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Würg, schon wieder ein Remake aus Hollywood? Und dann noch von einem Regisseur wie Christopher Nolan, der mit „Memento“ (mit dem ich selbst nicht so viel anfangen konnte) einen innovativen Thriller ablieferte? Aller Unken zum trotz ist „Insomnia“ ein weiterer ordentlicher Thriller geworden, der im Gegensatz zu seinem Filmdebüt von den Charakteren und der eindrucksvollen Bildkomposition lebt, womit das Mainstream-Publikum aufgrund seiner Nüchternheit nicht viel anfangen konnte.

Alaska präsentiert sich als idealer Schauplatz für einen Thriller, der den Hauptcharakter langsam zermürbt und dessen Prioritäten, Regeln und Motive durcheinander bringt. Dieser Charakter ist Will Dormer (Al Pacino). In Los Angeles ein Starpolizist hat dieser wegen nicht ganz legaler Methoden die Dienstaufsicht am Hals und versucht sich fern ab dieser Metropole ein wenig Luft zu verschaffen. Ihm wird zusammen mit seinem Partner, der seinen eigenen Arsch retten will und ihn dafür ans Messer liefern will, ein augenscheinlich recht simpler Mord an einer jungen Frau in einer Kleinstadt Alaskas übertragen.

Dort fast wie eine Legende empfangen und dementsprechend auftretend, glaubt er den Fall mittels seiner Routine in nur wenigen Stunden zu lösen. Das klappt auch fast, da der raffinierte Haudegen weiter als seine Kollegen denkt und den Mörder schon bald ertappt. Der Zugriff findet aber nicht wie vorgesehen statt, da er aus Versehen im dichten Nebel seinen Partner schießt, der ihm im Sterben liegend Absicht unterstellt. Panik unterdrückend schiebt er dem Killer diesen Mord in die Schuhe, um die ballistischen Beweise später zu fälschen.

Was Nolan hier optisch präsentiert passt perfekt zum Zerfall Dormers, dem schon bald die Schlaflosigkeit plagt, da in Alaska zu dieser Jahreszeit die Sonne nie untergeht. Die Bilder bleiben trist, zeigen dennoch wunderschöne Naturkulissen ohne durchbrechende Sonnenstrahlen und viel Nebel. Eine Welt, die unwirklicher kaum sein könnte.
Von Wahnvorstellungen, Halluzinationen und eingeschränkter Reaktionsfähigkeit geplagt wird er von seinem Zielobjekt erst telefonisch, später Auge in Auge terrorisiert, da der auch ganz gern seinen Arsch retten würde und Dormer daher unter Druck setzt. Es entfaltet sich ein Psychoduell zwischen den beiden, dass den Cop an die Grenzen seiner Nerven bringt, dem überlegenen und überlegenden Täter, der ihm scheinbar immer einen Schritt voraus ist, aber nur ein müdes Lächeln abringt. Hat er die schlaflose Folter doch selbst schon hinter sich und setzt sich dementsprechend in die Lage seines Widersachers. Als die etwas einfältige, aber kluge und wissbegierige Polizistin Ellie Burr (Hilary Swank) auf Ungereimtheiten bei Dormers Bericht zum Vorfall im Nebel stößt und selber zu ermitteln beginnt wird die Luft für ihn immer dünner.

Das dieses Duell so gut funktioniert liegt insbesondere an den beiden Hauptdarstellern Al Pacino und Robin Williams, den man als Täter an der Stimme oder am Kinoplakat schon längst identifiziert hat. Das man zwar der zugegeben leidlichen Spannung nicht zuträglich sein, zeigt aber wo Nolans Schwerpunkt liegt: das Psychoduell zweier Extreme (beide töten einen ihn gut bekannten Charakter). Al Pacino zeigt als zermürbter, müde Cop, dass er noch längst nicht zum alten Eisen gehört und liefert einmal mehr eine Glanzleistung ab, von denen sich so manche Jungstars Hollywoods mindestens eine, wenn nicht mehrere, Scheiben abschneiden sollten. Doch auch Robin Williams, endlich mal außerhalb seiner Disney-Clownereien, gefällt, da ihm endlich mal die Chance gegeben wird, sein Können unter Beweis zu stellen. So zeigt er eindrucksvoll wie ein „normaler“ Mörder von nebenan auszusehen hat. Keineswegs blutrünstig, exzentrisch, entstellt oder von Kindheitserinnerungen gequält, sondern ein Mann der im Affekt tötete und nun seine Intelligenz auszuspielen versucht.

Das Duell findet, für viele langweilend, auf verbaler Ebene statt und besitzt nur anfangs und im finalen Showdown etwas Action. Insbesondere Dormers Kampf vorm Ertrinken zwischen Baumstämmen darf aber als spannendes Optikschmankerl angesehen werden.

Fazit:
Sehr gut gespielter Thriller, der ein tolles Psychoduell zum Besten gibt. Die bedrückende Optik vermittelt ein schwer verdauliches Werk Nolans, der hier einen gelungenen Thriller drehte, wie es ihn in Zeiten von Effektfilmen nur noch selten zu sehen gibt. Gerade deswegen erfrischend anders wie altmodisch. Wäre er noch etwas spannender und nicht ganz so dialoglastig gewesen, wäre noch eine höhere Wertung möglich gewesen. Nichts für einen Videoabend, sondern für Leute die gute Thriller mögen.

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