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As Tears go by

Wong Kar-wais Erstlingswerk ist in seinem Stil zum einen von den Heroic-Bloodshed-Filmen aus dem Hongkongkino der späten 80er Jahre – wie etwa „City on Fire“ von Ringo Lam oder „The Killer“ von John Woo – beeinflusst. Zum anderen lässt sich schon deutlich der spätere Stil des Autorenfilmers erkennen, etwa die experimentelle Bildästhetik, die orientierungslosen und einsamen Charaktere oder der Neondschungel Hongkongs als Kulisse für großstädtische Lebens- und Liebesdramen.

Wah (Andy Lau) arbeitet als Geldeintreiber für die Triaden und hat einen „kleinen Bruder“, genannt Fly (Jacky Cheung), an seiner Seite. Diesen soll er ausbilden und in Schutz nehmen, was allerdings eine schwierige Aufgabe darstellt, da der aufbrausende Gefühlsmensch Fly sich immer wieder mit anderen Gangstern anlegt. Da zwischen den beiden eine tiefe Freundschaft besteht, nimmt Wah einiges auf sich, um Fly immer wieder aufs neue aus der Klemme zu helfen. In diesem Teil der Geschichte geht es teilweise recht brutal zur Sache.

Bereits am Anfang des Films bricht Wahs Cousine Ngor (Maggie Cheung) in diese Konstellation ein, da sie Wah aufgrund einer Krankheit besucht. Allmählich beginnen beide sich ineinander zu verlieben und der Plot der Geschichte wechselt zwischen Gangster- und Liebesgeschichte, wobei Wah das Bindeglied darstellt. Am Ende muss dieser sich entscheiden, ob er mit Ngor verschwindet und ein neues Leben anfängt oder Fly erneut den Rücken deckt. Er entscheidet sich für letzteres und besiegelt damit sein Todesurteil.

Besonders in der Geschichte zwischen Ngor und Wah wird Wong Kar-wais späterer Stil deutlich: es werden hervorragende Aufnahmen in grellen Farbtönen und ein ausgefeiltes Spiel mit verschiedenen Kameraeffekten geboten. Kar-wai entwirft mit seinem Kameramann Lau Wai Keung bereits in seinem Debüt ansatzweise jene Bildästhetik, die er später mit Christopher Doyle an der Kamera zur Perfektion treiben wird. Es gibt etwa eine Aufnahme zu sehen, die in der linken Hälfte ein verzerrtes Spiegelbild von Maggie Cheung zeigt, welche sich in der rechten Bildhälfte bewegt. In „Chungking Express“ (1994) wird Wong Kar-wai diese Komposition noch einmal verwenden. Auch in der Musikgestaltung lässt sich Kar-wais spätere Stilistik erkennen, wenn der Song „Take my breath away“ sich mehrmals im Film wiederholt dominierend über eine Szene legt.

Der eingangs erwähnte Einfluss des Heroic-Bloodshed-Films lässt sich in erster Linie in der Gangstergeschichte erkennen. Die Themen Freundschaft, Ehre und Gewalt zählen zu den wesentlichen Merkmalen dieses HK-Subgenres und werden in „As Tears go by“ allesamt behandelt. Trotzdem hat Wong Kar-wai seine ganz eigene Vision erschaffen. Die filmästhetische Gestaltung der Beziehung zwischen Wah und Fly erinnert eher an seinen späteren Film „Fallen Angels“ (1995) als an die melodramatischen Blutballette eines John Woo.

Die größten Stärken hat der Film in der Liebesgeschichte, auch weil Andy Lau und Maggie Cheung sehr gut miteinander harmonieren und eine ausgereifte, intensive Darstellung bieten. Leider ist die Umsetzung dieses Teils etwas kurz geworden, was den Gesamteindruck jedoch nur unwesentlich trübt. Jacky Cheung kann seinen ausgeprägten Hang zur übertriebenen Darstellung auch in „As Tears go by“ nicht gänzlich verbergen, was seiner Rolle als Fly jedoch weniger schadet als entgegen kommt.

„As Tears go by“ ist ein beachtliches Debüt geworden und bildet den inhaltlichen wie formalen Startschuss zu Wong Kar-wais späterem Schaffen. Die Bildästhetik, die Themen und die Darsteller werden in Kar-wais Filmen wieder auftauchen und zu Verknüpfungspunkten und Schnittstellen in dessen Gesamtwerk. Somit wird „As Tears go by“ zum ersten Puzzleteil des filmischen Netzwerks, das Wong Kar-wai in der Folge mit seinem Oeuvre erschaffen hat.

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