Review

Spinnenfilme, die liebe ich ja wie Sau! Solange zwischen ihnen und mir eine dicke Glasscheibe ist, sind Spinnen für mich wohl die faszinierendsten Kreaturen der Erde. Alleine der ästhetische Unterschied, den die beiden Beine mehr im Gegensatz zum Insekt ausmachen, ist faszinierend. Einer Spinne, die ein Netz baut, könnte ich stundenlang zusehen – wie gesagt, solange zwischen ihr und mir genug Platz zur Flucht vorhanden ist. Es ist also kaum überraschend, dass mich im Subgenre des Tierhorrors die Spinnenfilme, im Wesentlichen „Arachnophobia“ und „Kingdom of the Spiders“, am meisten das Fürchten lehren konnten, denn es gibt einfach kein Lebewesen, wovor mir mehr graust. Schon seltsam, dass die Menschen von dem am meisten fasziniert sind, was sie am meisten fürchten. Das ist quasi die Quintessenz des Horrorfilms.
Fast ebenso gerne wie Spinnen sehe ich mir alte Monsterschinken und die dazugehörigen Parodien an. Die stinkenden, erddurchbohrenden „Tremors“ aus der Feder von S. S. Wilson haben mein Herz frohlocken lassen, denn der Trash triefte den Graboiden aus jeder Pore, und das Hinterwäldlerflair mit all den Landeiern komplettierte das Sehvergnügen, das ich mir bereits mit „Tarantula“ und „Formicula“ schon früh gebildet hatte. Was gibt es weniger Angsteinflößenderes, aber um so Spaßigeres, als ein riesiges Monster, das ein Dorf angreift?

Diese beiden Aspekte ließen mich in Sachen „Arac Attack“ sehr voreingenommen sein – in positiver Hinsicht. Ähnlich blind werde ich in Zukunft auch in Sachen „Simpsons – The Movie“ sein, der geplant ist. Selbst, wenn man Homer die ganze Zeit über nur herumsitzen und Pork Chops in sich hineinstopfen sieht, werde ich den Film mit Kußhand annehmen (ist aber die Ausnahme, versprochen. Sonst bin ich kritischer). So erging es mir auch mit „Arac Attack“: Egal, wie schlecht Ellory Elkayem seine Aufgabe lösen würde, die Aussicht auf riesige Monsterspinnen, die ein kleines Nest bedrohen, würde mich vor Freude tanzen lassen.

Ich freute mich also auf eine knallige Monsterfilmparodie und wurde so weit auch zufriedengestellt, wenngleich Ron Underwoods „Tremors“ ihre Krone behalten. Denn leider verarbeitet Elkayem zwar diverse Klischees, was ja auch zu seinem Job als Regisseur einer Genre-Parodie gehört, doch haben sich teilweise nervige Klischees untergemischt, die für den Zweck nicht förderlich sind.

Dabei hat man das atmosphärisch schon ganz gut hingekriegt, wenn man sich auch klar bei Underwoods Film bedient hat. „Arac Attack“ ist eine Mischung aus „Tremors“ und „Return of the Living Dead II“, die ja ihrerseits wiederum ihre wichtigsten Elemente aus anderen Filmen geschöpft haben, womit der vorliegende Spinnenfilm quasi aus zweiter Hand zitiert, und das merkt man. Irgendwie hat man sich zu sehr an den Vorgängerparodien aufgehalten, anstatt direkt an die Quelle zu gehen, nämlich an die Monsterfilme der 50er Jahre. Die werden natürlich auch nicht ausgelassen, aber die Orientierung an seinesgleichen führte dann letztendlich zu den erwähnten nervigen Klischees. Etwa in Form des kleinen Rotzlöffels, sichtlich durch die Zugkraft von Rowlings Romanreihe beeinflusst, in seiner Funktion dann wiederum an Filmen wie eben dem genannten zweiten Teil der „Return“-Reihe orientiert, wo auch so ein kleiner Furz durch das Geschehen dirigierte. Nun kann man so was hier auch einbauen, dann aber bitte auch mit deutlich sichtbarem Parodiencharakter. Stattdessen bietet sich „Arac Attack“ selbst zum Verarschen an, denn wird hier tatsächlich eine ernst gemeinte Botschaft eingebaut: Ihr Erwachsenen, hört doch einmal, was der Kleine zu sagen hat. Das darf nicht sein, will man das Klischee des kleinen Jungen, der mit seinem Wissen die ganze Welt rettet, parodistisch wiedergeben. So reiht man sich selbst in die Reihe des zu Parodierenden ein, und das in einer Zeit, in der man durch filmische Weiterentwicklungen auch auf andere Storyverläufe zurückgreifen könnte.
Und das bleibt nicht nur auf den Knirps beschränkt. Beizeiten hat man das Gefühl, man sieht einen American Pie-Verschnitt, wenn der Junge des schmierigen Straussenfarmbesitzers Wade sich ironisch für dessen Aufmerksamkeit bedankt. Oder wenn die Tochter des Sheriffs Samantha Parker ihrem Freund wegen sexueller Belästigung einen Elektroschocker in die Eier rammt. Auch hier gilt wieder: als echte Parodie auf Teeniefilme ist das nicht zu werten, vielmehr als jugendkompatibler Zuschnitt auf das Publikum, das freien Zugang zu FSK12-Filmen hat. Von der Nichtraucherbotschaft per Vorschlaghammer wollen wir gar nicht reden; die lag sogar mir als Nichtraucher schwer im Magen.

