Bitteres Gesellschaftsportrait
"Die Letzten Glühwürmchen" gehört zu jenen Filmen von denen ich über eine äußerst einseitige öffentliche und dementsprechend oberflächliche Wahrnehmung ein völlig falsches Bild vermittelt bekommen hatte, bevor ich sie tatsächlich sah: zwar stellt der Film eine Militarisierung der japanischen Gesellschaft teilweise dar, doch halte ich das was sich da entfaltet weniger für ein Kriegsdrama, noch für einen "Antikriegsfilm", oder handelt "Die letzten Glühwürmchen" gar von den Folgen eines Atomkriegs. Weit gefehlt: die Atombombe ist in diesem Film am Ende nur ein Gerücht in der Ferne.
Mit den politischen Implikationen tut sich der Film wie andere japanische Produktionen nämlich leider offensichtlich schwer, und verlagert - ähnlich wie Kurosawas "Ikiru", der etwa auch keine naheliegende Konsum- und Kapitalismuskritik darstellt - seine Thematisierung von Problemen lieber auf die deutlich unverfänglichere Ebene zwischenmenschlicher Konflikte.
Im Kern schildert "Die letzten Glühwürmchen" dabei das Schicksal zweier Kinder die in den letzten Zügen der Kriegswirren auf sich alleingestellt worden sind, von ihren Mitmenschen aus eher selbstüchtigen als politisch-ideologischen Motiven ver- und ausgestoßen werden, sowie den Egoismus und die Herzlosigkeit einer restlichen Zivilgesellschaft die durch den Krieg praktisch ihrer Masken beraubt wurde. Dem Hungertod überlassen überlebt schließlich nur der ältere, kräftigere Junge, während die kleine Schwester mehr oder weniger schonunglos stirbt - bis auf ein paar wenige eingeschobene Unklarheiten in der Erinnerung der Erzählung.
Die Passion welche der FIlm über seine autobiografische Vorlage so entwickelt geht mitunter sehr emotionale Wege, jedoch ohne die Gemeinschaft welche den beiden Kindern entweder nicht helfen kann oder nicht helfen will direkt anzuklagen, wobei sich eher eine Resignation über die vorgefundenen Verhältnisse breit macht. Anders als etwa "Iwans Kindheit" ist der Film in keinem Fall einer der Mut macht: "Die Letzten Glühwürmchen" wurde in Japan dafür zeitgleich mit dem aufgeweckt-fröhlichen "Mein Nachbar Totoro" als fantastischem Gegenstück veröffentlicht, einem Film der den dort menschlichen Verlust der Mutter lediglich als Angstzustände beschreibt. Angst die nicht ernst genommen werden braucht, sowie mit sonstigem Glück und Hoffnung aus bloß dramaturgischen Gründen behutsam verflochten erscheint. Der berufstätige Vater ist in "Mein Nachbar Totoro" zwar auch oft nicht da, doch hat der Film genau das versöhnliche Ende welches bei diesem bereits von Vornherein ausgeschlossen wird: also ein Publikum sollte schon wissen worauf es sich da, womöglich noch mit kleinen Kindern daneben, einlässt. Wer selbst die zensierte deutsche Fassung von "Niklaas, ein Junge aus Flandern" als Kinderserie bereits unerträglich fand sollte sich das so besser schon noch ein weiteres Mal überlegen.
Die deutsche Freigabe ab 6 Jahren halte ich in jedem Fall für sehr fragwürdig.
Rating 9.0