Während Robert Neville (Will Smith in "I Am Legend") in einer parallelen Dimension gerade mit seinem Hund durch das verlassene New York streift und mit Hilfe seines Mustang GT500 zwischen den Wolkenkratzern galoppierende Gazellen schießt, ist auch Eli in seinem Universum auf der Jagd. Doch er ist zu Fuß und alleine. Mit hundertprozentiger Treffsicherheit erlegt er per Pfeil und Bogen eine wildernde Katze. Am Abend in der verlassenen Hütte gibt es Katzenfleisch. Und als Neville gerade seine teuer erkämpfte Beute mit seinem besten Freund, dem Schäferhund, brüderlich teilt, wird in der sepiafarbenen Ödnis von Eli die Nahrungskette auf den Kopf gestellt: Eli gönnt einer hungrigen Maus einen Fetzen seines Abendmahls. Maus frisst Katze. Später dann wird er einem Toten die Schuhe stehlen. Freude steht ihm ins Gesicht geschrieben, als er merkt, wie gut sie passen. Ein erfolgreicher Tag.
"Book Of Eli" zeichnet sich vordergründig dadurch aus, dass er etablierte Schemata vergangener Postapokalypse- und Einzelgängerfilme verlässlich wiederholt. Was den unwirtlichen Lebensraum, den selbstzerstörerischen Umgang der Überlebenden miteinander und die Inszenierung des Titelhelden angeht, verlangen die Hughes Brothers scheinbar keine Sonderbehandlung gegenüber den meisten anderen dystopischen Epigonen. Die Besetzung Elis mit Denzel Washington ist bezeichnend; mit der Coolness in seiner Präsenz werden vor allem die wenigen Action- und Gewaltspitzen angereichert. Dass diese gerade so an der Grenze zur Aufgesetztheit liegen, wird das Massenpublikum nicht stören. Zu sehr ist man von der durchchoreografierten Perfektion gebannt, mit der Köpfe und Gliedmaßen unter dem Schatten einer Brückenruine abgetrennt werden – eine Perfektion, die sich durch den gesamten Handlungsverlauf zieht. Eli ist nur ein Mann – diesen Satz muss sein Gegner, ein als Bösewicht zutiefst routinierter Gary Oldman, sich immer wieder vorbeten, um es wirklich glauben zu können. Kein Geist, kein Superheld, nur ein Mann.
Dabei zeigt der Film abseits der Ikonisierung seiner Hauptfigur streckenweise ein unerwartetes Gespür für realistische Entwicklungen. Dass es beispielsweise Katzen sind, die in der Welt von Eli das Überleben gemeistert haben, ist evolutionstechnisch gesehen die wahrscheinlichere Variante als das Überleben des Hundes, den man in Endzeitfilmen sonst geradezu um die Ohren gehauen bekommt.
Aber das sind nur vereinzelte (und erfreuliche) Details, die das Fehlen einer in sich schlüssigen Zukunftsprognose noch offensichtlicher machen. Das noch klein gehaltene Opening, in dem jedoch bereits die grandios eingefangene Landschaft zur Geltung kommt und mit ihr Erwartungen an eine große Geschichte geschürt werden, erhebt schon Anspruch an eine ebensolche Schlüssigkeit und verspricht einen klassischen "Zoom Out", der mit jeder Minute mehr entblättert, bis man die erhoffte große Geschichte bekommt.
Leider tritt diese große Geschichte niemals in Kraft, weil schon die Prämisse eine zweifelhafte ist. Die Mission von "Book Of Eli" ist es, die Macht des geschriebenen Wortes zu veranschaulichen, wie die Menschheit sie seit dem Übergang von der oralen in die literale Gesellschaft kennt. Anstatt aber massenpsychologische Dynamik aufzuzeigen, vergeuden die Hughes Brothers ihre Zeit damit, aus dem schwer zu greifenden Gesellschaftsphänomen eine alberne Schnitzeljagd nach einem Buch zu machen, fast so, als sei es eine Frage des Hokuspokus, Worte aus dem Buch zu lesen und mit *Puff* und *Blitz* von Zauberhand ein Resultat zu bekommen, so, als seien die Zeilen magische Zauberworte vom Format "Klaatu Barada Nikto", und hier erreicht der potenzielle A-Film B-Movie-Gewässer.
Tatsächlich bekommt das Buch des Eli während der Verfolgungsjagd durch das Ödland fast schon macguffin'sche Züge, ist es doch irgendwann nur noch Ausdruck des Begehrens zweier Parteien, die sich auf ihrer Reise manchmal an einem Punkt treffen. Zweck dieser Treffen sind Actionhöhepunkte, die oftmals nur um ihrer selbst Willen im luftleeren Raum stehen – welchen Sinn hätte die totale Durchlöcherung, Vernichtung und Ausmerzung der kleinen Wüstenhütte sonst, wenn nicht, um mal eben gepflegt ein paar hundert Kugeln durch brüchiges Holz und eine Bazooka-Rakete durch das Fenster zu jagen? Zu Schauwerten wie diesen ist auch Co-Actrice Mila Kunis zu zählen, die ebenso stylish und unnütz ist wie viele der vermeintlichen Action-Höhepunkte.
Doch fast ebenso erstaunlich wie die das Pressen von so viel Film auf so wenig Handlung ist es, wie gut "Book of Eli" trotzdem als Unterhaltungsfilm funktioniert. Handwerklich ist nichts zu beanstanden und ebenso wenig darf an Denzel Washingtons Leistung ausgesetzt werden, zumal er seinen steinharten Charakter gegen Ende dankenswerterweise doch noch einmal bricht, indem er ihm einen unverhofften Moment des Erstaunens und der Überraschung verleiht, den man bei einem abgeklärten Mann wie Eli nicht mehr erwartet hätte. Und das schließt den Kreis: kleine Momente der Größe in einem Film, dem die Größe in der Gesamtheit fehlt.