Nicht beschweren darf man sich bei der betont simplen Grundstory, die wirklich dermaßen dämlich und so offensichtlich klischeehaft ist, dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass man sich auf irgendwelche Werke der Filmgeschichte mit einem Augenzwinkern bezieht. Auch die daraus resultierenden Lücken in der Logik sind als pure Absicht zu bewerten, was gerade in der Endsequenz deutlich wird, als der Hilfssheriff mit der Glatze darauf hinweist, dass seine Haare wieder beginnen, zu wachsen. Tja, und ein Faß voller Giftmüll, das in der Nähe einer Spinnenfarm wegen eines Fast-Unfalls mit einem Kaninchen (!) in einen See fällt, wo der Spinnenfarm-Besitzer das Futter für seine Tierchen holt... das stellt die gesamten Erkenntnisse der Stochastik in Frage. Die Mathematik muss für den Trashfilm neu geschrieben werden. Jepp, das macht Spaß. Es ist so dämlich, so unmöglich, so fern jeder Wahrscheinlichkeit, so fern jeglicher Logik, dass es einfach nur Spaß macht.

Nun kommt „Scream“-Lulatsch David Arquette ins Spiel, und auch hier sage ich wieder: Volltreffer! Ein als Trampel berühmt gewordener Darsteller in der Rolle des Nobodies, der nach langer Abwesenheit mit seinem Rucksack wieder dahin zurückkehrt, wo seine Wurzeln sind. Yee-Haa, Walking Tall, Dude! Arquette braucht gar nicht viel zu machen, um seinen Erwartungen gerecht zu werden. Sein Ruf und die Drehbuchvorgaben regeln das für ihn. Zudem schreit sein schräges, gerade bei einem Schrei irgendwie lachend-verzerrtes Gesicht geradezu den Unernst heraus in die Abendsonne über Prosperity.

Apropos Prosperity. Wie schon das Örtchen „Perfection“ aus „Tremors“ ist auch der Name des Kaffs mit der Spinneninvasion reine Ironie. Eine Kleinstadt, die Wohlstand heißt, und die ums Überleben kämpft. Übrigens nicht nur gegen die Achtbeiner, zu Beginn wird auf die schwierige wirtschaftliche Situation wegen der Schließung der Bergwerksstollen aufmerksam gemacht. Der verrückte Vater unseres Heimkehrers Chris McCormick weiß natürlich mehr als die Bevölkerung Prosperitys. Es ist also noch etwas im Stollen verborgen, und da dies am Ende aufgedeckt wird, darf der Name „Prosperity“ dann auch als das Ziel verstanden werden, das mit der Bekämpfung der Spinnenpest einhergeht.
Jedenfalls sind die Einwohner Prosperitys passenderweise dumm wie Vieh, abgesehen von den wenigen Ausnahmen um Chris, Samantha, Wade und Angehörige. Der Rest gibt sich fast in der Tradition der Bevölkerung Springfields als schwankender Pöbel, mehr noch als sinnlose Anhäufung von Lemmingen, die dazu vorbestimmt ist, den Spinnen als Futter zu dienen. Das ist ein weiterer Punkt, der einfach gut funktioniert: abgesehen vom zentralen Kreis erfährt man nichts über die Bewohner, die einem dann dementsprechend ziemlich egal sind, so dass man die Spinnen anfeuert. Wie geschaffen für ein Kill-Mitzähl-Spiel auf einer Party.

