Review

SPOILER!
Die große Frage ist wohl immer noch: Wie verhält der Mensch sich in Ausnahmesituatuonen? Befindet er sich in solchen, ist er zu allem fähig, auch wenn er ein unbescholtener, vorbildlicher Bürger ist?´Einer, der sich an die Tugenden hält und alles daran setzt, diese Welt ein wenig besser zu machen.
So ein Mensch ist Detective Will Dormer (Al Pacino).
Er stellt quasi den Popstar unter den Polizisten dar, berühmt und erfolgreich. Doch dass auch solche Leute Leichen im Keller haben, wird sich auf dramatische Weise zeigen, als er nach Nightmute, ein verlassenes Kaff in Alaska versetzt wird. Schon bei seiner Ankunft bemerkt er, dass hier besondere Umstände herrschen, die das Auflösen des Mordfalls an einem 17jährigen Mädchen noch erschweren wird: Hier wird es nie dunkel, im Sommer geht hier die Sonne nicht unter. Schlafen wird für die Menschen unmöglich, besonders für Leute, die nicht dort ansässig sind und nicht daran gewöhnt sind....
In gewohntem Stil nimmt Dormer mit seinem Partner Hap Eckhart (Martin Donovan) die Ermittlungen auf.Sie stoßen auf die üblichen Verdächtigen, der gewalttätige Freund, die beste Freundin, die auch noch ein Verhältnis mit diesem hatte.Doch irgendwie scheint das nicht zusammenzupassen.Auch Dormers neue Kollegin Ellie Burr (Hilary Swank) kann da nicht helfen. Da hat Dormer die zündene Idee, die der Auslöser für ein schreckliches Katz und Maus Spiel sein wird: Sie locken den vermeintlichen Mörder zum Tatort zurück.Doch als dieser tatsächlich dort auftaucht, betätigt jemand dummerweise das Megaphon und das quietschende Geräusch gibt dem Killer die Gelegenheit zur Flucht. Dormer und Hap stürmen hinterher.Der Killer hat eine Waffe.Dazu kommt erschwerend, dass dichter Nebel die Sicht versperrt.Und dies ist für Hap tragisch:
Will erschießt ihn, weil er dachte, der Mörder sei es.Sofort rennt er hin und bemerkt den Irrtum.Zu spät, seinem Partner kann nicht mehr geholfen werden.
Seine letzen Worte bringen das Problem auf den Punkt:
Im Vorwurf der Indizienmanipulation gegen Dormer, der ihn auch von Los Angeles nach Kanada brachte, wollte Hap gegen ihn aussagen.Somit hätte Dormer ein Motiv, wenn dieser Unfall als Mord gewertet würde.
In seiner Verzweiflung manipuliert er den Tatort so, als hätte der Killer seinen Partner getötet.
In seiner Tauer muß er den Mord an dem Mädchen klären.
Doch bald holt ihn der Betrug ein: Dormer bekommt anonyme Anrufe, in denen der Killer ihm darlegt, er habe den Unfall beobachtet.Er erpresst ihn.
Dormer sucht nach Hinweisen auf den Unbekannten.
Durch das Buch, das er in dem Rucksack des Mädchens gefunden hat, wird er auf den Schriftsteller aufmerksam, der außerdem noch in der Nähe wohnt.Dormer fährt zu dessen Wohnung, die er jedoch leer vorfindet.
Als dieser ihn in der Wohnung überrascht, beginnt die Jagd.
Dormer kann ihn nicht fangen, doch wird er telefonisch zu einem Treffen beordert, das auf einer Fähre stattfinden soll.
Dort trifft er auf Walter Finch (Robin Williams). Er bietet Dormer einen Deal an: Dormer soll die Indizien so manipulieren, dass der Freund des Mädchens als Täter dasteht, und Finch wird den tragischen Unfall vergessen.
Der fehlende Schlaf und die Angst Dormers bewegen ihn zum Einverständnis.Doch bald wird klar, dass das ein fataler Fehler war:
Finch hat eine Tonbandaufnahme des Gesprächs und nun endlich einen handfesten Beweis gegen Dormer.
Als sich im weiteren Verlaufe die Interessen Dormers ändern und er versucht, Finch zu hintergehen, muß er feststellen, dass er nun gefangen ist. Gefangen in einer Welt, die ihn nicht mehr straffrei auskommen läßt und die zusätzlich unerträglicher wird, durch die ewige Tageshelle.
Alles spitzt sich zu in einem Showdown, in dem alle Beteilgten an den Tatort zurückkommen.Das Spiel, in dem jeder jeden in der Hand hat, findet ein tragisches Ende....

Zuerst mal vorneweg: Ich finde den Film schlichweg grandios.
Die Gründe:

