Review
von Leimbacher-Mario
Vorbereitende Rückblicke
"Tränen der Erinnerung" aka "Only Yesterday" ist eines meiner Lieblingswerke des legendären Studio Ghiblis. Eine realistische, bodenständige und einfach wunderschön echte Geschichte, die viel mehr Aufmerksamkeit und Fans verdient hätte. Ein seidener Traum aus Wahrheiten und Erinnerungen, Vergangenheit und Zukunft, den man kaum verlassen will. Dagegen wirkt so manch eines der wesentlich bunteren, verspielteren Meisterwerke des Studios, die später erschienen und wesentlich bekannter sind, blass und kindlich und fast unbedeutend. Dabei könnte die Geschichte kaum simpler sein... Wir folgen einer 27-jährigen, unverheirateten Frau, die in der Stadt aufgewachsen ist, sich jedoch immer zum Land hingezogen gefühlt hat, auf ihrem Weg in eine ländliche Provinz zu Bekannten der Familie. Dabei hat sie immer wieder Erinnerungen an ihre Kindheit und Schulzeit - von der ersten Liebelei bis zur ersten Periode, vom strengen Vater bis zu den zickigen Schwestern...
Fast könnte man "Only Yesterday" als Episodenfilm ala "Familie Yamada" durchgehen lassen, doch die völlig entschleunigte und nachvollziehbare Lebensgeschichte dieser jungen Frau wiegt noch ein Stück schwerer und ernster. Ohne dabei einen Stock im Po zu haben oder die Tränendrüsen zu aggressiv zu kitzeln. "Only Yesterday" feiert die Vergangenheit, egal wie unbedeutend oder vielleicht sogar schmerzhaft sie in diesem Moment erschien, denn unser Leben, mit all seinen Ups und Downs, Facetten und Schattierungen, ist es, was uns ausmacht, zu dem macht, was wir heute sind und morgen sein werden. Dabei hat der Soundtrack genauso viel Fingerspitzengefühl wie der herausragende Zeichenstil, bei dem man nahezu jedes Bild einrahmen könnte. Von Auslassungen und Wünschen, Hoffnungen und Prüfungen. Und auch als Mann kann man sich mit den Geschichten der Protagonistin absolut identifizieren. Dabei sind sie gar nichts Weltbewegendes - doch sie sind entscheidend, unterhaltsam und bleiben so viel länger bei einem, als das größte Effektgewitter. Leise Töne, echtes Leben, ehrlich gehaucht und poetisch ausgesprochen. Zu schön, um wahr zu sein. Und doch wahrhaftiger als man es je erwartet. Außerdem war ein Abspann selten spielentscheidender. Und auch, auf Grund diesem seltsamen Wasser, das in meine Augen schoss, verschwommener...
Fazit: Flashback-Feuerwerk der Emotionen. Studio Ghiblis intimster Diamant, in den sich jeder Mensch, egal ob aus der Stadt oder vom Land, egal ob Männlein oder Weiblein, hineinversetzen kann. Gefühlvoll, persönlich, realistisch und romantisch. Vollkommen kitschfrei und mit einem entscheidenden Abspann, bei dem alle Tränendämme brechen. DAS große Ghibli-Meisterwerk, an dem viel zu oft vorbeigeschaut wird! Yasujiro Ozu wäre stolz und verzaubert. Einer der reifsten Animes da draußen.