Die eigentliche Attraktion, die Spinnen, zeigen sich so, wie man es erwarten durfte. Die Animationen sind zwar voll an den realen Vorgaben orientiert, geben sich aber durch die fehlende Eingliederung in den realen Kontext sehr comichaft. Der Wechsel zwischen CGI und Kulissen ist jederzeit deutlich erkennbar, was aber überhaupt nix macht, denn Realismus wurde nie als oberste Prämisse ausgegeben. Charaktervielfalt ist leider nur dadurch gegeben, dass bedingt durch die Spinnenfarm mehrere Gattungen zum Einsatz kommen, darunter die Tarantel und die Springspinne. Untereinander gleichen sich die einzelnen Arten leider stets wie ein Ei dem anderen. Man hätte da durchaus in einer Szene etwa eine Spinne verletzen können und das gleiche Tier in einer späteren Konfrontation mit der wiedererkennbaren Wunde wieder zurückbringen können. Stattdessen sind auch die Spinnen, nicht anders als die Menschen, reife Früchte, die bei der geringsten Erschütterung aufplatzen. Sozusagen Masse statt Klasse, „Aliens“ statt „Alien“. Auch das ist verzeihbar, denn es gibt trotz allem charakterstarke Auftritte wie das Umwerfen des Trailers durch das riesige Tarantelexemplar, die Springspinnenattacke auf die Motorradfahrer oder eben das Finale gegen das riesige Weibchen.
Was ich persönlich etwas zwiespältig aufgenommen habe, ist das comichafte Entfleuchen irgendwelcher Quieker und Tiny Toon-artiger Piepser aus den Spinnenmäulern. Die sind zwar prinzipiell zu begrüßen, weil sie die Ernsthaftigkeit auf den Arm nehmen, können mitunter aber auch nerven beziehungsweise zu präsent werden. Aber egal, das ein oder andere Mal kommt das auch richtig gut rüber. Man denke nur an die Spinnenattacke auf den Elchskopf (*Spuck!*) oder die aufgeregt hin- und herhüpfende Spinne auf dem brennenden Laster. Jaaa, da frohlockt der Trashfan wieder und vergisst zumindest zeitweise die Versuche, auf Menschenseite irgendwelche Botschaften näherzubringen.

Es ist das Fazit zu ziehen, dass auf Seiten der Monster, der Storyumsetzung und der Atmosphäre viel richtig gemacht wurde. Prosperity wirkt einmal mehr richtig schön rückständig, die Bürger verhalten sich so, wie man es am liebsten hätte (immer direkt rein in die Falle). Die Spinnen begeistern mit selbstironischer Darstellung und vielen ansehnlichen Actioneinlagen (speziell auf Seiten der Springspinnen), die auch im Detail sehr originell verpackt wurden (wie etwa die Spinne, die in Attacke-Stellung hinter einem Menschen herläuft). Der Plot ist so simpel, dass er Parodie sein muss. Das reicht, um den Zweck zu erfüllen; direkt werden Filme eher selten aufs Korn genommen (obwohl in einer Szene sozusagen Jason Vorhees von einer Spinne plattgemacht wird).
Andererseits enttäuscht der Großteil der menschlichen Gegenfraktion, die bei „Tremors“ einfach besser zur Geltung kommen. Arquette ist nicht schlecht, kann aber nicht mit dem Gespann Kevin Bacon und Fred Ward mithalten. Kari Wuhrer ist mehr Blickfang als nützlich, einzig Leon Rippy kann noch als fieser Wade glänzen. Der Rest ist einfach schlecht gecastet, schlecht geschrieben und spricht eher das Kinderpublikum an. Insgesamt ein Film, der für sich genommen richtig Spaß macht, allerdings trotzdem noch Potential verschenkt. Eine Fortsetzung wäre trotzdem nicht schlecht.

Details
Ähnliche Filme