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„Ich arbeite jetzt bei Formel Eins!“ – „Bist du verrückt?! Das ist doch viel zu gefährlich!“

Nach seinen Punk-Spielfilmen und -Dokus widmete sich der deutsche Regisseur Wolfgang Büld 1983 der Neuen deutschen Welle in Form des Nena-und-Markus-Vehikels „Gib Gas, ich will Spaß“ und tauchte 1985 mit dem auf dem gleichnamigen Musik-TV-Format beruhenden „Der Formel Eins Film“ endgültig in den musikalischen Mainstream ein.

Kfz-Mechanikerin Tina (Sissy Kelling, „Blam!“) ist jung, gutaussehend und hat einen Traum: Sie möchte Pop-Sängerin werden. Ihr Demo-Tape Entscheidungsträgern im Musikgeschäfts zuzuspielen gestaltet sich jedoch alles andere als einfach. Als sie es bei der bekannten, von Ingolf Lück moderierten Musiksendung „Formel Eins“ versucht, wird sie immerhin vom Fleck weg zur Betreuung der prominenten Gäste eingestellt. Sie wittert ihre große Chance und lässt sich auf den Job ein, durch den sie Bekanntschaft mit Stars und Sternchen wie Falco, Meat Loaf, Pia Zadora und Limahl macht. Sie verliebt sich in Produktionsassistent Stevie (Frank Meyer-Brockmann, „Die Küken kommen“) und er sich in sie, doch wird er plötzlich zur Bundeswehr eingezogen. In seiner Eifersucht glaubt Stevie, dass Sänger Limahl versuche, ihm Tina auszuspannen. Wütend desertiert er und kehrt ins „Formel Eins“-Studio zurück, in dem der Manager der Funpunk-Band Die Toten Hosen (Dietmar Bär im Rude-Boy-Dress, Kölner „Tatorte“) einen Versuch nach dem anderen unternimmt, seine Schützlinge in der Sendung unterzubringen…

Bevor es in Deutschland klassische Musik-TV-Sender wie Musicbox, MTV oder gar Viva gab, war es an den öffentlich-rechtlichen Sendern, das Publikum mit Musik zu versorgen. Neben Klassik und sog. Volksmusik gab es den „Rockpalast“, der sich vornehmlich um Live-Konzerte zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler kümmerte, außerdem den „Beat-Club“ und dessen Nachfolger, den „Musikladen“, sowie Musik/Comedy-Mischformate wie „Disco“, die „Plattenküche“ und „Bananas“. Die „ZDF-Hitparade“ bediente sich vornehmlich deutschsprachiger Interpretinnen und Interpreten aus dem Schlagerbereich, öffnete sich später aber auch der Neuen deutschen Welle. „Bio’s Bahnhof“ war eine nur sechsmal jährlich produzierte Nischenshow. Mit „Ronny’s Pop Show“, „Thommys Pop Show“ und „Vorsicht, Musik!“ legte das ZDF Anfang der ‘80er vor. Ab 1983 sendete die ARD schließlich wöchentlich „Formel Eins“, das sich explizit an ein jugendliches Publikum richtete und über die aktuellen Musikverkaufscharts informierte, dabei zahlreiche aktuelle Videoclips anspielte. Studiogäste durften vor Ort in den Kulissen der Bavaria-Film exklusive Playback-Auftritte absolvieren. Die Sendung erfreute sich schnell großer Beliebtheit.

