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Lange hat es gedauert, bis wir nun endlich Martin Scorseses neues Werk auf der Leinewand bewundern können. Ein Film, welcher mit seinen turbulenten Dreharbeiten wohl für mehr Terminverschiebungen und Schlagzeilen gesorgt hat wie kaum ein anderer Film in der letzten Zeit. Dementsprechend gross war natürlich auch die Spannung auf das was uns Scorsese nach zigmaligem Umschneiden des Materials letztendlich vorlegt.

Im Film selbst geht es um die New Yorker Bandenkriege in der Mitte des 19. Jarhunderts. Dabei wird der Focus auf den Konflikt zwischen den Gangs der irischen "Dead Rabbits" und der New Yorker "Natives" gelegt, welche im New Yorker Stadtteil "Five Points" um die Vorherrschaft kämpfen. Erstere werden von Priest Vallon (Liam Neeson) geleitet, wärend letzere von dem ebenso charismatischen wie auch brutalen William "The Butcher" Cutting (Daniel Day-Lewis) angeführt werden. Der Konflikt eskaliert eines Tages in einer Schlacht, bei der Priest Vallons Sohn Amsterdam (Leonardo DiCaprio) mit ansehen muss, wie sein Vater von Cutting getötet wird, was gleichzeitig den Untergang der "Dead Rabbits" einläutet. Amsterdam entkommt und wird in einer Kirche aufgenommen. Vierzehn Jahre später kehrt er nach "Five Points" zurück. Dort herrschen inzwischen die "Natives", immer noch unter den Führung von William Cutting. Über einige Umwege gewinnt Amsterdam Cuttings Vertrauen und stellt letztendlich fest, dass Cutting nicht so unehrenhaft ist wie er zuerst angenommen hat. Mit der Zeit gerät Amsterdam immer mehr in einen ernsthaften Gewissenskonflikt ...

Beim erstmaligem Anschauen des Films fällt sofort die prächtige Ausstattung und Atmosphäre auf, welche die dreckigen Strassen und die anarchistischen Zustände dieser Zeit prächtig wiedergeben. Sehr positiv ist auch, dass grösstenteils wenn nicht sogar vollständig auf CGI-Effekte verzichtet wurde und das ganze dadurch noch authentischer wirkt. Ganze Gebäude und Strassen wie zum Beispiel die damalige Wall Street wurden detailgetreu nachgebaut. Um es mit wenigen Worten zu sagen, die Ausstattung ist erstklassig. Auch die Besetzung ist nicht von schlechten Eltern. So gut wie alle Schauspieler machen ihre Sache wirklich gut und können in ihren Rollen überzeugen. Am herausstechensten ist aber Daniel Day-Lewis, der eine absolut hervorragende Leistung als William Cutting abliefert. Man merkt ihm seine intensive Vorbereitung auf seine Rollen und deren sorgfältige Auswahl sofort an.
Auch Leonardo DiCaprio weiss zu überzeugen. Etwas fragewürdig ist die Rolle der Jenny Everdeane, welche von Cameron Diaz verkörpert wird. Man bekommt manchmal das Gefühl, dass ihr Vorhandensein nur Alibi-Charakter hat. Bis auf wenige Szenen, in denen durch Jennys Vergangenheit Amsterdams Gewissenkonflikt gegenüber Cutting verstärkt wird, ist ihre Rolle nämlich ziemlich überflüssig. Trotz allem ist ihr Vorhandensein ein netter Kontrast zu den sonst fast ausschliesslich männlichen Charakteren des Films. Etwas sauer stösst die Tatsache auf, dass der Konflikt zwischen Amsterdam und Cutting schon nach ungefähr der Hälfte des Films aufgelöst wird. Das nimmt dem ganzen ein wenig die Spannung und sorgt gerade in der letzten dreiviertelstunde des Films für einige Längen. Auch werden einige Handlungsstränge viel zu kurz behandelt. Die Auferstehung der "Dead Rabbits" zum Beispiel wird viel zu knapp abgehandelt. Überraschend ist dagegen das Ende des Films welches man so nicht erwartet hat, was rein dramaturgisch gesehen meiner Meinung nach jedoch absolut brilliant und sehr, sehr unpatriotisch ist.
Überhaupt sehr auffällig ist der exrem kritische Unterton Scorseses gegenüber Amerikas Vergangenheit. Wärend sich Amerika selbst gerne als tolerantes, weltoffenes Land sieht, wird hier eine völlig andere Perspektive eröffnet. Da gibt es extremen Rassenhass, korrupte Polizisten, Wahlen werden manipuliert, Wahlkampfgegner ermordet und Demonstrationen werden mit rücksichtsloser Gewalt niedergeschlagen. Es wird schonungslos gezeigt, wie blutig Amerikas Vergangenheit ist. Es kommt nicht oft vor, dass eine derartig aufwendige US-Produktion derart unpatriotisch ist.

Im grossen und ganzen ist "Gangs of New York" ein wirklich guter Film, wenn auch kein absolutes Meisterwerk. Dafür ist seine Grundhandlung vom simplen Rachedurst zu konventionell. Inszenatorisch ist der Film jedoch absolut brilliant und auch historisch gesehen sehr interessant. In welchen Filmen erfährt man schon etwas über diese doch sehr interessante Zeit Amerikas?
Definitiv einer der besten Filme dieses Jahres.

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