Go West! Dieses Vorhaben ist im postapokalyptischen Amerika nicht viel ungefährlicher wie zur Pionierzeit. Wegelagerer, motorisierte Mörderbanden und die unwirtliche Restnatur erfordern Wagemut, Durchsetzungsvermögen, Ausdauer und nicht zuletzt den, wenn nötig, kompromisslosen Waffeneinsatz. Der einsame Wanderer Eli hat es vor allem bei letztgenannter Disziplin zur Meisterschaft gebracht. Sein schwertähnliches Messer hat schon so manchem Gangster eine tödliche Lektion in Sachen Geschwindigkeit, Effizienz und Treffsicherheit erteilt.
Das Endzeitkino erlebt schon sei geraumer Zeit insbesondere im Horrorgenre seinen zweiten Frühling. Ob Killervirus (28 days/weeks later, Doomsday, I´m legend) oder Krieg (Terminator - Die Erlösung), stets sehen sich die Überlebenden mit einer wüstenähnlichen Trümmerlandschaft und/oder ausgestorbenen Metropolen konfrontiert. Das ist heute tricktechnisch natürlich erheblich eindrucksvoller umzusetzen, als zu Zeiten der häufig kolportierten und überschätzten Mad Max-Trilogie.
Auch The Book of Eli punktet zunächst einmal enorm im visuellen Bereich. In monochromen, ausgebleichten Panoramabildern von verwüsteten Landstrichen, zerstörten Highways und halb zerfallenen Städten kreieren die Regiebrüder Albert und Allen Hughes eine beklemmende Endzeitatmosphäre, eine bleierne Trostlosigkeit, die den amerikanischen Traum von Freiheit und Abenteuer in ein fahles, beinahe höhnisches Licht taucht. Inmitten dieser Einöde stapft Denzel Washington als geheimnisvoller Fremder Eli gen Westen, um ein ominöses Buch an einen nebulösen Bestimmungsort zu bringen. Wer sich ihm in den weg stellt, wird mit Ballettartiger Anmut und kalter Präzision ins Jenseits befördert.
Die Anklänge an den Samuraifilm sind unverkennbar, deutlicher aber noch werden hier Versatzstücke des klassischen Western umgewälzt. Als der Fremde eine halbzerfallenen Kleinstadt erreicht, muss er sich mit dem Despoten Carnegie (Gary Oldman mal wieder in seinem Schurken-Element) auseinandersetzen. Natürlich hat dieser eine bis an die Zähne bewaffnete Bande an Schlägern und Mördern um sich versammelt, die seinen Wünschen den nötigen Nachdruck verleihen. Denn Carnegie ist es gewohnt zu bekommen was er verlangt und in diesem Fall ist das Elis Buch. Andererseits ist er auch beeindruckt von Elis kämpferischen Fähigkeiten und versucht zunächst ihn anzuwerben. Natürlich lehnt er ab und selbstredend führt dies zur Konfrontation mit Carnegies Schergen.
The Book of Eli hat hier ein paar herausragend choreographierte Actionszenen, lässt sich insgesamt aber nur schwer einem bestimmten Genre zuordnen. In einer Zeit, in der alles mit Vorliebe etikettiert wird, dürfte das den ein oder anderen Kinobesucher mit Sicherheit vor den Kopf stoßen. Vor allem der philosophisch-religiöse Unterbau des ansonsten geradlinig-simplen Westernszenarios könnte zu Irritationen bei festgefahrenen Genrefetischisten führen. Zudem werden biblische Zitate oder Anklänge im amerikanischen Mainstreamkino vor allem hierzulande gar nicht gern gesehen. Viele Kritiken zu The Book of Eli heben dann auch auf diesen „Makel" ab. Interessanterweise ist man dagegen bei esoterischem Hokuspokus, oder fernöstlichen Lebensweisheiten erheblich kulanter. Das mag in erster Linie ein Reflex auf den religiösen Eifer der Bush Administration im Zuge deren aggressiver Außenpolitik im Kampf gegen den Terror sein.
Ironischerweise ist The Book of Eli weit mehr ein Kommentar zu Macht und Missbrauch von Religion, als lediglich eine naiv-simple Erweckungs-, oder Erlösungsparabel im Sinne des US-amerikanischen, christlichen Fundamentalismus. Während Eli aus der Religion vor allem den Wert der Nächstenliebe destilliert, beschwört Carneggie den manipulativen und benebelnden Charakter, der bei Missbrauch recht schnell zum Vorschein kommt. Die Parallelen zu bestimmten Auswüchsen der US-Politik sind unschwer zu erkennen.
Im Verlauf des Films wird schnell klar, dass es sich bei Elis Buch um die Bibel handelt. So gesehen ist das titelgebende Buch hier keinesfalls als McGuffin zu sehen. Carneggie möchte dieses Buch haben, da sich damit die Menschen so schön beeinflussen, lenken und schlussendlich natürlich auch beherrschen lassen. Eli möchte es für die Nachwelt erhalten, damit die Botschaft der Nächstenliebe weiterlebt. Das mag etwas simpel gestrickt und in letzter Konsequenz auch etwas oberflächlich sein, wird aber durchaus glaubhaft in das Apocalypse-Szenario eingebettet.
Will man ein Haar in der atmosphärisch dichten und stringent erzählten Endzeitsuppe finden, gibt es Offensichtlicheres, als die vermeintlich verquaste Religionskeule. Gegen Ende warten die Hughes-Brüder mit einem überraschenden Twist auf, der den vorangegangenen Film in ein gänzlich anderes Licht taucht. Macht man sich die Mühe die Handlung vor dem geistigen Auge nochmals Revue passieren zu lassen, erscheinen einem doch einige Szenen im Zuge der neuen Erkenntnis arg übertrieben, wenn nicht unglaubwürdig. Es wäre ein leichtes gewesen, mit einer abgeschwächten Variante diese Überraschungscoups eine ähnliche Wirkung zu erzielen.
Trotzdem bleibt The Book of Eli ein bis zum Ende packender Endzeitthriller, der sich einer klaren Genre-Etikettierung immer wieder geschickt entzieht. Denzel Washington gelingt es auch mit zurückhaltender Mimik und relativ wenig Sprechanteilen scheinbar mühelos, den Film zusammenzuhalten. Seine Leinwandpräsenz und die panoramaartige Visualisierung einer verseuchten und zerstörten Welt bilden das Rückrat einer erzählerisch schlichten, aber nie langweiligen Geschichte. Ein zwar nicht in letzter Konsequenz ausgearbeiteter und durchgehaltener, aber zumindest immer wieder deutlich durchbrechender, durchaus zynischer und galliger Kommentar zu uramerikanischen Werten und Motiven.
(7,5/10 Punkten)