessen lässt. Das ist es, was "Avatar" auszeichnet und so unvergleichlich macht; altbekannte Bausteine werden in einer überwältigen Optik präsentiert, die das Kino buchstäblich in neue Dimensionen katapultiert. Cameron zeigt uns, dass das Ende des klassischen Films bevorsteht, wenn auch vielleicht (hoffentlich?) in ferner Zukunft (eventuell ja 2154).
Diesem Prinzip des Optik-Bombasts hat sich jedes andere Element des Films bedingungslos unterzuordnen; neben der Handlung stellt Cameron auch die darstellerische Leistung eher in den Hintergrund. Das gesamte Ensemble, angeführt von Sam Worthington, macht gute, aber unauffällige Arbeit. Das trifft gleichermaßen auch auf den Score zu, der es der Story gleichtut und sich munter verschiedenster ethnischer Motive bedient.
Letzten Endes ist Camerons "Avatar" eben doch ein Stück Kinogeschichte, an welchem sich die Bedeutung des modernen Films vielleicht neu definieren muss; Film nicht des Films, sondern der Technik wegen. Der Schritt, auf Realdarsteller komplett zu verzichten und dennoch eine reale Welt zu zeigen, ist nur noch von einem ebenso mutigen Regisseur zu gehen; der Weg dorthin wurde von Filmschaffenden wie George Lucas, Robert Zemeckis und nun vor allem James Cameron vollends geebnet. Es ist ein interessantes Duell zwischen dieser Auffassung von Monumentalkino und der von Regisseuren wie Quentin Tarantino, die schon das digitale Filmformat scheuen wie der Teufel das Weihwasser; was sich durchsetzt oder ob beides einander unantastend auf Dauer nebeneinander existieren kann, entscheidet letzten Endes der Kinogänger. "Avatar" ist dann ein Etappensieg für die CGI-Fraktion; der Streifen ist schon nach wenigen Wochen Spielzeit der zweiterfolgreichste Film aller Zeiten.
06/10 Punkte.