Unter keinem sonderlich guten Stern stand schließlich dieser Spielfilm, der zu gleichen Teilen Persiflage auf das Musikgeschäft im Allgemeinen sowie „Formel Eins“ im Speziellen und Promoschau für die auftretenden Interpretinnen und Interpreten ist: Laut Wolfgang Büld blieben von seinen eigenen Ideen nicht viele übrig, das Drehbuch sei aus unterschiedlichen Quellen zusammengeflickt worden, zu viele fremde Interessen habe man seitens der Produktion zu berücksichtigen versucht und die Zeit sei extrem knapp gewesen. Immerhin gelang es trotzdem, zwischen die Auftritte von Re-Flex („How Much Longer“), The Flirts („Dancing Madly Backwards“), Meat Loaf („Piece of the Action”), Pia Zadora („Little Bit Of Heaven”), Falco („Rock Me Amadeus”), Katrina and The Waves („Red Wine and Whiskey“) und Limahl („Too Much Trouble”) sowie abschließend Tina alias Kelling persönlich („Feel the Motion”) noch Die Toten Hosen unterzubringen: Auf Geheiß ihres Managers lassen sie sich immer wieder ein neues Image verpassen, scheinen im TV-Studio zum Inventar zu gehören, machen sich u.a. im Fitness-Studio zum Affen – und parodieren auf durchaus vergnügliche Art durch ihre ständigen Image-Wechsel unterschiedliche Musikrichtungen, z.B. Heavy Metal, wobei sie wie eine Mischung aus W.A.S.P. und Chastain oder so klingen. Nachzuhören sind diese musikalischen Ausflüge auf der „Battle of the Bands“-Mini-LP der Düsseldorfer.

Doch neben dem musikalischen Teil gibt es ja auch noch so etwas wie eine Handlung. Es dauert eine Weile, bis sie als solche erkennbar ist. Da sabotiert ein Fiesling ständig die Sendung, um seine eigene Band unterzubringen, tritt eine als Panzerknacker verkleidete Schlägerbande auf den Plan und ernährt sich Tina fast ausschließlich von Dickmann‘s, während Stevies Liebe zu ihr in einem blauen Auge für Limahl mündet, nachdem Tina schlecht vom Krieg geträumt und ihr Vater sich als Kenner des Musikmarkts aufgespielt hat. Oder so ähnlich. Das ist auch reichlich egal, denn was viel mehr zählt, ist der alberne, aber liebenswürdige und manchmal auch leicht anarchische Humor, der sich durch den Film zieht. Neben gelungenen Gags um Ingolf Lücks Kurzsichtigkeit und satirischen Verballhornungen des Musik-TV-Rummels beweisen die Stars, allen voran Falco, reichlich Selbstironie und persiflieren die Klischees, die sie ansonsten selbst verkörpern oder ihnen zumindest angedichtet werden. Darüber hinaus wurden einige cineastische Anspielungen untergebracht; so finden nebenan gerade die Dreharbeiten zu „Die unendliche Geschichte“ statt und wird mit einer „Das Boot“-Szene um Heinz Hoenig inkl. Soundtrack-Einspielung ein weiteres Mal Wolfgang Petersen Tribut gezollt.

Es ist wohl kaum gespoilert, wenn ich ausplaudere, dass Tina am Ende doch noch mit ihrem Demo zum Zuge kommt (sie springt spontan für Limahl ein) und bei Weitem zu viel Logiksuche, wenn ich mich darüber wundere, dass sie für ihren Auftritt direkt eine komplette Choreographie inkl. den Toten Hosen am Start hat. Das ist natürlich alles augenzwinkernd und unbedarft trashig, hat aber Charme und seine Momente. Auch wenn nicht alle Acts ihre jeweils größten Hits darbieten, ist es ein spaßiges Unterfangen, sie dabei zu beobachten, wie sie sich in diesen Film verirrt haben. Heraus sticht am ehesten Pia Zadoras wirklich süßer Auftritt. Auch wie sich hier Laiendarstellerinnen und -darsteller mit aufstrebenden Jungschauspielern und verdienten Profimimen die Klinke in die Hand geben, ist durchaus bemerkenswert. Völlig absurde Szenen wie die in einer taghellen, auffallend leisen Disco hätte man sich hingegen besser gekniffen.

„Der Formel Eins Film“ (inkl. Deppenleerzeichen) zeigt, wie die ‘80er aus Sicht der Popmusik-Industrie gern gewesen wären, aber nie waren, wie man sich aber trotzdem wider besseres Wissen gern an sie zurückerinnert – mit allen Albernheiten, mit Kitsch und Trash und viel Musik, abkultenswert für beinharte ‘80er-Fanatiker, vermutlich eher schwer verdaulich für alle anderen. Mir fehlt eine Sendung wie „Formel Eins“. Bring back the 80’s!

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