Review

„I was alive…in my own perfect world”

Star-Regisseur Peter Jackson und ein weiteres Projekt über angeblich unverfilmbare Literatur.
Diesmal hat er sich an den Überraschungserfolg von Alice Sebold herangewagt und einen recht fantastisch-surrealen Film geschaffen, der nicht immer weiß, in welche Richtung er steuern möchte. Dank herausragender Darsteller und visueller Stärken vermag er jedoch über weite Teile zu fesseln.

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der vergewaltigten und ermordeten vierzehnjährigen Susie Salmon (Saoirse Ronan), die in einem Reich zwischen Leben und Tod verweilt, während sie ihren Peiniger, als auch ihre Familie beobachtet, jedoch nicht aktiv eingreifen kann.
Denn beide Parteien wohnen in derselben Straße und kommen sich am Ende gefährlich nah…

Jackson versteht es einmal mehr meisterhaft, das Publikum innerhalb der ersten Minuten in seinen Bann zu ziehen. Die zarte Off-Erzählstimme der erst fünfzehnjährigen Hauptdarstellerin entführt einen unmittelbar in einen Schwebezustand, der in Kombination mit den zumeist weichen Klängen von Brian Eno für lange Zeit anhält, auch wenn gerade zu Beginn eine unheilvolle Atmosphäre mitschwingt: Noch ist Susie am Leben und der Tag ihres Todes, der 6. Dezember 1973 steht noch bevor, während der spätere Killer George Harvey (Stanley Tucci) immer deutlicher ins Bild gerückt wird.

Die Situation spitzt sich letztlich zu, als Jackson zu einer Parallelmontage greift und abwechselnd die alltägliche Familiensituation beim Abendessen mit der Besiegelung von Susies Schicksal kombiniert, als sie sich bereits im selbst gebauten, unterirdisch gelegenen Domizil des Peinigers befindet und das natürlich kindliche Interesse immer größerer Beunruhigung weicht. Was dann folgt, ist Gänsehaut pur, denn es findet der Übergang ins Zwischenreich statt, welcher zu den emotionalsten Momenten des Streifens gehört.

Danach versucht Jackson auf visueller Ebene zu überzeugen, was nicht vollständig gelingt.
Ein wenig zu glatt wirken die ineinander übergehenden Landschaften wie Pavillon im Herbstwald, saftig grüne Wiese und Ausblick auf klare Meerwasser, - zumal offensichtlich ist, dass es sich nicht um den Himmel im üblichen Sinne handelt und auch dunkle Vorzeichen des immer noch aktiven Killers auszumachen sind. Noch verweilt Susie im Zwischenreich und muss erleben, wie besonders ihr Vater (Mark Wahlberg) unter dem Zustand leidet, dass seine Tochter tot und der Peiniger noch immer nicht gefasst ist.

Doch anstatt sich auf ein sensibles Familienportrait zu stürzen, vermeidet Jackson besonders im Mittelteil jegliche emotionale Tiefe, sondern heitert sogar durch eine verrückte Oma in Form von Susan Sarandon auf, was den latent ernsten Stoff zwar kurzfristig auflockert, aber irgendwie nicht ins Gesamtbild passen will.
Auch die Entfremdung zwischen Dad und Mom (Rachel Weisz) wird sträflich vernachlässigt und lediglich zu Beginn der Trauerphase ein wenig angedeutet.
Dazwischen folgen Erinnerungen und Impressionen Susies aus dem Zwischenreich, der unerfüllte erste Kuss, aber auch der angsterfüllte Blick zu Kinderschänder Harvey, der beileibe kein Einzeltäter ist.

Infolgedessen entpuppt sich die Erzählung mehr und mehr als Thriller mit leichtem Fantasy-Touch, denn wir wissen, dass der Schlächter ein unauffälliger Nachbar ist und nur ein paar Häuser weiter wohnt. Susie weiß dies auch, kann jedoch nicht eingreifen, es fehlen also noch Hinweise für Dad oder die ältere Schwester, vielleicht auch für die Polizei, um den Täter möglicherweise doch noch dingfest zu machen.

Somit verlässt man die Dreamscapes für einige Zeit, um für das Finale deutlich mehr Suspense und Tempo aufzufahren, jedoch auch die nachdenklich stimmende Atmosphäre zu verlassen, in der die Geschichte über lange Zeit weilte.
Ein Bruch, der nicht jedem zusagen dürfte, der eine Erzählung auf stark emotionaler Basis erwartete.

Denn für diese findet Jackson nur am Rande Zeit, da er zwar in bestimmten Momenten gekonnt mit dem Gefühlen seiner Figuren umgeht, nicht zuletzt aufgrund der durchweg überzeugenden und markanten Darsteller, diese aber zu schwach charakterisiert, um auf Dramenebene dauerhaft zu überzeugen.
In diesem Fall ist es vielleicht günstig, die literarische Vorlage nie in den Händen gehalten zu haben, denn so begegnet einem zwar ein leicht wechselwirksamer Stoff, der auf handwerklicher Ebene jedoch einige Stärken zu verbuchen hat und insofern dauerhaft unterhält, als dass man nie weiß, was einem handlungstechnisch als nächstes erwartet.

Wer also das gleichnamige Buch nicht kennt, sollte definitiv einen Blick riskieren, da die Mixtur aus Drama, Fantasy und Thriller durchaus für Unterhaltung und Poesie sorgt.
Dramaturgische Schwächen sind zwar erkennbar, doch am Ende stellt sich eine emotionale Zufriedenheit seitens des Zuschauers ein, wenn auch mit leichten Wehmutstropfen angesichts der inszenatorischen Möglichkeiten.
7 von 10

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