Amerikanische Dramen haben ein Problem: Immer wieder argwöhnt man viele dieser Filme seien einfach nur aufgrund der Oscarverleihung gedreht worden, entweder um einem bestimmten Star zur Trophäe zu verhelfen oder die Jury auf der emotionalen Schiene einzulullen. Werke wie „Blind Side“ bestätigen dieses Vorurteil unschön.
Das Team um Regisseur John Lee Hancock hat diverse Vorjahresgewinner studiert, also darf die Powerfrau Marke „Erin Brockovich“ nicht fehlen, in diesem Falle also Supermutti Leigh Anne Tuohy (Sandra Bullock). Die flaniert als reiche Gattin in den besten Kreisen, hat jedoch immer ein Auge für soziale Ungerechtigkeit und salbadert im Off noch Kommentare zum Thema Football in die Welt – wir erinnern uns, den Sport betrieb auch Forrest Gump.
Doch zurückgebliebene Weißbrote waren anno 2009 out, um politisch korrekt zu sein oder noch irgendwen hinter dem Ofen hervorzulocken, also brauchte man einen geistigen Simpel, der noch dazu schwarz war und aus armen Verhältnissen stammte. Vorhang auf für den sanften Riesen Michael Oher (Quinton Aaron) über den Leigh Anne zufällig stolpert und den sie dann zuhause bei sich aufnimmt…
Die Kalkulation hinter „Blind Side“ ist klar und irgendwie auch ärgerlich, doch es grenzt schon an Arbeitsverweigerung, wenn man sich anschaut wie wenig echte Konflikte man um das Problem gestrickt hat. In „Blind Side“ löst man die Probleme vornehmlich mit Geld, was Familie Tuohy von Beginn des Films an wie Heu hat und dementsprechend uninteressant sind die Konflikte des Films. Andere Probleme werden angerissen, sind teilweise sogar recht interessant, z.B. wenn Leigh Annes Freundinnen ihr den Floh ins Ohr setzen Michael könnte es in sexueller Weise auf ihre Tochter abgesehen haben oder die Tuohys Michael bei seiner Collegewahl beeinflussen wollen, doch werden schnell weggebürstet: In ersterem Falle hat Leigh Anne kurz Befürchtungen, setzt sich dann aber gegen ihre Schnepfenverein durch (Powerspeech inklusive), in letzterem Falle lassen die Tuohys kurz ins Gewissen reden und erklären Michael dann in einer Powerspeech, dass er das College wählen kann, dass er möchte.
Dass Schwarze weiterhin oft nur durch Footballstipendien aufs College gehen können, ein etwas zurückgebliebener Junge wie Michael vielleicht gar kein Material für den höheren Bildungsweg ist und solche Stipendien daher vielleicht wenig bringen, das sind Fragen, die man vorzieht totzuschweigen. Football spielt sowieso keine große Rolle, wer also einen Sportfilm oder packende Spielszenen erwartet, der guckt kräftig in die Röhre, auch wenn man sich hin und wieder alibimäßig mit dem Sport beschäftigt.
Dass die Quälerei dann auch noch gute zwei Stunden dauert, das ist dann quasi der Gipfel eines Films, in dem so gut wie nichts passiert (oder besser gesagt: nichts auch nur ansatzweise Interessantes oder Relevantes), stattdessen wird die Zeit mit Dialogen aus der Drehbuchhölle des Grauens angefüllt. Powermutti Leigh Anne erklärt dem treudoofen Big Mike, wie man Michael auch nennt, Football anhand von Vergleichen mit bisherigen Erlebnissen (Höhepunkt ist die Airbagstory), weil der achso engstirnige Trainer da nicht genug pädagogisches Einfühlungsvermögen hat – für den Zuschauer sind dessen gebrüllte Befehle allerdings wesentlich erträglicher als Leigh Annes pathetisches Geschwalle.
Und doch: Wenn man etwas an „Blind Side“ loben kann, dann ist es Sandra Bullocks Leistung, die auch die miserabelste Drehbuchzeile ohne kompletten Würdelust rüberzubringen weiß, in ihren besten Momenten sogar ziemlich gut aufspielt. Ob der Oscar dafür gerechtfertigt ist, darüber kann sich streiten, aus diesem Film ragt sie heraus. Auch Quinton Aaron macht seine Sache durchaus ordentlich, wobei er sich mit der Wahl dieser Figur keinen großen Gefallen getan hat, denn stark ist die Rolle nicht. Über die restlichen Stichwortgeber verliert man hingegen besser keine großen Worte, denn die passen sich dem Nullniveau des Films rundum an – einzige Ausnahme: Die famose Kim Dickens, die der Film allerdings sträflich unterbeschäftigt vergeudet.
Was bleibt ist ekelhafte, auf den Oscar schielende Sülze, deren Handlung aber mangels Konflikt und in Anbetracht der grauenhaften Dialoge einfach nur noch langweilt. Man kann versucht sein „Blind Side“ als Betroffenheitsplörre zu beschimpfen, doch selbst dafür ist John Lee Hancocks Vollflop viel zu belanglos – trotz einer starken Sandra Bullock.