Die Darsteller:
Al Pacino ist als Will Dormer spitze. Er hat etwas arrogantes als er anfangs aus der Großstadt kommt und etwas sehr verletzliches, nachdem er merkt, dass ihn der Schlafentzug verrückt macht.Sehr überheblich bewegt er sich in seiner neuen Arbeitsstelle, weiß alles besser, kann alles besser und er als Supercop vergißt auch ständig die Namen seiner Kollegen.
Doch die Umstände holen ihn schnell wieder auf den Boden der Tatsachen:
Er schläft tagelang nicht. Zusätzlich stirbt sein Kollege. Die Angst entdeckt zu werden und als vermeintlicher Mörder verurteilt zu werden, ist zu groß. Das bewirkt auch, dass er sich schließlich auf das Psychoduell mit Robin Williams einläßt. Den großen Fehler begeht Dormer, als er sich mit Finch trifft: Die Tonbandaufnahme mit einschlägigen Bekenntnissen Dormers belasten ihn aufs Schwerste. Zuvor hätte Finch mit einer bloßen Aussage, Dormer hätte Hap getötet, kaum was anrichten können.Doch nun ist Dormer gefangen, von Finch, von seinen Gefühlen und er unerträglichen Tageshelle.Am Schluß wirkt Pacino verwirrt, verspricht sich oft und flimmert mit den Augen. So baut er fast einen Autounfall. Die Wandlung vom übermächtigen Supercop zum hilflosesten Menschen, der überhaupt mit dem Fall zu tun hat, vollbringt Pacino auf eine grandiose, geniale Art un Weise. Seine Gesichtzüge schlafen ein, während die Handlung so dahinplätschert. Man hat im Laufe der Handlung das Gefühl, man schaue einem Menschen beim Einschlafen zu. Dormers Gesicht zeigt die Phasen des Einschlafens über eine Länge von eineinhalb Stunden hinweg, Pacino meistert das großartig.
Die Unerträglichkeit der ewigen Tageshelle überträgt sich auf den Zuschauer, man erlebt hautnah, wie es ist, nicht schlafen zu können. Jeder, der mal eine Nacht durchmacht kennt das Gefühl.
Doch bei Dormer sind das immerhin sechs Tage. Und hinzu kommt, dass ihm die Behörde in L.A. auf den Fersen ist, die Behörde in Kanada (wenn er als schuldig bedacht wird), und die erpresserischen Machenschaften von Finch aka Robin Williams.
Der spielt genauso wie Pacino oscarwürdig und bietet keinesfalls den abgedrehten, schwächlichen Treibtäter. Er wirkt sehr brutal, zwielichtig und gefährlich, und damit das perfekte Gegenstück zu Pacino`s Cop. Im Laufe der Handlung verschieben sich die Kräfteverhältnisse:
Pacino wird geschwächt, Williams erstarkt, erstens durch Dormers Schwäche und zweitens durch die dummen Anfängerfehler, die Dormer weiterhin unterlaufen. Finch macht ihn erpressbar und sitzt fortan am längeren Hebel. Williams meister seine Rolle als verschrobener Mörder verdammt gut, und dürfte die Fans von "Patch Adams" und seinem heldenhaften Peter Pan in "Hook" verschrecken.
Und genau das gelingt ihm. Stille Wasser sind tief, das trifft auf ihn zu. Seine Augen sind so tief, wie die Gebirgsbäche in Kanada, und lassen dem Zuschauer, der ihn diese Augen blickt, die Möglichkeit zu entscheiden, ob er gut oder böse ist.Beides ist möglich.Außerdem sehen wir Finchs Brutalität, wenn er am Schluß wie ein Besessener mit seinem Gewehr rumballert.
Hilary Swank spielt auch gut, allerdings nicht weiter erwähnenswert, da jede andere die Rolle auch verkörpern hätte können.Solide eben, nicht mehr.

Der Aufbau/die Story:
Spannend ist der Film, keine Frage.Zwar ist schon von dem Moment, wo wir Robin Williams auf dem Kinoplakat sehen, wie er mit Al Pacino im Clinch liegt, klar, wer der richtige Verdächtige, und damit der Mörder ist.
Doch ist das keine Story, dessen einziges Mittel, den Zuschauer zu fesseln, es ist, am Ende mit einer spektakulären Enthüllung des Mörders aufzutrumpfen.
Dieser Film baut auf die Charaktere, und die geila eDrehbuchiee:
Die Tageshelle von Nightmute, die Umstände, die Dormer verletzlich und erpressbar machen, all das auszunutzen, um einen leisen, irre spannenden Thriller zu machen, ist einfach genial.
Deswegen heißt der Film auch "Schlaflos", die Schlaflosigkeit Dormers ist die Rahmenhandlung, wie es eine hiesige Kinozeitung ausdrückte, "die dritte Hauptrolle".Der Umstand also, die die Tragik des Films vorantreibt und das Ende logisch macht.
Wie ein Motor zieht sich dieser rote Faden, das Motiv des Extremzustands, durch die Geschichte und hält den Zuschauer in Atem. Zumal auch weder Pacino noch Williams symphatisch wirken, beide haben sich versündigt, schuldig gemacht. Williams durch den Mord, Pacino durch den wiederholten Indizienbetrug.
Doch die Dummheit Pacinos, die Offensichtlichkeit seiner Fehler, lassen den Zuschauer aktiv werden, man möchte ihn vorwarnen. Das bewirkt, dass man sich in den Kinosessel zurücklehnt und sich berieseln läßt.
Meiner Meinung nach der große Unterschied zu diversen anderen Filmen, die den Mörder vorzeitig entlarven und nur noch die Zeit bis zum Abspann totschlagen:
"Insomnia" schafft eine Spannung, die losgelöst von Rätselraten und Enthüllungen wirkt, den Zuschauer fesselt und am Ende tief berührt. Ganz zu schweigen, dass sich Pacinos Unbehagen, seine Schwäche auf den Zuschauer überträgt.
Wir haben es mit einem wahrhaft großartigen Thriller zu tun, der nebenbei großes Charakterkino bietet und den Zuschauer am Schluß mit der immerwährenden Frage zurückläßt: "Wie hätte ich gehandelt?"

Ganz eindeutig: 10/10Punkten.

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